Normen
Journalistengesetz §1
Journalistengesetz §1
Spruch:
Keine Anwendung des Journalistengesetzes auf festbesoldete, hauptberuflich tätige Mitarbeiter reiner Fach- und Werbeschriften.
Entscheidung vom 25. Februar 1958, 4 Ob 152/57.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Beklagten haben sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes mit dem Ziel vereinigt, die Fachzeitung "technica", eine internationale Fachzeitung für technischen Fortschritt, Entwicklung und Rationalisierung, mit einer Rubrik "technische Neuheiten" herauszugeben. Sie haben durch Inserat im "Neuen Österreich" vom 3. Juli 1955 einen Werbeleiter und einen Fachjournalisten gesucht. Aufgabe des Werbeleiters sollte sein, technische Neuheiten zu eruieren, Kunden zu werben und diese für die Zeitung zu interessieren. Der Fachjournalist sollte mit den schon geworbenen Kunden verhandeln und daraufhin den Werbeartikel für die "technica" verfassen. Der Kläger wurde am 11. Juli 1955 von den Beklagten als Fachjournalist aufgenommen. Da er vom Werbeleiter längere Zeit keinerlei Unterlagen bekam, besuchte er selbst Firmen und interessierte diese für die "technica". Er steuerte nur einige Aufsätze, die an Hand von Prospekten und sogenannten Waschzetteln zusammengestellt wurden, für die Zeitschrift bei. Vielfach wurden die Aufsätze von der jeweiligen Firma, deren technischer Artikel beschrieben wurde, schon druckfertig beigestellt. Die Zusammenstellung und gelegentliche Verfassung derartiger Werbeaufsätze war die Aufgabe des Fachjournalisten.
Der Kläger vertritt den Standpunkt, daß auf sein von den Beklagten am 5. November 1955 ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist aufgelöstes Dienstverhältnis die Bestimmungen des Journalistengesetzes Anwendung zu finden haben. Er begehrt für die Zeit vom 11. Juli 1955 bis 31. Dezember 1955 an Gehalt, anteiliger Weihnachtsremuneration, Urlaubsgeld und Teuerungszulage insgesamt 14.619 S 37 g, abzüglich eines in Teilzahlungen erhaltenen Betrages von 4596 S, daher 10.023 S 37 g. Ferner begehrt er im Sinne des § 4 JournG. die Kündigungsentschädigung für weitere drei Monate in Höhe von 6222 S, zusammen daher 16.245 S 37 g.
Das Erstgericht erkannte dem Kläger die ihm auf Grund der Bestimmungen des Angestelltengesetzes gebührende Kündigungsentschädigung in der Höhe von 9662 S 47 g zu und wies das Mehrbegehren ab. Der Kläger könne sich mit Erfolg nicht auf das Journalistengesetz berufen. Abgesehen davon, daß er nur gelegentlich mit der Verfassung von Texten für die "technica" befaßt gewesen sei, sei er nicht Mitarbeiter einer Zeitungsunternehmung im Sinne des § 1 Abs. 1 JournG. gewesen. Von einer Zeitung könne nur gesprochen werden, wenn sie sich nicht an einen bestimmten Personenkreis wende und vornehmlich der Berichterstattung über Tagesereignisse diene. Daß das Journalistengesetz nur für Mitarbeiter an Zeitungen im Sinne des Pressegesetzes zu gelten habe, zeige sich deutlich aus der Novelle BGBl. Nr. 158/1955, wo auf die Gestaltung des Textes über aktuelles Tagesgeschehen ausdrücklich Bezug genommen werde.
Das von beiden Parteien angefochtene Urteil des Arbeitsgerichtes wurde vom Berufungsgericht bestätigt. Es müsse zwischen Zeitung und Zeitschrift unterschieden werden. Unter einer Zeitung sei ein in geringen Zeitabständen erscheinendes Druckwerk zu verstehen, das sich hauptsächlich mit den Ereignissen der Welt, des Staates, des Landes oder der Stadt beschäftige und einen vielseitigen Inhalt habe. Die Zeitschrift hingegen sei ein Druckwerk, das vorwiegend in größeren Zeitabschnitten herausgegeben werde und sich inhaltlich auf ein enges Gebiet und auf einen bestimmten Leserkreis beschränke. Fraglich könnte sein, ob dem im Abs. 1 des § 1 JournG. angeführten Unternehmungsbegriff sowohl die Zeitung als auch die Zeitschrift zu unterstellen sei. Doch ergebe sich die Beantwortung dieser Frage im letzteren Sinne nunmehr eindeutig aus dem durch die Novelle BGBl. Nr. 158/1955 dem § 1 JournG. beigefügten Abs. 2. der lautet: "Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten sinngemäß für die Mitarbeiter einer Nachrichtenagentur, einer Rundfunkunternehmung (Ton- und Bildfunk) oder einer Filmunternehmung, die mit der Gestaltung des Textes oder mit der Herstellung von Bildern (Laufbildern) über aktuelles Tagesgeschehen betraut und mit festen Bezügen angestellt sind und diese Tätigkeit nicht bloß als Nebenbeschäftigung ausüben."
Dieser Absatz befasse sich zwar mit anderen Sparten als der Abs. 1, nämlich mit der Nachrichtenagentur, mit der Rundfunkunternehmung und der Filmunternehmung, sage aber, daß die Mitarbeiter dieser Unternehmungen nur dann dem Journalistengesetz unterstellt werden sollten, wenn diese Unternehmungen mit der Gestaltung des Textes oder mit der Herstellung von Bildern über aktuelles Tages geschehen betraut seien. Daraus sei nun zu ersehen, daß auch mit der im Abs. 1 angeführten Zeitungsunternehmung nur der Betrieb einer Zeitung, also eines Druckwerkes, das sich vorwiegend mit dem aktuellen Tagesgeschehen befasse, gemeint sein könne. Letzten Endes lasse sich dies auch aus der Benennung des Gesetzes selbst als Journalistengesetz ableiten. Der Journalist befasse sich eben, wie schon der Name andeute, mit dem Tagesgeschehen, und der Gesetzgeber habe nur die damit befaßten Mitarbeiter eines Zeitungsunternehmens dem Journalistengesetz unterstellen wollen. Bei dem Druckwerk "technica" handle es sich hingegen um eine Fachzeitschrift, die anfänglich monatlich und später vierteljährlich herausgegeben wurde und in der hauptsächlich Werbeartikel enthalten seien, die teilweise von den Firmen selbst beigestellt und nur zu einem geringen Teil vom Kläger geschrieben worden seien. Der Kläger sei mithin nicht in einer Zeitungsunternehmung im Sinne des § 1 Abs. 1 JournG. beschäftigt gewesen, weshalb sein Dienstverhältnis zu den beklagten Parteien nicht dem Journalistengesetz unterstellt werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Revision wird der Rechtsstandpunkt vertreten, daß ein Zeitungsunternehmen nach dem Sprachgebrauch auch ein Unternehmen sein könne, das nur Zeitschriften herausgebe. Nicht die Bezeichnung Zeitung oder Zeitschrift sei das wesentliche Merkmal für die Anwendung des Journalistengesetzes, sondern der Inhalt des Druckwerkes. Die Zeitschrift "technica" sei eine ausgesprochene Fachzeitschrift, die über technische Neuerungen, also über das Tagesgeschehen, spezialisiert auf das Gebiet der Technik, berichte; der Mitarbeiter einer solchen Zeitschrift sei ein Journalist im engsten Sinn dieses Wortes, denn er berichte über technische Tagesneuigkeiten. Der Umstand, daß die Zeitschrift nicht täglich, sondern monatlich oder in noch längeren Zeiträumen erscheine, sei rechtlich bedeutungslos.
In der Revisionsbeantwortung wird die Rechtsauffassung der Revision, daß eine Zeitungsunternehmung im Sinne des § 1 Abs. 1 JournG. vorliege, als rechtsirrig bekämpft und darauf hingewiesen, daß der Kläger faktisch niemals Journalistendienste, sondern höchstens Angestelltendienste verrichtet habe.
Das Revisionsgericht vermag sich der Argumentation des Revisionswerbers nicht anzuschließen.
Durch das Journalistengesetz vom 11. Februar 1920, StGBl. Nr. 88, wurde ein Sonderdienstrecht für festbesoldete, hauptberuflich tätige Mitarbeiter von Zeitungsunternehmungen geschaffen, das sich der eigentümlichen Stellung der Redakteure und Schriftleiter anpaßt. Diese Sonderregelung erfolgte, wie aus der Begründung der Regierungsvorlage (Nr. 403 der Beilagen, Konstituierende Nationalversammlung) hervorgeht, um einerseits den Besonderheiten in der Stellung der Redakteure, namentlich in sozialpolitischer und gesellschaftlicher Beziehung, Rechnung zu tragen, andererseits um bestehende Lücken der Gesetzgebung über das Verhältnis der Zeitungsunternehmungen und ihrer Mitarbeiter auszufüllen. Nach § 1 Abs. 1 JournG. fallen unter die Vorschriften dieses Gesetzes alle Mitarbeiter einer Zeitungsunternehmung, die mit der Verfassung des Textes oder mit der Zeichnung von Bildern betraut sind, sofern sie festbesoldet und hauptberuflich tätig sind. Während das Pressegesetz in § 3 Abs. 2 die Zeitung neben der Zeitschrift erwähnt und beide als periodische Druckschriften erklärt, bei denen der Bezug nicht an einen bestimmten Personenkreis gebunden ist, ist der Begriff der Zeitungsunternehmung im Journalistengesetz nicht näher umschrieben.
Durch die Novelle BGBl. Nr. 158/1955 wurde der Anwendungsbereich des Journalistengesetzes auf die sogenannten Radiojournalisten und die in der Filmbranche tätigen und mit der Herstellung von Wochenschauen befaßten Personen ausgedehnt. Der besondere Schutz, den das Journalistengesetz den Zeitungsjournalisten insbesondere im Zusammenhang mit einem allfälligen Wechsel der politischen Richtung der Zeitung angedeihen läßt (§ 11 JournG.), sollte im gleichen Ausmaß auch den Radiojournalisten und Filmreportern zugutekommen. Wie der Bericht des Justizausschusses (Nr. 595 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VII. GP.) ausführt, "geht die im neuen Absatz des § 1 JournG. vorgenommene Begriffsbestimmung davon aus, daß die im geltenden Gesetz enthaltene Begriffsbestimmung der Zeitungsjournalisten den praktischen Bedürfnissen entspricht, und lehnt sich daher weitgehend an diese Formulierung an. Es bedurfte nur der Ersetzung jener Begriffsmerkmale, die dem charakteristischen Unterschied im Dienstverhältnisse des Zeitungsjournalisten einerseits und des Radiojournalisten bzw. des Filmreporters andererseits entsprechen. Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes ist demnach, daß es sich um einen mit festen Bezügen angestellten Mitarbeiter einer Rundfunk- oder Filmunternehmung handelt, der nicht bloß nebenberuflich mit der Gestaltung des Textes oder der Herstellung von Bildern über aktuelles Tagesgeschehen befaßt ist. Gleichgültig ist es, ob es sich um Ton- oder Bildfunkunternehmungen handelt, ebenso ist es gleichgültig, ob es sich um gezeichnete, photographierte oder anders hergestellte Bilder, um Stehbilder oder Laufbilder handelt. Wesentlich ist, ob das Thema des Textes oder der Bilder im aktuellen Tagesgeschehen liegt."
Hiedurch scheint zum Ausdruck zu kommen, daß der Begriff er Zeitungsunternehmung im § 1 Abs. 1 JournG. in dem engeren, herkömmlichen Sinn zu verstehen ist und daß es offenbar nicht in der Absicht des Gesetzes gelegen war, den Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf festbesoldete, hauptberuflich tätige Mitarbeiter von reinen Fach- und Werbeschriftenauszudehnen. Nur um eine solche Werbeschrift technischen Inhaltes handelt es sich aber bei der von den Beklagten herausgegebenen Zeitschrift "technica", für die der Kläger als Fachjournalist angestellt wurde. Ohne Rechtsirrtum haben daher die Untergerichte angenommen, daß der Kläger in dieser Eigenschaft nicht dem § 1 Abs. 1 JournG. unterstellt werden kann.
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