Normen
Entmündigungsordnung §2 Z1
Entmündigungsordnung §2 Z1
Spruch:
Zum Begriff der Verschwendung im Sinne des § 2 Z. 1 EntmO.
Entscheidung vom 12. März 1958, 5 Ob 21/58.
I. Instanz: Bezirksgericht Vorau; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Alois P., der gemeinsam mit seiner Gattin Theresia P. eine ca. 30 ha große Landwirtschaft besitzt, wurde auf Antrag seiner Gattin wegen Verschwendung beschränkt entmundigt. Das Erstgericht hat festgestellt, daß Alois P. sowohl in der Feld- und Viehwirtschaft wie auch in der Holzwirtschaft wenig Verständnis für seine wirtschaftliche Lage gezeigt und im Gründe auf allen Gebieten der Wirtschaft versagt habe. Es nahm an, daß die unwirtschaftliche Gebarung mit seinen besonderen Charaktereigenschaften im Zusammenhang stehe, die sich in Schwerfälligkeit, rückschrittlicher Konservativität und krankhafter Sparsamkeit äußerten. Es nahm auch an, daß er durch diese Mißwirtschaft seine Familie der Gefahr des Notstandes preisgegeben habe.
Das Widerspruchsgericht hat den Antrag auf Entmündigung abgewiesen. Alois P. sei wohl eine zum Teil durchaus verfehlte Betriebsführung und vor allem eine zu extensive Bewirtschaftung anzulasten. Eine Entmündigung wegen Verschwendung könne aber nur dann ausgesprochen werden, wenn der Entmundigte durch seine unökonomische Betriebsführung die Wirtschaft an den Rand des Abgrundes gebracht und dadurch für sich und seine Familie die Gefahr des Notstandes heraufbeschworen hätte. Alois P. habe aber den Wiederaufbau seiner im Jahre 1945 zerstörten Gebäude zu einem Großteil durchgeführt, Geräte und Einrichtungsgegenstände angeschafft, einen halbwegs entsprechenden Viehstand erreicht und seinen Waldbestand fast zur Gänze erhalten. Er habe zwar die Erwerbung möglicher Erträgnisse unterlassen, aber durch seinen außerordentlichen Fleiß die Wirtschaft trotzdem im wesentlichen schuldenfrei und ohne Schmälerung von Grund und Boden, ebenso auch ohne wesentliche Schmälerung des Holzbestandes, erhalten können. Wenngleich dies auch nur dadurch möglich gewesen sei, daß sich seine Familie jahrelang größte Entbehrungen auferlegte, könne man die Wirtschaftsführung doch nicht einem Verhalten gleichsetzen, das einer Verschwendung von Vermögenswerten gleichkomme; denn unter Verschwendung verstehe man allgemein ein unwirtschaftliches Verhalten, hauptsächlich auf der Ausgabenseite. Gerade solches aber könne man Alois P. nicht zur Last legen. Die Antragstellerin beschwere sich vielmehr darüber, daß er es unterlassen habe, seine Familie anständig zu versorgen, eine entsprechende Wohnstube herzustellen, die notwendige Einrichtung, insbesondere die notwendige Anzahl von Betten, zu kaufen, den Kindern die nötige Kleidung zu beschaffen usw. Man könne also hier nicht von einer Notlage sprechen, die Alois P. durch verschwenderische Handlungen heraufbeschworen habe, sondern nur von einer mangelhaften Versorgung der Familie aus krankhafter Sparsamkeit.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs verkennt das Wesen der Verschwendung, wie sie dem § 2 Z. 1 EntmO. zugrunde liegt.
Verschwendung ist Hang zu unvernünftigen Ausgaben und unwirtschaftlichem Gebaren. Verschwendung setzt also voraus, daß jemand im Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Lage übermäßige und unnütze, d. h. von vorneherein ziel- und zwecklose Ausgaben macht. Immer müssen dabei persönliche Eigenschaften (wie Leichtsinn, Willensschwäche u. dgl.) die bleibenden Ursachen der wirtschaftlichen Verfehltheit des Verhaltens sein. Unter dieser Voraussetzung kann Verschwendung auch bei grober Mißwirtschaft vorliegen, aber doch nur dann, wenn diese einen so hohen Grad erreicht, daß hiedurch der wirtschaftliche Verderb herbeigeführt werden muß.
Von einer auf Charaktermängeln beruhenden groben Mißwirtschaft kann diesmal noch nicht gesprochen werden. Der 52jährige Antragsgegner ist ein über den Durchschnitt fleißiger, körperlich und geistig gesunder Bauer, jedoch schwerfällig, eigensinnig, übertrieben sparsam und Neuerungen nur schwer zugänglich. Er weist also Charaktereigenschaften auf, die bei Bauern wiederholt zu beobachten sind, ohne daß man deshalb von Charakterschwäche sprechen kann. Er könnte gewiß mehr Erträge aus der Wirtschaft erzielen, wenn er ökonomischer arbeitete und sich entschlösse, den Betrieb zu modernisieren und auch fremde Arbeitskräfte heranzuziehen. In diesem Zusammenhang muß allerdings berücksichtigt werden, daß ständige landwirtschaftliche Hilfskräfte fast nicht mehr zu bekommen sind und daß gerade die Anschaffung eines Traktors, auf den die Antragstellerin besonderen Wert legt, nicht rationell wäre. Die zeitweilige Vernachlässigung der Felder war zum Teil durch die vom Antragsgegner betriebenen Wiederaufbauarbeiten an den Wirtschaftsgebäuden verursacht. Ob sich der Antragsgegner wirtschaftlich richtig verhalten hat, als er seinerzeit eine Verpachtung der Gattersäge ablehnte, mag dahingestellt bleiben. In dieser Unterlassung kann keinesfalls eine grobe Mißwirtschaft gesehen werden. Jetzt ist die Gattersäge wegen Zeitstörung des Wehrs durch Hochwasser außer Betrieb gesetzt, und eine Wiedererrichtung des Wehrs wäre, wie das Widerspruchsgericht auf Grund des Sachverständigengutachtens festgestellt hat, eine Fehlinvestition, da der Betrieb eines alten Venezianergatters absolut unrentabel ist. Verfehlt und unwirtschaftlich war es jedenfalls, geschlägertes Holz im Wald verderben zu lassen, anstatt es rechtzeitig zu verkaufen. Der hiedurch eingetretene Verlust von ca. 130 bis 140 fm war aber im Verhältnis zur Größe des Waldes und der Wirtschaft von nicht allzu großer Bedeutung.
Zu beachten ist, daß Verschwendung im allgemeinen nicht vorliegt, wenn die Ausgaben aus den Einnahmen bestritten werden können. Der Antragsgegner war bisher in der Lage, im wesentlichen schuldenfrei zu wirtschaften. Es ist festzuhalten, daß er trotz der Schicksalsschläge, die ihn im Jahre 1945 getroffen haben, die Wirtschaft wiederaufgebaut hat und daß es ihm gelungen ist, die Substanz zur Gänze zu erhalten. Das Widerspruchsgericht hat sich an Ort und Stelle davon überzeugt, daß inzwischen auch eine gewisse Besserung in der Wirtschaftsführung eingetreten ist. Der Viehstand hat sich bereits auf 15 Rinder erhöht. Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß durch das wirtschaftliche Gebaren des Antragsgegners eine Gefährdung der Familie sicher zu besorgen sei. Eine allfällige Vernachlässigung der durch die §§ 91, 141 ABGB. dem Antragsgegner auferlegten Sorgepflichten mag zu pflegschaftsbehördlichen Maßnahmen Anlaß bieten, ist aber, auch wenn sie auf übertriebener Sparsamkeit beruht, noch kein Grund zur Entmündigung wegen Verschwendung.
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