Normen
KO §106
KO §107
KO §106
KO §107
Spruch:
Der Konkursgläubiger kann seine Forderungsanmeldung jederzeit zurücknehmen und dann die Forderung neuerlich anmelden. In der Rücknahme der Anmeldung liegt kein Anspruchsverzicht.
Entscheidung vom 26. Februar 1958, 1 Ob 70/58.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die klagende Partei begehrt urteilsmäßige Feststellung des Rechtsbestandes ihrer im Konkurs der Firma P. & Co. beim Handelsgericht Wien zu S 17/56 in der zweiten Klasse der Konkursgläubiger angemeldeten Forderung von 33.760 S 33 g, betreffend den Ersatz der von ihr für die genannte Firma bezahlten Zölle, Ausgleichssteuern und Außenfracht.
Den Einwendungen des beklagten Masseverwalters zufolge sei die Klägerin mit P. & Co. in laufender Geschäftsverbindung gestanden; die Zahlungen der Firma seien zunächst auf die Ersatzforderungen für Zölle und Auslagen zu verrechnen gewesen (§ 1416 ABGB.), weshalb die restliche Forderung für Speditionsleistungen in die dritte Klasse der Konkursgläubiger gehöre. Die Anmeldung in der dritten Klasse sei auch erfolgt und die Forderung in dieser Klasse vom Masseverwalter anerkannt worden. Wegen bereits geschehener Feststellung der Forderung in der dritten Klasse habe die Zurücknahme der Anmeldung nicht mehr stattfinden, eine neue Anmeldung nur für die dritte Klasse erfolgen können. Es stehe daher der Geltendmachung der Forderung in der zweiten Klasse die Rechtskraft der Feststellung in der dritten Klasse entgegen.
Das Erstgericht erkannte nach Verwerfung der Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache, daß die von der klagenden Partei im Konkurse über das Vermögen der Firma P. & Co., Alleininhaberin Melanie P., laut Anmeldung vom 10. Oktober 1956 S 17/56, in der zweiten Klasse der Konkursgläubiger angemeldete Forderung von 33.760 S 33 g mit 33.681 S 35 g in der zweiten Klasse zu Recht, mit 79 S 01 g nicht zu Recht bestehe. Die Forderungsanmeldung der Klägerin in der zweiten Klasse habe der Masseverwalter bei der nachträglichen Prüfungstagsatzung vom 8. Jänner 1957 bestritten. Die Klage sei innerhalb der vom Konkurskommissär erteilten Frist angebracht worden. Von rechtskräftig entschiedener Streitsache könne deshalb nicht die Rede sein, weil das Konkursgericht die Richtigstellung der Anmeldung zugelassen, darüber verhandelt und der Klägerin wegen Bestreitung des Ranges durch den Masseverwalter eine Klagefrist erteilt habe. Die Forderung der Klägerin aus dem Jahre 1955 auf Ersatz der für die Fa. P & Co. bezahlten Zölle usw. und die Zinsenforderung hieraus als Nebengebühr gehörten in die zweite Klasse der Konkursgläubiger (§§ 52, 54 KO.). Es sei daher bis auf den kleinen Teilbetrag von 79 S 01 g im Sinne des Klagebegehrens zu erkennen gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte den Beschluß betreffend die Verwerfung der Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache, ebenso das Urteil des Erstgerichtes, so daß weder der Rekurs noch die Berufung der beklagten Partei Erfolg hatten. Das Berufungsgericht kam zu dem Ergebnis, daß das Erstgericht den unangefochten gebliebenen Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Feststellung einer angemeldeten Forderung im Anmeldungsverzeichnis kommen wohl urteilsgleiche Wirkungen zu, sie ist aber keine gerichtliche Entscheidung, auch nicht durch Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage anfechtbar (Lehmann, Kommentar zur Konkursordnung, I S. 616). Die in das Anmeldungsverzeichnis eingetragene Erklärung des Masseverwalters, auch des Gemeinschuldners, kann daher nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes angefochten werden (SZ. XIX 156). Damit ist die im Kommentar von Bartsch - Pollak geäußerte gegenteilige Meinung abgelehnt worden. Das Gericht entscheidet nicht über einen Anspruch, sondern beurkundet bloß die von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen. Diese Willenserklärungen verlieren dadurch, daß sie im Verfahren abgegeben werden, nicht ihre Eigenschaft als privatrechtliche Erklärungen. In dem der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes JBl. 1936 S. 171 zugrunde liegenden Fall wurde ebenso wie im gegenwärtigen Streite für eine Teilforderung, die früher in der dritten Klasse der Konkursforderungen angemeldet worden war, später der Rang in der zweiten Klasse der Konkursforderungen in Anspruch genommen und dieser Vorgang mit dem Bemerken gebilligt, daß nicht eine Doppelanmeldung vorliege, sondern eine Zurückziehung der ersten Anmeldung unter Vorlage einer neuen, richtiggestellten Anmeldung. Damit stimmt überein, was die Denkschrift zur Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung hiezu ausführt: "Will ein Gläubiger für seine angemeldete Forderung einen anderen Rang beanspruchen, so ist ihm dies durch die Vorschrift des § 106 Abs. 1 KO. nicht verwehrt. Er kann seine Anmeldung zurückziehen und die Forderung unter Angabe des in Anspruch genommenen Ranges neuerlich anmelden". Ebenso wie es in das Belieben des Konkursgläubigers gestellt ist, seine Forderung anzumelden oder die Anmeldung zu unterlassen, ebenso steht es ihm frei, die bereits erfolgte Anmeldung jederzeit zurückzuziehen; in einer solchen Zurücknahme der Anmeldung ist nicht ein Verzicht auf den Anspruch überhaupt, sondern nur ein Verzicht auf die Konkursteilnahmebefugnis zu erblicken. Zurückgezogene Anmeldungen können daher in der Folge neu bewirkt werden. Nach Ablauf der Anmeldungsfrist angemeldete Forderungen sind, soweit tunlich, in die Prüfungsverhandlung einzubeziehen, und für Forderungen, die erst nach Ablauf der Anmeldungsfrist angemeldet und in der allgemeinen Prüfungstagsatzung nicht verhandelt worden sind, ist gemäß § 107 Abs. 1 KO. eine besondere Prüfungstagsatzung anzuberaumen. Die Anmeldung kann daher jederzeit im Laufe des Konkursverfahrens bis zur Fassung des Konkursaufhebungsbeschlusses erfolgen; die Unterlassung der Anmeldung innerhalb der Anmeldungsfrist präkludiert nicht den Anspruch als solchen (Lehmann a. a. O. S. 597 f.). Nur nebenbei sei bemerkt, daß für die deutsche Konkursordnung Seuffert im Gegensatz zu Jäger, Kommentar zur KO., 6. und 7. Aufl. II S. 502 Anm. 14 zu § 139 (deutsche) KO., gleichfalls die Zurücknahme der Anmeldung bis zur Konkursbeendigung für statthaft hält. Entgegen der Meinung der Revision hat das Berufungsgericht die Ausführungen der vorhin erwähnten Denkschrift nicht mißverstanden; die im Kommentar von Bartsch - Pollak geäußerte Auffassung zu dem hier in Frage stehenden Problem (S. 482 zu § 104 KO.), auf die sich die Revision namentlich stützt, ist aber, wie schon gezeigt, von der Rechtsprechung nicht geteilt worden. Mit Recht bemerkt die Revisionsbeantwortung, daß das Prüfungsverfahren nach der Konkursordnung sich nicht auf die allgemeine Prüfungstagsatzung beschränkt, sondern neben derselben noch besondere Prüfungstagsatzungen kennt. Bis zum Schluß der allgemeinen Prüfungstagsatzung kann der Gläubiger einen anderen Rang in Anspruch nehmen; sonstige Erweiterungen oder Änderungen der angemeldeten Forderung sind dagegen nur zulässig, wenn dadurch keine Erschwerung der Prüfungsverhandlung eintritt. Gerade daraus ergibt sich, daß der Gläubiger, der sich in seiner Anmeldung vergriffen hat, deshalb nicht seines Anspruches ganz oder teilweise verlustig gehen soll. Kann also eine Abänderung der Anmeldung aus den Formvorschriften des § 106 KO. nicht mehr in der allgemeinen Prüfungstagsatzung erfolgen, dann bleibt es dem betreffenden Gläubiger unbenommen, bis zum Schluß des Konkursverfahrens seine unrichtige (irrige) Anmeldung zurückzunehmen und eine neue Anmeldung anzubringen, bei welcher ihn nur die Rechtsfolgen des § 107 KO. treffen.
Es ergibt sich demnach, daß die im Berufungsurteil vertretene Rechtsansicht auf keiner irrigen rechtlichen Beurteilung beruht, so daß das angefochtene Urteil zu bestätigen und der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)