OGH 1Ob263/56

OGH1Ob263/565.9.1956

SZ 29/59

Normen

ABGB §156
ABGB §158
PStG §29
ABGB §156
ABGB §158
PStG §29

 

Spruch:

Die Frist des § 156 ABGB. zur Bestreitung der Ehelichkeit beginnt auch dann mit dem Zeitpunkt der erhaltenen Nachricht von der Geburt des Kindes, wenn das Kind in der Matrik als unehelich eingetragen worden ist.

Entscheidung vom 5. September 1956, 1 Ob 263/56.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten wurde am 14. Juni 1946 geschieden. Schon seit Februar 1946 hatten die Eheleute keinen Geschlechtsverkehr mehr. Vor und nach der Ehescheidung hatte die Mutter der Beklagten ein intimes Verhältnis mit einem gewissen Johann K. Am 24. März 1947 ist die Beklagte geboren und in das Geburtenregister des Standesamtes als uneheliches Kind eingetragen worden. Der natürliche Vater K. hat vor dem Bezirksgericht Voitsberg die Vaterschaft zur Beklagten anerkannt. Im Geburtenregister wurde K. als Vater vermerkt. Das genannte Bezirksgericht verpflichtete ihn zur Zahlung eines Unterhaltes von 50 S monatlich an die minderjährige Beklagte. Im Jahre 1949 heiratete der Kläger wieder die Mutter der beklagten Partei. Diese Ehe wurde im Jahre 1953 geschieden. Im Sommer 1955 bewirkte K. die Streichung des Vermerkes, daß er der Vater der beklagten Partei sei, so daß seither die Beklagte wieder als eheliches Kind ihrer Mutter mit dem Kläger aus deren erster Ehe aufscheint. Der Kläger überreichte die vorliegende Klage nach § 156 ABGB. am 27. September 1955.

Das Erstgericht gab dieser Klage im Hinblick darauf statt, daß die Mutter der Beklagten in der kritischen Zeit nur mit K. Geschlechtsverkehr hatte, ferner im Hinblick auf die Eintragung der Beklagten als uneheliches Kind und schließlich mit Rücksicht auf das Anerkenntnis der Vaterschaft durch K. und seine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung durch das Gericht. Das Erstgericht bezeichnete die Klage als rechtzeitig, weil der Kläger über das genaue Datum der Geburt der Beklagten erst durch die Zustellung des Bescheides des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. August 1955 mit dem Beifügen Kenntnis erhalten habe, daß das Kind im Geburtenregister als eheliches Kind aufscheine.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es stellte auf Grund der Aussage des Klägers als Partei fest, daß dieser ungefähr drei Wochen nach der Geburt der Beklagten, zumindest aber während der zweiten Ehe mit der Kindesmutter (1949 bis 1953), vom genauen Geburtstag des Kindes erfahren habe und schon vorher in Kenntnis der für die Unehelichkeit des Kindes sprechenden Umstände gewesen sei, weshalb seine Bestreitungsklage außerhalb der Jahresfrist des § 156 ABGB. überreicht worden sei, dies obwohl das Berufungsgericht "die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Erstgerichtes übernommen hat, wonach die Beklagte nicht aus einem Geschlechtsverkehr ihrer Mutter mit dem Kläger stamme". Da jedoch die Beklagte am 283. Tage nach der Scheidung, somit innerhalb der Frist des § 138 Abs. 1 ABGB., geboren sei, gelte sie als eheliches Kind. Der Kläger könne sich nicht auf die unrichtige Eintragung des Standesbeamten im Geburtenregister und auch nicht auf die unrichtige Auffassung des Vormundschaftsgerichtes und auf das Anerkenntnis des natürlichen Vaters berufen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die unrichtige rechtliche Beurteilung soll nach Ansicht des Revisionswerbers darin gelegen sein, daß es schwer verständlich sei, ihm anzulasten, er müsse das Gesetz besser verstehen als der Personenstandsbeamte und das Gericht, da für ihn doch keine Veranlassung bestanden habe, die Bestreitungsklage zu erheben, wozu noch komme, daß sich die Mutter des Kindes und der natürliche Vater, das Standesamt und das Gericht darüber einig seien, daß die beklagte Partei ohnedies außerehelich geboren sei. Diese Rechtseinwendungen des Klägers greifen nicht durch. Schon in der Entscheidung SZ. XI 189 hat der Oberste Gerichtshof in einem völlig gleichgelagerten Falle ausgesprochen, daß die Frist des § 158 (jetzt 156) ABGB. zur Bestreitung der Ehelichkeit auch dann mit dem Zeitpunkte der erhaltenen Nachricht von der Geburt des Kindes beginne, wenn das Kind in der Matrik als unehelich eingetragen worden sei. Auch die vorangehende Entscheidung GlUNF. 7734 beschäftigt sich mit der Bedeutung der Eintragung der unehelichen Geburt in der Matrik in Beziehung auf den Illegitimitätsprozeß. Das Gesetz habe seine Fristbestimmung nicht von der Frage abhängig gemacht, ob das Kind in der Matrik als ehelich oder als unehelich eingetragen worden ist. Der Annahme des Ehemannes, daß bei Eintragung des Kindes als unehelich an ihn als Vater nicht herangetreten werde, kann nach dem Gesetze eine ausschlaggebende Bedeutung nicht beigelegt werden. Der Revisionswerber durfte sich nicht darauf verlassen, weil er nach dem Bestande der gesetzlichen Bestimmungen über die Vermutung der Ehelichkeit jederzeit als Vater in Anspruch genommen werden konnte und weil er auch wissen mußte, daß die Eintragung in die Matrik nachträglich geändert werden kann. Es hängt somit im vorliegenden Fall die Verpflichtung des Ehemannes zur Wahrnehmung der Frist zur Bestreitung von der festgestellten Tatsache ab, daß der Kläger ungefähr drei Wochen nach der Geburt der Beklagten davon Kenntnis erhalten hat, wobei ihm die für die Unehelichkeit sprechenden Umstände bereits bekannt waren. Maßgebend ist für den Beginn der Bestreitungsfrist nach dem Gesetze nebst dem Wissen der Umstände, die für die Unehelichkeit sprechen, nur der Zeitpunkt der Kenntnis des Ehemannes, daß seine Ehegattin ein Kind innerhalb des Zeitraumes geboren habe, der für die gesetzliche Vermutung der Ehelichkeit im Gesetze festgesetzt ist. Ob ein Kind als ehelich oder unehelich gilt, entscheidet nicht der Matrikenführer oder der Personenstandsbeamte, sondern das Gesetz im § 138 ABGB. Daß das Geburtenregister (und früher die Matrik) geändert werden kann, ist im PersonenstandsG. vorgesehen. Daran ändert die Tatsache nichts, daß sowohl der Personenstandsbeamte als auch der Vormundschaftsrichter von einer anderen (unrichtigen) Rechtsansicht ausgegangen sind. Auch in neuester Zeit hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl. 1954 S. 618 den Standpunkt vertreten, "daß die Kenntnis von der erfolgten Eintragung des Kindes als eines ehelichen in der Geburtenmatrik rechtlich bedeutungslos" sei. Es handelt sich hier um das Schulbeispiel des in Rede stehenden Problems, und es ist unrichtig, wenn die Revisionsschrift ausführt, dieser Fall sei deshalb anders gelagert, weil im Gegensatz zum vorliegenden Fall die Beklagte nicht als unehelich, sondern als ehelich im Geburtenregister eingetragen worden sei.

Der Oberste Gerichtshof hält an der oben skizzierten Rechtsprechung fest und vertritt nicht die Meinung des Reichsgerichtes, "daß unter bestimmten Umständen die Frist des § 158 bzw. § 156 ABGB. als Ausschlußfrist einer Hemmung durch unabwendbaren Zufall unterliege, bzw. daß die unrichtige Standesamtseintragung als unabwendbarer Zufall zu werten sei" (DREvBl. 1941 Nr. 252 und 253). Besonders in der erstgenannten Entscheidung hat das Reichsgericht ausgesprochen, daß es auf einem Rechtsirrtum beruhe, wenn die Untergerichte die behauptete Eintragung des Kindes in der Matrik als unehelich für bedeutungslos angesehen haben. Diese Entscheidungen gehen auf eine Entscheidung des Reichsgerichtes (RGZ. 160, 92) zurück, in der sich das Reichsgericht mit der Frage beschäftigte, unter welchen Umständen ein unrichtiger Inhalt der Geburtenurkunde des Kindes als höhere Gewalt angesehen werden könne, die den Fristlauf hemmen würde. Hiebei ist das Reichsgericht davon ausgegangen, daß sich der Kläger nicht nur auf seinen Rechtsirrtum schlechthin berufen habe, sondern daß er geltend gemacht habe, daß sein Irrtum durch unrichtige Belehrung des Standesamtes und durch unrichtige Beurkundung des Personenstandes des beklagten Kindes in der Geburtenurkunde hervorgerufen worden sei. In der jetzt entschiedenen Streitsache hat sich der Kläger überhaupt nicht auf einen Irrtum berufen, jedenfalls nicht auf einen solchen, der daraus entstanden wäre, daß er sich innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Bestreitungsfrist bei Gericht oder beim Standesamt um die Rechtslage erkundigt habe oder verständigt worden sei, daß das Kind als unehelich im Geburtenregister eingetragen oder vom Gericht als uneheliches Kind behandelt worden sei. Der Kläger vertritt im vorliegenden Fall vielmehr den Standpunkt, daß er im Sommer 1955 erfahren habe, daß die Beklagte als ehelich gelte, ohne zu sagen, ob und wann er erfahren habe, daß sie als uneheliches Kind angesehen werde. Er hat aber nicht das geringste in dieser Richtung behauptet, was, wenn überhaupt, die Verwertung der reichsdeutschen Rechtsprechung, die sich auf den unabwendbaren Zufall stützt, rechtfertigen könnte. Somit kommt der reichsdeutschen Rechtsprechung für den vorliegenden Fall überhaupt keine Bedeutung zu.

Das Bestreitungsrecht des Klägers wurde demnach vom Berufungsgericht mit Recht verneint. Es kann nur noch die zuständige Staatsanwaltschaft gemäß § 158 ABGB. die Bestreitungsklage erheben.

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