OGH 7Ob581/57

OGH7Ob581/578.1.1958

SZ 31/6

Normen

ABGB §471
HGB §369
ABGB §471
HGB §369

 

Spruch:

Das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes ist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Grund einer Einwendung wahrzunehmen.

Der Unternehmer, der einen Kraftwagen nach der Reparatur vor Bezahlung seines Werklohnes ausfolgt und unmittelbar darauf auftankt, verzichtet nicht nur auf die Geltendmachung des Retentionsrechtes zugunsten des Werklohnes, sondern auch zugunsten des Kaufpreises für den Kraftstoff.

Entscheidung vom 8. Jänner 1958, 7 Ob 581/57.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger begehrte vom Beklagten die Ausfolgung des ihm gehörigen Lastkraftwagens mit der Begründung, daß der Wagen von seinem Chauffeur eigenmächtig in die Werkstätte des Beklagten gebracht worden sei. Der Beklagte behauptete, der Kläger habe zumindest stillschweigend die Zustimmung zur Vornahme einer Reparatur an dem Wagen gegeben. Er sei jedoch zur Herausgabe des Wagens, an dem ihm ein Retentionsrecht zustehe, nur Zug um Zug gegen Bezahlung eines Betrages von 3112 S 33 g bereit.

Das Erstgericht stellte fest, daß der Kläger vom Beklagten bis Ende Dezember 1953 Treibstoff u. dgl. bezogen und an seinem LKW. Reparaturen habe vornehmen lassen. Der Beklagte habe nach Beendigung der Reparaturen das Fahrzeug jeweils dem Kläger ohne Bezahlung freiwillig ausgefolgt. Am 24. Oktober 1956 habe der Kraftfahrer des Klägers ohne dessen Wissen den LKW. in die Werkstätte des Beklagten gebracht. Als deshalb der Kläger einige Tage später beim Beklagten erschien, habe ihm dieser erklärt, er behalte das Fahrzeug für seine alte Forderung zurück. Einen Auftragsschein für die Reparatur habe der Kraftfahrer des Klägers erst im Zuge dieses Rechtsstreites unterschrieben, als er nicht mehr beim Kläger bedienstet war. Der Beklagte habe die Batterie des Wagens ausgebaut und die Vorderräder abmontiert. Der Beklagte mache ein Zurückbehaltungsrecht an dem LKW. wegen seiner Forderungen aus den Jahren 1952 und 1953 geltend, ein Zurückbehaltungsrecht wegen allfälliger Aufwendungen anläßlich des Auftrages im Oktober 1956 behaupte er nicht. Das Zurückbehaltungsrecht erlösche jedoch bei freiwilliger Besitzaufgabe, insbesondere bei Rückstellung der Sache. Der Beklagte habe daher sein Zurückbehaltungsrecht durch die freiwillige Herausgabe des Lkws. An den Kläger im Jahre 1953 verloren. Ein Zurückbehaltungsrecht auf Grund der Übernahmsbedingungen im Vordruck des Annahmeauftrages, wonach dem Unternehmer ein Zurückbehaltungsrecht auch wegen Forderungen aus früheren Instandsetzungen zustunde, könne der Beklagte nicht geltend machen, weil der Annahmeauftrag von dem Kraftfahrer des Klägers erst zu einer Zeit unterfertigt wurde, als er nicht mehr beim Kläger bedienstet war. Abgesehen davon, habe der Beklagte den Kläger niemals darauf aufmerksam gemacht, daß er die Reparaturen nur unter den in dem Annahmeauftrag angeführten Bedingungen übernehme. Für die Rechtswirksamkeit solcher Bedingungen sei aber die ausdrückliche oder zumindest stillschweigende Unterwerfung des Bestellers notwendig. Das Erstgericht erkannte daher auf Ausfolgung des Kraftwagens.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Zurückbehaltungsrecht erlischt, wenn die Sache nach gemachtem Aufwand herausgegeben wird. Es lebt auch nicht wieder auf, wenn die Sache wieder in die Gewahrsame desjenigen gelangt, der seinerzeit den Aufwand gemacht hat (SZ. XIV 73; Klang 2. Aufl. II 548; Schlegelberger, Kommentar zum HGB., 3. Aufl. III S. 1651). Wurde das Kraftfahrzeug nach der Reparatur dem Kraftwagenlenker des Fahrzeuges ausgefolgt und daran anschließend aufgetankt, dann liegt hier ein Benzinverkauf und kein Aufwand für die Sache im Sinne des § 471 ABGB. vor. Es kann aber auch das Zurückbehaltungsrecht des § 369 HGB. nicht geltend gemacht werden, wenn die Sache später selbst mit Zustimmung des Klägers in den Besitz des Beklagten gelangt ist, weil der Unternehmer, der den Kraftwagen nach der Reparatur vor Bezahlung seines Werklohnes ausfolgt und unmittelbar darauf auftankt, nicht nur auf die Geltendmachung des Retentionsrechtes zugunsten des Werklohnes, sondern auch zugunsten des Kaufpreises für den Kraftstoff verzichtet. Es ist daher gleichgültig, ob der Kraftwagen dem Kraftwagenlenker vor oder nach dem Auftanken ausgefolgt wurde. Aber selbst wenn man diese Auffassung nicht teilen wollte, ist darauf hinzuweisen, daß der Beklagte ein Auftanken des Fahrzeuges nach dessen Ausfolgung in erster Instanz nicht behauptet hat und sich ein solcher Vorgang, was das Berufungsgericht unbekämpft feststellt, auch aus dem Akt C 458/56 nicht ergibt, in dem der Beklagte das Begehren auf Zahlung seiner fälligen Forderungen aus der Geschäftsverbindung mit dem Kläger gestellt hat. Der vom Beklagten gerügten Aktenwidrigkeit, wonach das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichtes, der Beklagte habe nach Beendigung der seinerzeitigen Reparaturen bis Ende 1953 den Wagen jeweils ohne Zahlung freiwillig ausgefolgt, insofern unrichtig wiedergegeben habe, als es nicht von Reparaturen, sondern von Leistungen spricht, kommt daher keine Bedeutung zu. Damit ist die Feststellung entbehrlich, ob am 23. November 1958 das Auftanken des Wagens vor oder nach dessen Ausfolgung erfolgte.

Eine Vereinbarung nach den auf dem Annahmeauftrag aufgedruckten Geschäftsbedingungen liegt, wie die Untergerichte zutreffend ausgeführt haben, nicht vor, denn diese Urkunde wurde vom Kraftwagenlenkers des Klägers erst nach seiner Entlassung aus dem Dienstverhältnis unterfertigt. Daß ein Vertrag zwischen den Streitteilen abgeschlossen wurde, dem die Streitteile die erwähnten Geschäftsbedingungen zugrunde gelegt hätten, wird vom Beklagten nicht behauptet. Die Untergerichte haben daher mit Recht die Vereinbarung eines Zurückbehaltungsrechtes verneint, das dem Beklagten auch wegen seiner Forderungen aus früheren Instandsetzungen des Kraftfahrzeuges, die vor der seinerzeitigen Ausfolgung des Wagens entstanden waren, zustehen sollte. Das wird auch von der Revision nicht bekämpft. Der Beklagte meint allerdings, daß ihm ein Zurückbehaltungsrecht für seine Forderungen aus dem im Oktober 1956 vom Kraftwagenlenker erteilten Auftrag zur Reparatur des Wagens zustehe. Selbst wenn man annimmt, daß ein solcher Vertrag durch stillschweigende Genehmigung eines zwischen dem Kraftwagenlenker des Klägers und dem Beklagten abgeschlossenen Werkvertrages zustandegekommen sei und daher dem Beklagten für die Forderung aus dem Vertrage ein Retentionsrecht zustehe, ist damit nichts gewonnen. Es ist zwar richtig, daß das Zurückbehaltungsrecht des § 369 HGB. ebenso wie das des § 471 ABGB. zu seiner Entstehung nicht erst der Geltendmachung bedarf. Der Beklagte übersieht aber, daß das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes nicht von Amts wegen wahrzunehmen ist. Es ist vielmehr Sache des Beklagten, dem Herausgabeanspruch des Klägers die Einwendung entgegenzusetzen, daß er an der Sache ein Zurückbehaltungsrecht ausübe (siehe Schlegelberger a. a. O. S. 1649). Dabei hat er die Grundlagen dieses Rechtes, also die Aufwendungen und die Höhe der Forderungen aus diesen, anzuführen; das folgt daraus, daß das Zurückbehaltungsrecht nicht zur Klageabweisung führt, sondern die Verurteilung zur Leistung Zug-um-Zug gegen Bezahlung der durch das Zurückbehaltungsrecht gesicherten Forderungen zur Folge hat (Klang a. a. O. 546).

Damit erweist sich die Revision als unbegrundet, ohne daß auf die Frage einzugehen war, ob der Kläger durch sein Verhalten die Bestellung der Reparatur seitens seines Angestellten genehmigt hat und ob daher der Wagen mit Zustimmung des Klägers in den Besitz des Beklagten gekommen ist. Es konnte auch eine Erörterung darüber unterbleiben, ob der Besitzerwerb in diesem Falle ein einseitiges Handelsgeschäft auf Seite des Beklagten ist (s. hiezu Schlegelberger a. a. O. S. 1647).

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