OGH 1Ob665/57

OGH1Ob665/5715.1.1958

SZ 31/8

Normen

ABGB §1042
ABGB §1042

 

Spruch:

Der Anspruch nach § 1042 ABGB. kann nur von demjenigen erhoben werden, der zur Zeit, als er den Aufwand machte, den Willen, Ersatz zu verlangen, hatte.

Grundsätzlich muß vermutet werden, daß eine Leistung entgeltlich erbracht wird. Unverschuldeter Irrtum schadet dem Ersatzberechtigten nicht.

Entscheidung vom 15. Jänner 1958, 1 Ob 665/57.

I. Instanz: Bezirksgericht Zwettl; II. Instanz: Kreisgericht Krems.

Text

Die Klägerin, die Ehegattin des Beklagten, bringt in der Klage vor, daß sie den Unterhalt für ihr gemeinsames Kind Ingrid jahrelang selbst bestritten habe, obwohl der Beklagte nach dem Gesetz zur Alimentation verpflichtet gewesen wäre. Die Klägerin verlangt vom Beklagten gemäß § 1042 ABGB. den Rückersatz des Unterhaltes von sieben Jahren in der Höhe von 150 S monatlich, zusammen 12.600 S.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Ersatz nach § 1042 ABGB. könne nur derjenige verlangen, der zur Zeit, als der Aufwand gemacht worden sei, die Absicht gehabt habe, das Geleistete zurückzufordern. Auf die angeführte Gesetzesstelle könne sich also nur der berufen, der in Erwartung des Ersatzes die Aufwendungen geleistet habe. Die Klägerin habe bis März 1955 - wenn auch irrtümlich - angenommen, daß der Beklagte in der Kriegsgefangenschaft gestorben sei. Sie habe daher bis zu diesem Zeitpunkt nicht die Absicht gehabt, den Ersatz des Unterhaltes für das Kind vom Beklagten zu fordern. Was die Zeit nach dem März 1955 betreffe, könne die Klägerin den Ersatz gleichfalls nicht verlangen, weil sie mit der Einbringung der vorliegenden Klage (29. September 1956) eineinhalb Jahre gewartet habe.

Infolge Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück. Es sei zwar richtig, daß der Wille, Ersatz zu verlangen, eine Voraussetzung des Ersatzanspruches nach § 1042 ABGB. sei. Das Erfordernis des animus obligandi sei aber nicht eine positive Anspruchsvoraussetzung, sondern das Vorhandensein der Absicht, den Aufwand ohne Rückersatzanspruch endgültig aus eigenem zu tragen, schließe den Anspruch nach § 1042 ABGB. aus. Dies ergebe sich aus dem im Schenkungsrecht geltenden Grundsatz, daß eine unentgeltliche Zuwendung nur unter bestimmten Voraussetzungen einseitig widerrufen werden könne. Das Fehlen des animus obligandi müsse daher von der beklagten Partei bewiesen werden. Die irrige Annahme der Klägerin, der Beklagte sei tot, begrunde nicht ohne weiteres die Annahme, daß sie den Aufwand für das eheliche Kind, den sie als subsidiär Verpflichtete geleistet habe, in der Absicht erbracht hätte, den Beklagten dadurch von seiner Unterhaltsverpflichtung ohne Rückersatzanspruch zu entlasten. Die analoge Anwendung des § 1431 ABGB. führe zur Bejahung des klägerischen Anspruchs. Eine andere Auffassung würde nach der Meinung des Berufungsgerichtes zu unerwünschten Ergebnissen führen. Es könnte dann nämlich ein Unterhaltsverpflichteter den Anschein erwecken, er sei nicht mehr am Leben, und sich auf diese Weise für längere Zeit der Unterhaltsverpflichtung entziehen. Der Umstand, daß die Klägerin erst eineinhalb Jahre, nachdem sie von der Rückkehr des Beklagten aus der Kriegsgefangenschaft erfahren habe, die Klage eingebracht habe, lasse auf ihren Verzicht auf Rückersatz nicht schließen. Das Erstgericht müsse daher, da der Anspruch der Klägerin nach § 1042 ABGB. zu bejahen sei, noch die Höhe des Anspruches prüfen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht verweist der Rekurswerber darauf, daß der Anspruch nach § 1042 ABGB. nur von demjenigen erhoben werden kann, der zur Zeit, als er den Aufwand machte, den Willen, Ersatz zu verlangen, hatte. Es ist auch richtig, daß das Vorhandensein dieses Willens eine Voraussetzung dafür ist, daß der Anspruch geltend gemacht werden kann. Die rechtserzeugende Tatsache des animus obligandi bedarf aber im Normalfall keines besonderen Beweises der klagenden Partei, weil der Wille, jemanden aus einer Verpflichtung zu entlassen, von vorneherein nicht angenommen werden kann, vielmehr grundsätzlich vermutet werden muß, daß eine Leistung nicht unentgeltlich, sondern entgeltlich erbracht wird (vgl. SZ. XXVII 175). Der beklagten Partei steht es frei, den Beweis zu erbringen, daß im Einzelfall dieser der menschlichen Natur entsprechende Grundsatz der Eigennützigkeit nicht zutrifft, der Aufwand vielmehr in der Absicht gemacht worden ist, ihn endgültig aus eigenen Mitteln zu tragen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Beklagte diesen Beweis nicht erbracht. Er hat sich darauf berufen, daß die Klägerin jahrelang an den Tod des Beklagten geglaubt und den Unterhalt für das gemeinsame Kind daher ohne Hoffnung auf Rückersatz geleistet habe. Der Beklagte muß aber zugeben, daß die Annahme der Klägerin, der Beklagte sei tot, irrig war. Dieser Irrtum konnte bei der Klägerin die Meinung hervorrufen, sie werde bei dem in erster Linie unterhaltsverpflichteten Vater des Kindes Ersatz für ihre Aufwendungen nicht erhalten können. Der Irrtum läßt aber nicht den Schluß zu, die Klägerin hätte auf den Rückersatz auch verzichtet, wenn sie von der Existenz ihres Gatten gewußt hätte. Den Beweis dafür hätte der Beklagte erbringen müssen, weil der Klägerin der unverschuldete Irrtum nicht schaden konnte und ihr Verhalten daher so beurteilt werden muß, als ob sie dem Irrtum nicht unterlegen wäre. Die langjährige Erhaltung des ehelichen Kindes durch die Klägerin war nur die Folge ihres Irrtums, nicht aber das Ergebnis ihres Willensentschlusses, den Beklagten aus der Haftung für den Unterhalt zu befreien. Die Tatsache, daß auch die Klägerin zum Unterhalt ihres Kindes gesetzlich verpflichtet ist, schließt die Möglichkeit, vom Vater des Kindes die Aufwendungen für das Kind ersetzt zu verlangen, nicht aus, weil es sich bei der Mutter nur um eine der Unterhaltspflicht des Vaters nachgehende Verpflichtung handelt.

Der Klägerin kann auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie eineinhalb Jahre gewartet hat, ehe sie die vorliegende Klage einbrachte. Mit Rücksicht darauf, daß außer dem nach den Umständen nicht besonders langen Zuwarten keine anderen auf einen Verzicht hindeutenden Handlungen oder Unterlassungen der Klägerin erwiesen worden sind, kann sie den Ersatzanspruch nach 1042 ABGB. an sich geltend machen, sofern die weiteren Voraussetzungen dafür gegeben sind.

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