OGH 1Ob284/57

OGH1Ob284/5715.5.1957

SZ 30/29

Normen

ZPO §14
ZPO §395
ZPO §14
ZPO §395

 

Spruch:

Bei Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft haben die von einem Streitgenossen gegen den Willen des anderen vorgenommenen Prozeßhandlungen keine rechtliche Wirkung; auch die Fällung eines Anerkenntnisurteils nur gegen einen der Streitgenossen ist unzulässig.

Entscheidung vom 15. Mai 1957, 1 Ob 284/57.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Das Erstgericht hat in dem gegen beide Beklagten, die nach der Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13. Februar 1957, 1 Ob 423/56, eine notwendige Streitgenossenschaft bilden, anhängigen Räumungsprozeß zunächst auf Grund eines Anerkenntnisses des Erstbeklagten am 8. März 1956 ein "Teilurteil" gefällt und damit den Erstbeklagten zur Räumung der Liegenschaft verurteilt.

Es hat sodann mit der Zweitbeklagten allein den Rechtsstreit meritorisch abgeführt und als erwiesen angenommen, daß die Zweitbeklagte (ebenso wie der Erstbeklagte) über vier Wochen den Pachtzins schuldig geblieben ist und den Zins auch bis zur Beendigung des Rechtsstreites erster Instanz nicht gezahlt hat, so daß die Klägerin von beiden Beklagten die sofortige Räumung und Übergabe der Liegenschaft verlangen könne. Eine weitere Voraussetzung für die Räumung ist nach den Feststellungen des Erstgerichtes dadurch gegeben, daß gegen die Beklagten oder gegen einen von ihnen innerhalb eines Jahres mehr als fünf Exekutionen, die fruchtlos oder bis zum Schluß des Verfahrens erster Instanz anhängig geblieben sind, gelaufen sind. Mit "Endurteil" wurde daher auch die Zweitbeklagte zur Räumung verpflichtet.

Der gegen dieses "Endurteil" erhobenen Berufung der Zweitbeklagten hat das Berufungsgericht aus den Gründen des Erstgerichtes in der Hauptsache nicht Folge gegeben.

Infolge Revision der Zweitbeklagten hat der Oberste Gerichtshof die Urteile beider Untergerichte aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revisionswerberin beschäftigt sich in ihren Ausführungen rücksichtlich aller drei Revisionsgrunde hauptsächlich damit, daß ihr auch im Revisionsverfahren das Recht zustehe, die Tatsache zu bekämpfen, daß in diesem Prozeßverfahren gegen ihren Ehegatten und gegen sie nicht in einem einheitlichen Verfahren verhandelt worden sei, daß gegen den Erstbeklagten zu Unrecht ein Anerkenntnisurteil ergangen sei und daß schließlich auch das Endurteil gegen sie allein erflossen sei, statt zugleich gegen ihren Ehegatten und gegen sie selbst. Daran, so führt die Revisionswerberin aus, ändere auch die Tatsache nichts, daß das Endurteil in seinem Spruche lautet:

"Juliane H. (Zweitbeklagte) ist schuldig, mit Robert H. (Erstbeklagtem) zur ungeteilten Hand ..., wozu Robert H. bereits mit dem Teilurteil vom 8. März 1956 verurteilt worden ist."

Mit diesem Vorbringen ist die Zweitbeklagte im Recht. Aus der Fassung des Endurteiles ergibt sich zunächst, daß dieses nur mehr eine Partei auf der Beklagtenseite kennt, nämlich die Zweitbeklagte. Aus dem Spruch des Urteils ergibt sich, daß dieses neben der Zweitbeklagten auch den Erstbeklagten mit dem Hinweis als schuldig erwähnt, daß dieser schon mit dem vorangegangenen Urteil verurteilt worden sei. Es ist also nicht etwa dem Urteilstenor des gegen die zweitbeklagte Partei ergangenen Endurteiles zu entnehmen, daß mit diesem Urteil jetzt auch der Erstbeklagte verurteilt werden sollte, sondern es ist in dem Endurteil gegen die zweitbeklagte Partei nur der Hinweis enthalten, daß der Erstbeklagte schon verurteilt worden ist. Auch aus den Gründen des Endurteiles ist nur zu entnehmen, daß gegen den Erstbeklagten schon ein Urteil vorliege, und zwar lediglich ein solches auf Grund seines Anerkenntnisses. Der Hinweis auf den Erstbeklagten im Endurteil gegen die Zweitbeklagte entspricht lediglich dem Klagebegehren, das die Verurteilung beider Beklagter zur ungeteilten Hand verlangt hat. Nach SpR. 214 begrundet aber eine Solidarverpflichtung noch nicht eine notwendige Streitgenossenschaft. Gegen ein derartiges Urteil des Erstgerichtes, an dem die Entscheidung des Zweitgerichtes nur in der Kostenfrage eine Änderung vorgenommen hat, beschwert sich die Revisionswerberin mit Recht. Auch das Urteil des Berufungsgerichtes, das das Endurteil gegen die Zweitbeklagte bestätigt hat, änderte nichts an der Tatsache, daß mit dem Endurteil gegen die zweitbeklagte Partei der Erstbeklagte nicht verurteilt wurde, obwohl dem Gesetze gemäß die Verurteilung des Erstbeklagten nur gleichzeitig im Endurteil gegen die Zweitbeklagte erfolgen durfte.

Die Nichtbeachtung der Streitgenossenschaft und damit verbunden die Erlassung des Anerkenntnisurteiles ohne Antrag auf Fällung eines solchen ist, soweit die Vorschrift des § 14 ZPO. dabei die Frage der Rechtsnatur und Bedeutung der notwendigen Streitgenossenschaft zur Erörterung stellt, eine Vorschrift materiellrechtlichen Inhaltes (SZ. VI 58) und daher mit dem Revisionsgrund der Z. 4 des § 503 ZPO. zu bekämpfen. Da diese Bekämpfung aber von der Revisionswerberin vorgenommen wurde, war ihr trotz des Umstandes, daß sie schon meritorisch verurteilt worden ist, der Erfolg nicht zu versagen. Ausgehend von dem Satze, daß bei einer notwendigen Streitgenossenschaft die von einem Streitgenossen gegen den Willen des anderen Streitgenossen vorgenommene Prozeßhandlung keine rechtliche Wirkung hat, kann erst meritorisch nach Neudurchführung des Prozesses gegen beide Beklagten zum Klagebegehren Stellung genommen werden, zumal das gegen den Erstbeklagten erlassene Anerkenntnisurteil noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Demnach waren die Urteile zweiter und erster Instanz, die gegen die Zweitbeklagte ergangen sind, aufzuheben und dem Erstgerichte die Fortsetzung des Verfahrens, und zwar im Falle der Beseitigung des Anerkenntnisurteiles gegen den Erstbeklagten mit beiden Beklagten in einem gemeinsamen Verfahren, aufzutragen.

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