Normen
ABGB §43
HGB §30
HGB §37
Pariser Unionsvertrag zum Schutze der gewerblichen Eigentums Art2
Pariser Unionsvertrag zum Schutze der gewerblichen Eigentums Art8
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
ABGB §43
HGB §30
HGB §37
Pariser Unionsvertrag zum Schutze der gewerblichen Eigentums Art2
Pariser Unionsvertrag zum Schutze der gewerblichen Eigentums Art8
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Spruch:
Mangels Eintragung im österreichischen Handelsregister genießt die Firma eines Unternehmens, das seinen Sitz in einem anderen Staat der Pariser Union hat, in Österreich nur jenen Schutz, den das österreichische Recht dem nicht eingetragenen Handelsnamen gewährt.
Das Registergericht darf die Eintragung einer Firma nicht aus wettbewerbsrechtlichen Gründen verweigern.
Entscheidung vom 2. September 1958, 4 Ob 304/58.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Rekursgericht hat die vom Erstgericht am 18. April 1958 verfügte und am 21. April 1958 vollzogene Eintragung der Firma Marcel Guerlain, GesmbH., Wien, in das Handelsregister bestätigt und damit dem Rekurs der Guerlain P., Paris, den Erfolg verweigert. Die Begründung des rekursgerichtlichen Beschlusses geht dahin, daß jede neue Firma sich von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden müsse (§ 30 Abs. 1 HGB.). Die Firma der Beschwerdeführerin sei im Handelsregister des Erstgerichtes nicht eingetragen. Deshalb genieße sie gegenüber der eingetragenen Firma Marcel Guerlain GesmbH. Wien nicht den Schutz gemäß der genannten Gesetzesstelle; die Eintragung der Firma Marcel Guerlain GesmbH. habe daher ohne Einholung eines Gutachtens der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien verfügt werden können. Mit der Frage, ob die Firma der Beschwerdeführerin wegen Verwechslungsfähigkeit mit der Firma Marcel Guerlain GesmbH. den Schutz nach § 37 HGB., § 9 UWG. und § 43 ABGB. genieße, habe sich das Rekursgericht im Registrierungsverfahren nicht zu befassen gehabt. Auch die Pariser Verbandsübereinkunft könnte der Beschwerdeführerin Schutz für ihre Firma nur nach diesen Vorschriften, jedoch nicht nach § 30 Abs. 1 HGB. bieten, da der Schutz nach dieser Gesetzesstelle auch für die Firma des Inländers ortsbegrenzt sei.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Guerlain Parfumeur, Paris, wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit. Der Rekursantrag bezweckt Abänderung der untergerichtlichen Beschlüsse in der Weise, daß der Antrag auf Eintragung der Firma Marcel Guerlain GesmbH. abgewiesen und die bereits eingetragene Firma gelöscht werde, allenfalls Aufhebung der untergerichtlichen Beschlüsse und Zurückverweisung der Sache an das Handelsgericht Wien zur neuerlichen Entscheidung. Die Entscheidung des Rekursgerichtes stehe in offenbarem Widerspruch zu den Art. 2 und 8 des Pariser Unionsvertrages vom 20. März 1883, BGBl. Nr. 7/1948, Nach Art. 8 ParUV. sei der Handelsname in allen Verbandsländern ohne Verpflichtung zur Hinterlegung oder Registrierung zu schützen, gleichgültig ob er den Teil einer Handels- oder Fabriksmarke bilde oder nicht. Das Rekursgericht irre, wenn es den Standpunkt vertrete, daß der Schutz im Registerverfahren der Firma nur dann zugute komme, sofern sie eingetragen sei. Art. 8 ParUV. enthalte keinen Hinweis darauf, daß der registermäßige Schutz nur dem eingetragenen Handelsnamen zu gewähren sei sondern bestimme gerade das Gegenteil. Diese Bestimmung stelle eben einen Ersatz und eine Befreiung von der ansonsten notwendigen Registrierung zugunsten der ausländischen Handelsnamen dar. Wäre dies nicht der Fall, müßte Art. 8 ParUV. den typisch registermäßigen Schutz eines registrierten Handelsnamens ausdrücklich vorbehalten, was aber nicht geschehen sei. Art. 2 Abs. 2 des Vertrages gewähre den Angehörigen eines jeden Unionslandes in allen übrigen Ländern der Union den Schutz des gewerblichen Eigentums, den die betreffenden Gesetze den eigenen Staatsangehörigen gewähren, unbeschadet der durch den Pariser Unionsvertrag besonders vorgesehenen Rechte. Die Unionsangehörigen genössen daher vorbehaltlich der Erfüllung der Bedingungen und Förmlichkeiten, die den eigenen Staatsangehörigen auferlegt werden, denselben Schutz wie die Inländer. Der Schutz nach § 30 Abs. 1 HGB. würde ihm daher nur dann gewährt werden, wenn er in das Handelsregister eingetragen wäre. Darüber hinaus verfüge aber Art. 8 ParUV., daß der Handelsname auch ohne Verpflichtung zur Hinterlegung und Registrierung zu schützen sei. Diese Bestimmung befreie also den ausländischen Handelsnamen von der Verpflichtung zur Registrierung und gewähre ihm auch für den Fall des Nichteingetragenseins Schutz. Wenn der Schutz des Handelsnamens schon durch Art. 2 Abs. 1 ParUV. gewährleistet sei, wäre Art. 8 ParUV. überflüssig, sofern er nicht Vorschriften enthielte, die eine Ergänzung und Erweiterung dieses im Art. 2 Abs. 1 ParUV. ausgesprochenen Schutzes ausländischer Handelsnamen darstellten. Der nicht eingetragene ausländische Handelsname sei also gemäß der Rechtsansicht des Rechtsmittelwerbers dem inländischen eingetragenen Handelsnamen durch Art. 8 des Vertrages gleichgestellt. Diese Besserstellung sei die notwendige Folge des von Art. 2 Abs. 1 ParUV. eingeführten Vorbehaltes der im Pariser Unionsvertrag vorgesehenen besonderen Rechte. Da das Rekursgericht entgegen der Bestimmung des Art. 8 ParUV., der die hier zur Entscheidung stehende Frage so klar löse, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen könne, eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt habe, liege keine bloß unrichtige rechtliche Beurteilung, sondern eine offenbare Gesetzwidrigkeit vor.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Guerlain Parfumeur, Paris, zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zu prüfen bleibt nur, ob der vom Revisionsrekurrenten behauptete Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nach § 16 AußStrG. vorliege. § 30 Abs. 1 HGB. bestimmt, daß jede neue Firma sich von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden muß. Daß § 30 HGB. die Bedeutung einer gut eingeführten Firma, die sich weit über ihren Sitz hinauserstreckt, vernachlässigt und nur einen begrenzten Bereich (Ort, Gemeinde) im Auge hat, dadurch einen gewissen Gegensatz zwischen Register- und Wettbewerbsrecht schafft, ändert nichts an seiner Geltung. Darum kann eine Firma, die der Registerrichter eintragen muß, materiellrechtlich unzulässig und auf Wettbewerbsklage zu löschen sein, der Registerrichter muß dennoch innerhalb des Rahmens des § 30 HGB. eintragen. Die Bestimmung ist öffentlich-rechtlicher Natur, sie ist gewerbepolizeilichen Inhalts. Das Registergericht darf nicht die Eintragung aus wettbewerbsrechtlichen Gründen versagen. Art. 2 Abs. 1 des Pariser Unionsvertrages vom 20. März 1883 zum Schutze des gewerblichen Eigentums, revidiert in Brüssel am 14. Dezember 1900, in Washington am 2. Juni 1911, im Haag am 6. November 1925 und in London am 2. Juni 1934, kundgemacht im BGBl. 1948 unter Nr. 7 unter Berücksichtigung des Rundschreibens des Schweizerischen Bundesrates an die Staaten der Union, betreffend den Beitritt Österreichs zum Unionsvertrag vom 19. Juli 1947, somit Bestandteil der inländischen Rechtsordnung, besagt, daß die Angehörigen eines jeden der Unionsländer in allen übrigen Ländern der Union in bezug auf den Schutz des gewerblichen Eigentums die Vorteile genießen, welche die betreffenden Gesetze den eigenen Staatsangehörigen gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden, unbeschadet der durch den gegenwärtigen Vertrag besonders vorgesehenen Rechte. Demgemäß sollen sie den selben Schutz wie diese und dieselben Rechtshilfen gegen jeden Eingriff in ihre Rechte haben, vorbehaltlich der Erfüllung der Bedingungen und Förmlichkeiten, die den eigenen Staatsangehörigen auferlegt werden. Abs. 2 der genannten Vertragsbestimmung sieht vor, daß in keiner Weise der Genuß irgendeines Rechtes des gewerblichen Eigentums für die Unionsangehörigen von der Bedingung abhängig gemacht werden darf, daß sie einen Wohnsitz oder eine Niederlassung in dem Lande haben, wo der Schutz begehrt wird. Abs. 3 bestimmt, daß ausdrücklich die Vorschriften der Gesetzgebung eines jeden der Unionsländer über das gerichtliche und das Verwaltungsverfahren und die Zuständigkeit sowie über die Wahl des Wohnsitzes oder die Bestellung eines Vertreters, die etwa nach den Gesetzen über das gewerbliche Eigentum erforderlich sind, vorbehalten bleiben. Art. 8 des Vertrages bestimmt, daß der Handelsname in allen Verbandsländern ohne Verpflichtung zur Hinterlegung oder Registrierung geschützt werden soll gleichviel ob er den Teil einer Fabriks- oder Handelsmarke bildet oder nicht.
Art. 8 ParUV. bestimmt nichts über die Art, in der eine ausländische Firma zu schützen ist. Weder aus ihm noch aus Art. 2 ParUV. läßt sich zwingend folgern, daß durch sie § 30 Abs. 1 HGB. in seiner Anwendung irgendwie berührt worden wäre. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetze selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Es bildet daher nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung schon eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ. XXIV 6). Die Vorschrift des Art. 8 ParUV, wonach der ausländische Handelsname auch ohne Eintragung geschützt werden soll, bedeutet noch nicht, daß er wie ein im Inland eingetragener geschützt werden soll. Diese Deutung wäre nur dann richtig, wenn der einheimische nicht eingetragene Handelsname schutzlos wäre, was aber nicht zutrifft. Die nicht eingetragene Firma wird vielmehr, wie im angefochtenen Beschluß richtig hervorgehoben, durch § 37 HGB., § 9 UWG. und § 43 ABGB. geschützt. Mit der internationalen Vorschrift des Schutzes des nicht eingetragenen Ausländers ist nichts über die Frage nach der Art des zu gewährenden Schutzes entschieden. Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 HGB., die für jede neue Firma deutliche Unterscheidbarkeit von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen voraussetzt, hat durch Art. 8 des Vertrages keine Abänderung erfahren. Die firmenrechtliche Ausschließlichkeit kann sich begriffsnotwendig nur im Registerbereich auswirken. § 30 HGB. kennt nur die Ausschließlichkeit im Orte und für die Gemeinde. Wenn aber der ausländische Handelsname mangels Eintragung am Inlandsorte die auf den Inlandsort begrenzte Ausschließlichkeit nicht beanspruchen kann, so ist nicht zu ersehen, wie der ausländische Handelsname der auf Österreich ausgedehnten Ausschließlichkeit teilhaftig sein sollte. Wollte man diese Annahme, so müßte die ausländische Firma auch für jeden Ort in Österreich die Ausschließlichkeit begrunden. Mit Recht bemerkt die Entscheidung des Schweizer Bundesgerichtes vom 7. Juli 1953, BGE. 79 II 305, veröffentlicht in GR. 1954 S. 46, der auch die bisherigen Überlegungen entnommen sind, abschließend, daß das Ergebnis, welches die Gleichstellung des im Handelsregister nicht eingetragenen Angehörigen eines anderen Vertragsstaates mit dem darin eingetragenen zeitigen würde, nicht schlüssig wäre, um als Absicht der Vertragschließenden gelten zu können. Der Gründer einer Firma müßte danach, wenn er sicher gehen wollte, eine rechtsbeständige Firma zu wählen, nicht nur die ganzen Handelsregister zu Rate ziehen, um sich zu vergewissern, ob nicht eine gleichlautende oder ähnliche Firma bereits bestehe, sondern er müßte sich auch noch in allen Vertragsstaaten umsehen, von denen die wenigsten die Registerpflicht kennen, was praktisch ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Daran ändert der Umstand nichts, daß die Firmengesellschafter der inländischen Firma schon zur Zeit der Gründung der inländischen Firma über die Firmenverhältnisse der ausländischen Firma unterrichtet sind.
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 8 des Vertrages sichert mithin den im Handelsregister nicht eingetragenen Handelsnamen der Angehörigen der anderen Vertragsstaaten nur den Schutz zu, den das inländische Recht für den nicht eingetragenen Handelsnamen kennt (s. auch die in der bezogenen Entscheidung des Schweizer Bundesgerichtes angeführte Literatur). Ein Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit den Bestimmungen des Pariser Unionsvertrages läßt nach dem bisher Ausgeführten eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht erkennen. Liegt aber dieser Anfechtungsgrund nicht vor, so war der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.
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