OGH 5Ob197/58

OGH5Ob197/5825.6.1958

SZ 31/91

Normen

ABGB §372
ABGB §1063
ABGB §372
ABGB §1063

 

Spruch:

Auch dem Vorbehaltseigentümer steht die Klage nach § 372 ABGB. zu.

Entscheidung vom 25. Juni 1958, 5 Ob 197/58.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Mit dem Bestandvertrag vom 16. Jänner 1956 hatte die Handelsfrau Anna W. im Hause W., P.-Gasse 5, mehrere Geschäftsräume gemietet. In diesen Räumen ließ sie einen 2.4 mm starken Plastikbodenbelag in Fliesen von 30 X 30 cm legen. An diesem Belag, der 9.817 S 50 g kostete, behielt sich der Verkäufer Josef T. das Eigentum vor. Anna W. hat bisher nichts gezahlt. Über ihr Vermögen wurde am 25. März 1957 der Konkurs eröffnet. Noch vor Eröffnung des Konkurses hat sie das Bestandverhältnis gelöst, worauf die Hauseigentümerin Hedwig M. die Geschäftsräume an die Beklagten vermietete. Der Masseverwalter begehrt nun die Herausgabe des Bodenbelages, allenfalls Zahlung eines Ablösebetrages von 9000 S.

Das Erstgericht hat das Begehren abgewiesen. Der Bodenbelag stelle sich als eine bauliche Investition der Mieterin Anna W. dar, die mit der Auflösung des Mietvertrages in das Eigentum der Vermieterin übergegangen sei. Wäre er als bewegliche Sache anzusehen, hätte Anna W. wegen des Eigentumsvorbehaltes noch kein Eigentum erworben. Es mangle daher dem Masseverwalter die Sachlegitimation. Den beklagten Parteien fehle sie, weil sie nicht zu Anna W., sondern nur zur Hauseigentümerin in einem Vertragsverhältnis stunden.

Infolge Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz aufgehoben und ihr unter Rechtskraftvorbehalt aufgetragen, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden. Es hat folgendes erwogen: Zunächst sei zu prüfen, ob die klagende Partei als Käuferin der Sache, die sie unter Eigentumsvorbehalt erworben habe, ihre Rechte auf diese Sache gegenüber den Beklagten verfolgen könne, zu denen sie in keinem Rechtsverhältnis stehe. Bei Annahme eines wirksam vereinbarten Eigentumsvorbehaltes könne sie ihre Rechte an dem Bodenbelag eben mangels eines Eigentumsrechtes nicht mit einer Eigentumsklage verfolgen. Würde sie, da ihr diese Möglichkeit verschlossen sei, ihre Rechte nicht verfolgen können, so käme sie in die Lage, den Bodenbelag zwar bezahlen zu müssen, sich aber nicht in seinem Besitze erhalten zu können. Es müsse ihr daher die Klage aus dem rechtlich vermuteten Eigentum zugebilligt werden. § 372 ABGB. gebe wohl nur dem Ersitzungsbesitzer, der einen gültigen Titel und die echte Art, wodurch er zum Besitz der Sache gelangt sei, darzutun habe, gegenüber jenem Dritten, der nur einen schwächeren Titel nachweisen könne, eine der Eigentumsklage nachgebildete Klage. Der Käufer, der unter Eigentumsvorbehalt gekauft habe, besitze zwar einen gültigen Titel, doch könne dieser wegen des ausdrücklichen Vorbehaltes nicht zur Ersitzung des Eigentumsrechtes führen. Er unterscheide sich also in dieser Hinsicht vom Ersitzungsbesitzer, stehe ihm aber andererseits insofern gleich, als beide Anwärter auf das Eigentum seien, das der eine durch Ablauf einer bestimmten Zeit, der andere durch Zahlung des Kaufpreises erwerbe. Es bestehe kein Grund, diese beiden Anwärter auf das Eigentumsrecht in ihrem Schutz gegenüber Dritten verschieden zu behandeln, zumal auch der Wortlaut des § 372 ABGB. den Fall des Vorbehaltskäufers decke. Es erscheine auch unbillig, der klagenden Partei als Vorbehaltskäuferin den Schutz des § 372 ABGB. zu versagen. Wohl habe der Verkäufer des Bodenbelages im Konkurs der Käuferin das Recht, sein Eigentumsrecht als Aussonderungsrecht geltend zu machen und dadurch sein Recht zu wahren, andererseits stehe ihm aber auch gegen die klagende Partei das Recht zu, auf dem Kaufvertrag zu beharren und die Zahlung des Kaufpreises zu verlangen. Die klagende Partei wäre in ihren Rechten verletzt, wenn sie ihr Recht auf den Kaufgegenstand nicht auch gegenüber Dritten verteidigen könnte.

Auch die weitere Frage, ob ein Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart wurde, sei umstritten. Die klagende Partei habe vorgebracht, daß kein wirksamer Eigentumsvorbehalt bestehe. Der Verkäufer Josef T. habe als Zeuge angegeben, daß der Eigentumsvorbehalt in der Rechnung, die von Anna W. unbeanstandet angenommen worden sei, enthalten gewesen sei. Es wäre klarzustellen, wann und wie die Vereinbarung über den Eigentumsvorbehalt zustandegekommen sei. Wäre nämlich im Kaufvertrag nichts hierüber vereinbart und der Bodenbelag geliefert worden, so hätte Anna W. durch Kauf und Übergabe bereits Eigentum erworben, und es hätte nachträglich vom Verkäufer kein Vorbehalt des Eigentums mehr gemacht werden können. Für den Eigentumsvorbehalt und die Rechte der klagenden Partei sei auch die Frage von Bedeutung, in welche Beziehung der Bodenbelag zum Hause gebracht wurde. Dabei müsse wohl davon ausgegangen werden, daß zwischen einem Fußboden oder Bodenbelag und dem Haus nur das Verhältnis eines Bestandteiles zur Hauptsache bestehen könne. Es frage sich aber dabei, ob der Bodenbelag noch als selbständiger oder schon als unselbständiger Bestandteil angesehen werden müsse. Das Erstgericht sage nur, daß der Bodenbelag mit dem Haus fest verbunden worden sei. Für die Unterscheidung zwischen selbständigem und unselbständigem Bestandteil sei aber nicht die Festigkeit der Verbindung, sondern die wirtschaftliche Möglichkeit der Absonderung und Wiederherstellung einer selbständigen Sache entscheidend. Es bestunden Bedenken dagegen, die vom Erstgericht angenommene "feste Verbindung" des Belages mit dem Hause einer wirtschaftlichen Unmöglichkeit der Absonderung gleichzustellen, weil der Zeuge Josef T. angegeben habe, der Belag sei nur an der Unterlage angeklebt und könne ohne Beschädigung jederzeit wieder abgenommen werden. Die Frage der Qualifikation des Bodenbelages als selbständigen oder unselbständigen Bestandteiles sei für die Frage eines wirksamen Eigentumsvorbehaltes insofern von Bedeutung, als an unselbständigen Bestandteilen ein wirksamer Eigentumsvorbehalt nicht gemacht werden könne, da sie notwendigerweise dem Eigentum der Hauptsache folgten. Auch hierüber seien die nötigen Feststellungen nicht getroffen. Das Erstgericht habe weiter angenommen, daß der Bodenbelag bei Auflösung des Bestandvertrages Eigentum der Hauseigentümerin M. geworden sei, weil im Bestandvertrag vereinbart worden sei, daß Umbauten und bauliche Veränderungen bei Auflösung des Mietvertrages entschädigungslos in das Eigentum der Vermieterin übergingen. Zunächst erscheine es dem Berufungsgericht nicht zutreffend, das Legen eines Bodenbelages als bauliche Veränderung anzusprechen. Wenn das Erstgericht doch zu dieser Meinung komme, so wäre dies nur nach einer Erforschung des Willens der Parteien bei Abschluß des Bestandvertrages möglich gewesen. Es fehle aber an Feststellungen in dieser Richtung, welche die Meinung des Erstgerichtes hätten begrunden können. Es wäre denkbar, daß die Klägerin den Bodenbelag bei Aufgabe der Miete in der für die Vermieterin erkennbaren Absicht zurückgelassen habe, diesen nicht für sich zu beanspruchen, sondern ihn der Vermieterin zu überlassen. Es habe auch durch eine stillschweigende Übereinkunft der Parteien (§ 863 ABGB.) zu einer Einigung dahin kommen können, daß die klagende Partei der Vermieterin alle Rechte auf den Bodenbelag übertragen habe. Eine solche Vereinbarung hätte gegenüber dem Verkäufer des Bodenbelages nur dann eine Wirkung äußern können, wenn er ihr zugestimmt hätte. Andererseits wäre aber die klagende Partei an eine solche Übertragung ihrer Rechte auch gegenüber dritten Personen gebunden, welche aus dieser Übertragung Rechte für sich ableiten wollten. Sollte also die klagende Partei ihre Rechte auf den Bodenbelag bei Auflösung ihres Bestandverhältnisses ausdrücklich oder stillschweigend auf die Vermieterin der Geschäftsräume übertragen haben, so könnte sie ihn nicht mit Erfolg von den Beklagten zurückfordern, die ihre Benützungsrechte von derselben Hauseigentümerin als ihrer Vermieterin ableiteten. Diesbezüglich fehle es aber an Feststellungen des Erstgerichtes. Im Zusammenhang mit dieser Frage werde das Erstgericht auch zu beurteilen haben, welche Bedeutung der Erklärung der Vermieterin M. zukomme, auf den Bodenbelag keinen Anspruch zu erheben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In sachlicher Hinsicht bekämpfen die Rekurswerber die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der klagenden Partei als Vorbehaltskäuferin neben dem Verkäufer die Klage aus dem vermuteten Eigentum zustehe. Sie meinen, es sei rechtlich nicht denkbar, daß sowohl der Verkäufer als wahrer Eigentümer mit der Eigentumsklage als auch der Käufer mit der Klage aus dem vermuteten Eigentum die Herausgabe der Sache verlangen könne. Mit diesen Ausführungen, verkennen die Rekurswerber das Wesen dieser Klage. Beim abgeleiteten Eigentumserwerb stößt der Nachweis des Eigentums mitunter auf große Schwierigkeiten, weil zum Eigentumserwerb auch das Eigentum des Vormannes, von dem die Sache erworben wurde, erforderlich ist. Ebenso wie das römische Recht gewährt auch das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch die Möglichkeit, die Klage auf Herausgabe der Sache statt auf das Eigentum bloß auf das stärkere Recht des Klägers gegenüber dem schwächeren Recht des Beklagten zu stützen. Wenn die Bestimmung des § 372 ABGB. auch nur den Fall des Ersitzungsbesitzers, also desjenigen, der die Sache auf Grund eines gültigen Titels erworben hat und sie auch übergeben erhielt, also des rechtmäßigen, redlichen und echten Besitzers, im Auge hat, besteht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kein Bedenken, dieses Klagerecht analog auch dem Vorbehaltskäufer einzuräumen, dem das Recht des Besitzes und der Benützung sowie eine bedingte Anwartschaft auf das Eigentum zustehen. Der Eigentumsnachweis ist hier nicht notwendig, die Klage hat aber auch nicht die durchgreifende Wirkung gegen jedermann wie die eigentliche Eigentumsklage (§ 366 ABGB.). Sie hat die Bedeutung eines ergänzenden Rechtsbehelfes, der neben dem Klagerecht des wahren Eigentümers demjenigen eingeräumt ist, der zwar seinen Titel, nicht aber den Eigentumserwerb nachweisen kann und wenigstens gegenüber dem Dritten durchdringen soll, der nichts für sich hat als die Tatsache des gegenwärtigen Besitzes, oder dessen Anspruch auf den Besitz schwächer begrundet ist als der des Klägers. Die Rechtslage ist nicht anders als bei der von der Judikatur gleichfalls nach Analogie des § 372 ABGB. zugelassenen Klage des früheren Mieters gegen den späteren, die ungeachtet des Klagerechtes des Vermieters gegeben ist. Das Argument der Rekurswerber, daß nicht zwei Personen gleichzeitig die Klage auf Herausgabe zustehen könne, ist also nicht stichhältig.

Die Rekurswerber vertreten weiter die Ansicht, daß dann, wenn kein wirksamer Eigentumsvorbehalt mehr bestunde, der Bodenbelag jedenfalls als Zugehör angesehen werden müßte; denn er sei im Sinne des Bestandvertrages bei Auflösung des Vertrages als bauliche Investition in das Eigentum der Vermieterin übergegangen. Auch diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. Vor allem sind die Bedenken des Berufungsgerichtes gegen die Annahme berechtigt, daß das Legen des Bodenbelages als bauliche Investition anzusprechen sei. Das Legen eines Bodenbelages ist keinesfalls eine bauliche Investition, weil damit der Bauzustand nicht verändert wird. Anders wäre es nur dann, wenn der Parteiwille dahin festgestellt werden könnte, daß auch das Legen des Bodenbelages unter die baulichen Investitionen im Sinne des Bestandvertrages fallen solle. Der von der Terminologie des Bestandvertrages abweichende Gebrauch des Wortes bauliche "Veränderung" im Aufhebungsbeschluß bedeutet keine Aktenwidrigkeit, weil der Wortsinn in beiden Fällen derselbe ist. Zutreffend erwägt aber das Berufungsgericht, daß in dem Falle, als ein solcher Parteiwille nicht festgestellt werden könnte, Anna W. den Bodenbelag bei Aufgabe ihrer Mietrechte in der Absicht zurückgelassen haben könnte, ihn der Vermieterin zu überlassen. Auch diese Möglichkeit muß im ergänzenden Verfahren erörtert werden. Könnte eine solche Absicht festgestellt werden, wäre die klagende Partei an die Übertragung ihrer Rechte auch gegenüber, dritten Personen gebunden, welche daraus Rechte für sich ableiten, und sie könnte den Belag nicht mehr von den Beklagten zurückverlangen. Dasselbe müßte auch gelten, wenn der Eigentumsvorbehalt deshalb nicht mehr wirksam wäre, weil der Bodenbelag durch die Verbindung mit dem Haus ein unselbständiger Bestandteil geworden ist. Diesfalls könnte er nicht Gegenstand eines vom Rechte an der Hauptsache verschiedenen Rechtes sein. Ob ein selbständiger oder unselbständiger Bestandteil anzunehmen ist, hängt von der wirtschaftlichen Möglichkeit der Absonderung und Wiederherstellung einer selbständigen Sache ab. Wird durch die Absonderung das Wesen der Hauptsache oder des Bestandteils so verändert, daß sie nachher wirtschaftlich als etwas ganz anderes angesehen werden müßte, dann ist ein unselbständiger Bestandteil gegeben, und es könnte von einem Zugehör nicht mehr gesprochen werden. Ob die mit dem Boden fest verbundene Sache wieder entfernt werden kann, ist allein nicht entscheidend.

Verfehlt ist schließlich die Berufung der Rekurswerber auf die Bestimmung des § 375 ABGB., mit der sie offenbar ihre Sachlegitimation bekämpfen. Wenn sie sich auf den Prozeß nicht einlassen wollten, hätten sie sich nach dieser Gesetzesstelle durch Benennung ihres Auktors, also der Vermieterin, gegen die Klage schützen können. Da sie dies aber unterlassen haben, muß ihre Sachlegitimation bejaht werden, weil für die Beklagtenrolle Besitz der Sache genügt, es also gleichgültig ist, ob sie die Sache in fremdem Namen besitzen.

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