OGH 3Ob593/57

OGH3Ob593/576.3.1958

SZ 31/39

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §2 Abs2 litb
VersVG §158
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §2 Abs2 litb
VersVG §158

 

Spruch:

Ist der Versicherungsnehmer oder Fahrzeughalter selbst der Fahrer, so besteht die Haftungsbefreiung nach § 2 Abs. 2 lit. b AKB. trotz seines Irrtums über seine Berechtigung zur selbständigen Lenkung eines Kraftfahrzeuges im Inland.

Entscheidung vom 6. März 1958, 3 Ob 593/57.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Beklagte verursachte am 2. April 1951 mit dem von ihm gelenkten PKW. einen Unfall, durch den Maria M. schwere Verletzungen erlitt; er wurde deshalb rechtskräftig der Übertretung nach § 335 StG. schuldig gesprochen. Maria M. und deren Gatte Bortolo M. brachten gegen den Beklagten zu 9 Cg 448/54 und 9 Cg 449/54 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien Schadenersatzklagen ein. Das Verfahren über diese Klagen wurde am 21. Juni 1955 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet, in welchem sich der Beklagte verpflichtete, Maria und Bortolo M. zur ungeteilten Hand einen Betrag von 40.000 S und die mit 6200 S vereinbarten Verfahrenskosten zu bezahlen, womit sämtliche Ansprüche der genannten Eheleute aus dem Unfall vom 2. April 1951 verglichen sein sollten. Da der Beklagte in der Folge keine Zahlung leistete und Exekutionen gegen ihn fruchtlos blieben, brachten die Eheleute M. gegen die Klägerin, die die Deckung des Anspruches der Eheleute M. gegen den Beklagten gemäß § 2 Abs. 2 lit. b AKB. verweigerte, weil der Beklagte im Zeitpunkt des Unfalles keinen Führerschein besessen habe, zu 14 Cg 1381/55 des Handelsgerichtes Wien eine Klage auf Zahlung eines Betrages von 46.200 S unter Hinweis auf § 158c VersVG. ein. Im Zuge des Verfahrens schloß die Klägerin mit den Ehegatten M. einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie sich verpflichtete, den Ehegatten zur ungeteilten Hand einen Betrag von 15.000 S und einen vereinbarten Kostenbeitrag von 2500 S zu bezahlen, durch welchen Vergleich sämtliche Ansprüche bereinigt und verglichen sein sollten. Zugleich wurde vereinbart, daß die Eheleute M. von dem Vergleich 9 Cg 448, 449/54 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien keinen Gebrauch machen würden.

In der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von 17.500 S (Kapitalsbetrag von 15.000 S + 2500 S Kostenbeitrag laut Vergleich), ferner eines weiteren Betrages von 2668 S 20 g als Kosten, die sie im Rechtsstreit 14 Cg 1381/55 des Handelsgerichtes Wien an ihren eigenen Anwalt zahlen mußte, sowie eines Betrages von 1315 S 65 g für ein Rechtsgutachten über die Frage der Verjährung der Ansprüche der Eheleute M. gegen sie nach § 158c VersVG. zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes im Rechtsstreit 14 Cg 1381/55 des Handelsgerichtes Wien, zusammen somit die Zahlung eines Betrages von 21.484 S 15 g aus dem Rechtsgrunde des § 158f VersVG. sowie, wie sich aus dem Klagevorbringen ergibt, auch aus dem der Geschäftsführung ohne Auftrag.

Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren in der Hauptsache statt und wies es nur hinsichtlich des 4% übersteigenden Zinsenmehrbegehrens ab. Es stellte fest, daß der Beklagte den Unfall verursacht habe und deshalb rechtskräftig wegen Übertretung nach § 335 StG. verurteilt worden sei, daß die Klägerin den Vergleich 14 Cg 1381/55 des Handelsgerichtes Wien den Eheleuten M. gegenüber vollständig erfüllt habe und daß der Beklagte im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis, nämlich einen von einer inländischen Behörde ausgestellten Führerschein, besessen habe, sondern nur einen von einer deutschen Behörde im Jahre 1938 im Gebiete der heutigen Bundesrepublik ausgestellten, der keine Fahrerlaubnis einer inländischen Behörde darstelle. Die Klägerin sei daher gemäß § 2 Abs. 2 AKB. von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei, und es sei, da die Klägerin die durch den Unfall Geschädigten nach § 158c VersVG. befriedigt habe, die Forderung der Eheleute auf die Klägerin übergegangen. Zu dieser Forderung gehörten auch die Kosten des Rechtsstreites der Klägerin im Leistungsprozeß 14 Cg 1381/55 des Handelsgerichtes Wien und die Kosten des Gutachtens, da die gesamte Prozeßführung zum klaren und überwiegenden Vorteil des Beklagten erfolgt sei, der statt des Vergleichsbetrages von 46.200 S s. A. nunmehr nur einen Betrag von 17.500 S an die Eheleute M. zu zahlen verpflichtet sei; die Kosten des Gutachtens stunden im engsten Zusammenhang mit dem handelsgerichtlichen Prozeß.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes. Es führte aus, es komme nach § 2 Abs. 2 AKB. nicht auf die Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug zu lenken, sondern darauf an, ob der Fahrer des Fahrzeuges die vorgeschriebene Fahrerlaubnis gehabt habe. Der Führerschein des Beklagten habe im Inland keine Gültigkeit gehabt, vielmehr gelten in Österreich auf Grund des KFG. 1955 und der KfV. 1955 nur österreichische Fahrdokumente, von den im Abschnitt VIII des KFG. 1955 bzw. im Abschnitt XII der KfV. 1947 ausdrücklich bestimmten Ausnahmefällen abgesehen, deren Vorliegen der Beklagte nicht einmal behauptet habe. Der Umstand, daß der Beklagte sich für berechtigt gehalten habe, ein Kraftfahrzeug zu lenken, sei nicht stichhältig, denn es komme nicht auf die Meinung des Fahrers über seine Fahrberechtigung an, sondern nur darauf, ob er eine dem Gesetz entsprechende Fahrerlaubnis gehabt habe. Im übrigen ergebe sich schon aus dem Umstand, daß der Beklagte zwei Tage nach dem Unfall sich der Fahrprüfung unterzogen und die Ausstellung des Führerscheins bei einer inländischen Behörde erwirkt habe, daß der Beklagte sich im Zeitpunkte des Unfalles nicht als zur Lenkung eines Kraftfahrzeuges in Österreich berechtigt gehalten habe. Durch die Befriedigung der Ansprüche des Ehepaares M. aus dem Unfall sei deren Forderung auf die Klägerin übergegangen. Dem Anspruch liege nicht ein Verschulden des Beklagten, sondern eine Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde, so daß es darauf, ob den Beklagten an den Prozeßkosten der Klägerin im Vorprozeß ein Verschulden treffe, nicht ankomme. Da auch das Gutachten zu dem für den Beklagten günstigen Ergebnis geführt habe, sei er zum Ersatz der Kosten dieses Gutachtens verpflichtet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nur zum Teil Folge und verurteilte ihn lediglich zur Bezahlung eines Betrages von 20.168 S 50 g s. A., während er das Mehrbegehren von 1315 S 65 g abwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist zum größten Teil nicht begrundet. Ihre Ausführungen, der Beklagte habe sich mit Recht für befugt halten können, ein Kraftfahrzeug zu lenken, weil er über einen Führerschein verfügt habe, der ihn jederzeit überall in Deutschland oder in anderen Ländern zur Führung von Kraftfahrzeugen berechtigt habe, lassen erkennen, daß der Rechtsmittelwerber die Bestimmung des § 2 Abs. 2 lit. b AKB. offenbar mißverstanden hat. Nach dieser Bestimmung kommt es überhaupt nicht darauf an, ob der Fahrer ohne Verschulden das Vorliegen der Fahrerlaubnis annehmen konnte, sondern die Einschränkung des Versicherungsschutzes nach der erwähnten Bestimmung wird nur dann aufgehoben und es bleibt die Verpflichtung zur Leistung gegenüber dem Versicherungsnehmer nur dann bestehen, wenn der Versicherungsnehmer oder der Fahrzeughalter das Vorliegen der Fahrerlaubnis bei einer dritten, von den beiden ersteren verschiedenen Person, nämlich dem Fahrer, ohne Verschulden annehmen konnte, wie etwa dann, wenn der Fahrer dem Halter oder Versicherungsnehmer vor Beginn der Fahrt eine gefälschte Fahrerlaubnis vorgewiesen hat, oder wenn Versicherungsnehmer bzw. Fahrzeughalter ohne ihr Verschulden nicht in Kenntnis des Umstandes waren, daß dem Fahrer der Führerschein entzogen wurde, weil der Halter oder Versicherungsnehmer davon nicht verständigt wurde. Ist aber der Versicherungsnehmer oder Fahrzeughalter selbst der Fahrer, so ist es für die Frage der Haftungsbefreiung ohne jede Bedeutung, ob der Fahrer über seine Berechtigung zur selbständigen Lenkung eines Kraftfahrzeuges im Inland im Irrtum war oder nicht; maßgebend ist vielmehr lediglich, ob im Zeitpunkt des Unfalles der Führerschein bereits erteilt und der Fahrer noch im Besitz des von einer inländischen Behörde ausgestellten gültigen Führerscheines war. Der Besitz des Führerscheines kann durch den Nachweis tatsächlichen Könnens nicht ersetzt werden (VersR. 1952 S. 25 u. a. m. ); es gehen daher alle bezüglichen Ausführungen der Revision ins Leere. Da der Beklagte selbst zugegeben hat, im Zeitpunkte des Unfalles nicht im Besitze einer von einer inländischen Behörde ausgestellten Fahrerlaubnis gewesen zu sein, war die Klägerin von ihrer Leistungspflicht gemäß § 2 Abs. 2 lit. b AKB. (Obliegenheitsverletzung) gegenüber dem Beklagten befreit, ihr Anspruch auf den Ersatz der an die Unfallsbetroffenen erbrachten Leistungen daher gemäß § 158f VersVG. begrundet.

Auch soweit sich die Revision gegen die Zuerkennung des Prozeßkostenaufwandes der Klägerin im Rechtsstreit 14 Cg 1381/55 des Handelsgerichtes Wien richtet, kommt ihr keine Berechtigung zu. Wie die Untergerichte, der Sach- und Rechtslage entsprechend, zutreffend ausgeführt haben, hat die Klägerin für den Beklagten als Geschäftsführerin ohne Auftrag gehandelt, weshalb ihr gemäß § 1037 ABGB. auch der Ersatz des Prozeßkostenaufwandes gebührt, da sie das Geschäft, nämlich den Prozeß und den Abschluß des Vergleiches, zum klaren und überwiegenden Vorteil des Beklagten geführt hat. Der Beklagte ist daher gemäß § 1037 ABGB. verpflichtet, der Klägerin alle darauf verwendeten Kosten zu ersetzen.

Die Revision ist lediglich insoweit begrundet, als sie die Zuerkennung des Betrages von 1315 S 65 g als Ersatz für die Kosten des von der Klägerin eingeholten Gutachtens bekämpft. Dieses Gutachten wurde nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in der Klage lediglich deshalb eingeholt, um der Forderung der Eheleute M. die Einrede der Verjährung ihrer Ansprüche gegenüber der Klägerin entgegenhalten zu können. Dieses Gutachten hat nicht zum Vorteil des Beklagten gedient, sondern wurde lediglich im Interesse der Klägerin von dieser eingeholt; die Einrede der Verjährung wäre dem Beklagten gegenüber den Eheleuten M. gar nicht zugestanden und war auch unbegrundet, soweit sie von der Klägerin im Vorprozeß erhoben wurde. Auf den Ersatz der Kosten dieses Gutachtens steht daher der Klägerin weder aus dem Rechtsgrunde des § 158c VersVG. noch aus dem des § 1037 ABGB. ein Anspruch zu.

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