Spruch:
Hat der vom Besteller gemäß § 1313a ABGB. in Anspruch genommene Unternehmer dem Dritten, durch den er das Werk hatte ausführen lassen, den Streit verkundet, dann ist das in diesem Rechtsstreit ergehende Urteil hinsichtlich des darin festgestellten Verschuldens des Dritten für den Regreßprozeß präjudiziell.
Entscheidung vom 14. Mai 1958, 1 Ob 668/57.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger ist als Rechtsnachfolger der Firma G. & Co. vom Bezirksgericht Innsbruck zu 12 C 225/55 verurteilt worden, einem gewissen Werner H. einen Schaden von 670 S zu ersetzen, den dieser dadurch erlitten hätte, daß er im Oktober 1954 zwei Herrenmäntel in grauer Farbe zum Auffärben übergeben hatte. Der Kläger hatte diese Arbeiten der beklagten Partei übertragen. Es ist festgestellt worden, daß die Mäntel auf tiefschwarz umgefärbt wurden, weshalb Werner H. die Übernahme ablehnte. Nach vergeblichen Verbesserungsversuchen wurden die Mäntel unansehnlich und zum normalen Gebrauch ungeeignet. Der Kläger begehrt nun den ihm durch die beklagte Partei verschuldeten Schaden in der Höhe von 2457 S 67 g ersetzt, das sind der Betrag und die Kosten, die er an den Geschädigten Werner H. zu leisten hatte, und seine eigenen Rechtsanwaltskosten. Die beklagte Partei hat den Anspruch des Klägers mit dem Hinweis auf die Übernahms- und Lieferungsbedingungen bestritten und eine Haftung wegen Verschuldens abgelehnt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sah eine Haftung der beklagten Partei auf Grund der Übernahms- und Lieferungsbedingungen, die dem Kläger bekannt gewesen seien, nicht als gegeben an, weil durch diese eine Haftung für "verschlossene" Gegenstände ausgeschlossen werde und überdies die Mängelrüge nicht innerhalb von 24 Stunden nach der Lieferung der Gegenstände erfolgt sei.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil als mangelhaft mit Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung in der Sache selbst an das Berufungsgericht zurück; den Rekurs der Beklagten verwies er auf diese Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rechtslage ist folgende: Im Vorprozeß 12 C 225/55 des Bezirksgerichtes Innsbruck wurde der Kläger von seinem Auftraggeber Werner H. wegen Gewährleistung in Anspruch genommen. In diesem Prozeß verkundete der Kläger der beklagten Partei, die in seinem Auftrage die ihm von H. übertragenen Arbeiten an den beiden Mänteln durchgeführt hatte, den Streit. Die beklagte Partei wäre verpflichtet gewesen, dem Kläger in diesem Rechtsstreit durch Beitritt als Nebenintervenientin Hilfe zu leisten und alle Einwendungen vorzubringen, die geeignet waren, die Abweisung der Klage des Werner H. zu bewirken. Dies hat die beklagte Partei unterlassen. Wenn auch über die Wirkung der vollzogenen Streitverkundung im Gesetz keine ausdrücklichen Bestimmungen vorhanden sind, so ergibt sich doch aus dem Umkehrschluß aus § 931 ABGB., daß im Falle der vollzogenen Streitverkundung die beklagte Partei den Bestand des im Vorprozeß zwischen dem Kläger und seinem Auftraggeber rechtskräftig festgestellten Rechtes nicht mehr bestreiten kann (siehe Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 529; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. I S. 471; SZ. XXIV 266). Das Urteil, das im Vorprozeß zwischen dem Kläger und Werner H. ergangen ist, ist daher für diesen Rechtsstreit präjudiziell.
Der Kläger verweist somit richtig darauf, daß die Sache spruchreif sei und das Berufungsgericht bei richtiger Beurteilung der Sache zu seinen Gunsten hätte entscheiden müssen. Es steht fest, daß der Kläger gegenüber Werner H. zu einer Ersatzleistung verpflichtet wurde. Der diese Verpflichtung auslösende Fehler wurde aber, wie im Vorprozeß 12 C 225/55 des Bezirksgerichtes Innsbruck rechtskräftig festgestellt und entschieden wurde, nicht von ihm, sondern von der beklagten Partei gesetzt. Im Hinblick auf das im Vorprozeß festgestellte Verschulden der beklagten Partei ist der Kläger nach § 1313a ABGB. haftbar gemacht worden, und es kann nunmehr der Kläger Regreß von der beklagten Partei gemäß § 1313 ABGB. verlangen. Die beklagte Partei hat es unterlassen, im Prozeß gegen H. ihre Einwendungen vorzubringen. Durch das Unterliegen des Klägers im Vorprozeß ist zugleich festgestellt, daß die beklagte Partei ohne Rücksicht auf allenfalls vorhandene Haftungsausschließungsgrunde Ersatz zu leisten hat. Die beklagte Partei kann daher in dieser Richtung keine neuen, im Vorprozeß nicht hervorgekommenen Umstände geltend machen.
Es kommt daher hier nicht auf die Geschäftsbedingungen und auf die nach § 346 HGB. im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche und auch nicht darauf an, ob der Kläger die Mängelrüge rechtzeitig erhoben hat. Diese Einwände sind der beklagten Partei aus den oben angeführten Gründen in diesem Rechtsstreit verwehrt. Die Ergänzungen des Verfahrens, wie sie vom Berufungsgericht für erforderlich erachtet wurden, sind daher nicht notwendig. Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das Berufungsgericht von den oben angeführten rechtlichen Erwägungen auszugehen haben.
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