Spruch:
Beim Abschluß von Geschäften durch die Ehefrau im Rahmen der Schlüsselgewalt muß auf das Vertretungsverhältnis nicht ausdrücklich hingewiesen werden.
Zimmertrennung und gesonderte Versorgung der Ehegatten durch einige Monate nach achtzehnjähriger Ehegemeinschaft bringen die Schlüsselgewalt noch nicht zum Erlöschen.
Entscheidung vom 4. Juni 1958, 6 Ob 116/58.
I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Beklagte und seine Gattin wohnen seit 18 Jahren in R. und bezogen diese ganze Zeit hindurch ihre Lebensmittel aus dem Geschäft des Klägers gegen Barzahlung. Sie bewohnen zusammen ein Einfamilienhaus. Am 19. Juli 1956 teilten sie die Räume dieses Hauses unter sich derart auf, daß jeder Teil seine Räume für sich allein bewohnt, und jeder Teil versorgt sich seither selbst. Am 23. Oktober 1956 bat die Gattin des Beklagten den Kläger, ihr Kredit durch Einrichtung eines Einschreibbuches für die Borggeschäfte zu gewähren, da sie Differenzen mit dem Beklagten und augenblicklich kein Geld habe. Die Gattin des Beklagten bezog in der Folge bis Weihnachten 1956 Waren auf Kredit vom Kläger um den Gesamtkaufpreis von 947 S 46 g. Diese Warenkäufe der Gattin des Beklagten wurden vom Kläger in einem Büchlein verzeichnet, das der Kläger auf dem Schutzumschlag mit der Aufschrift "Frau N." versah. Es handelte sich in der Hauptsache um Lebensmittel für die Gattin des Beklagten, zu einem kleinen Teil um Putz- und Waschmittel, Nähmittel, Toilettenbedarf, Streichhölzer, Tinte; auch ein Paar Strümpfe um 62 S ist darunter angeführt. Die Ehefrau des Beklagten hat im Sommer 1956 aus Zimmervermietungen 6.000 S eingenommen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, dem Kläger den erwähnten Betrag von 947 S 46 g samt 8% Zinsen seit 1. Jänner 1957 zu zahlen, ab.
Über Berufung des Klägers erkannte das Berufungsgericht in Abänderung des Ersturteiles den Beklagten schuldig, dem Kläger 947 S 46 g samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1957 zu zahlen; hinsichtlich des Zinsenmehrbegehrens aber hob es das Ersturteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache im Umfange dieser Aufhebung an das Erstgericht zurück. Im Gegensatz zum Erstgericht hielt das Berufungsgericht die Borgkäufe der Gattin des Beklagten für durch deren Schlüsselgewalt gedeckt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 92 ABGB. ist die Ehefrau verbunden, dem Manne in der Haushaltung nach Kräften beizustehen. Daher wird vermutet, daß sie jene Geschäfte, die die Haushaltsführung erfordert und die gewöhnlich damit verbunden sind (§ 1029 ABGB.), als Vertreterin des Gatten besorgt. Zur Haushaltsführung gehörige Geschäfte kann daher die Ehefrau (kraft ihrer "Schlüsselgewalt") für ihren Gatten abschließen, und solche von ihr besorgte Geschäfte gelten im Zweifel auch für ihren Gatten abgeschlossen (vgl. § 1357/I des deutschen BGB. sowie Klang 2. Aufl. I 392 ff. zu § 92 ABGB.). Das folgt aus der Mitwirkung der Gattin an der Führung des Hauswesens, und der Dritte hat nur zu prüfen, ob das Geschäft in den Rahmen einer der sozialen Stellung der Ehegatten entsprechenden Haushaltsführung fällt (Klang 1. Aufl. I/1 602 f. zu § 92 ABGB.). Wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um dem täglichen Bedarf dienende Anschaffungen handelt, sind solche durch die Schlüsselgewalt der Frau gedeckt, und die Ehefrau muß solche Geschäfte, um den Mann zu verpflichten, nicht ausdrücklich in seinem Namen abschließen (SZ. XII 297), auch wenn sie von der bisher gepflogenen Barzahlung abgeht und Kredit in Anspruch nimmt. Ob die Ehefrau, wenn sie den Vertrag nicht im Namen des Mannes abschließt (wie im Falle der vom Beklagten angeführten Entscheidung SZ. XIII 212), neben dem Manne haftet, ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung und daher hier nicht zu erörtern. Die Begründung, die die Gattin des Beklagten ihrer dem Kläger gegenüber gestellten Bitte um Kreditgewährung gegeben hat, sie habe Differenzen mit dem Beklagten und augenblicklich kein Geld, schließt die Haftung des Beklagten für die kreditierten Beträge nicht aus, noch weniger der Umstand, daß der Kläger den Schutzumschlag des Büchleins, in dem er die Borggeschäfte verzeichnet hat, mit der Aufschrift "Frau N." versehen hat. Denn die Gattin des Beklagten hat mit dieser Begründung nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie die Kreditgeschäfte nicht im Namen des Beklagten abschließen wolle, noch daß das gemeinsame Hauswesen aufgelöst sei oder ihr Gatte ihr die Vertretungsbefugnis entzogen habe. Keine Rede kann davon sein, daß die erwähnte Aufschrift des Einschreibebüchleins keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lasse (§ 863 ABGB.), daß der Kläger den Beklagten aus seiner Haftung entlassen wollte.
Der Umstand, daß der Beklagte und seine Gattin nach lange bestehender Ehegemeinschaft einige Monate vor den gegenständlichen Kreditkäufen eine Teilung der Ehewohnung unter sich vereinbart hatten und sich seither selbst versorgten, hebt nach Ansicht des Revisionsgerichtes die Schlüsselgewalt der Ehefrau noch nicht auf, denn es handelt sich dabei um ihrer Natur nach nur die Ehegatten - und zwar ihre intimste Lebenssphäre - berührende, auf deren Hauswesen beschränkte Vorkommnisse von für einen Dritten nicht absehbarer Dauer und Tragweite, bezüglich welcher Vorkommnisse Nachforschungen zu pflegen oder aus welchen Vorkommnissen Schlüsse zu ziehen ein Dritter weder als berechtigt noch als verpflichtet angesehen werden kann, weshalb es für die Entscheidung dieses Rechtsstreites ohne Belang ist, ob und auf welche Weise der Kläger von diesen Vorkommnissen Kenntnis erlangt hat.
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