OGH 3Ob371/56

OGH3Ob371/561.8.1956

SZ 29/54

Normen

Rabattgesetz §9 Z1
Rabattgesetz §12
Rabattgesetz §9 Z1
Rabattgesetz §12

 

Spruch:

Zur Auslegung des Begriffes "Verbände" im Sinne des § 12 RabattG. und des Begriffes "Verwerten" im § 9 Z. 1 RabattG.

Entscheidung vom 1. August 1956, 3 Ob 371/56.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin behauptet, eine Gesellschaft zur gegenseitigen Förderung und gemeinsamen Interessenvertretung von Firmen, welche sich mit dem Handel von Büromaschinen befassen, zu sein. Die Beklagte habe am 6. April 1956 dem Briefmarkenhändler S. eine Kofferschreibmaschine Marke P. unter Einräumung eines 7%igen Sonderrabattes verkauft. Ein nach § 9 Z. 1 RabattG. zulässiger Grund für die Einräumung eines Sonderrabattes sei nicht gegeben, weil der Käufer die Maschine nicht verwerte und der Sondernachlaß auch nicht handels- und ortsüblich sei.

Gleichzeitig beantragte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Beklagten verboten werden solle, bei der Veräußerung einzelner Schreibmaschinen im Einzelverkauf an den Letztverbraucher zum Zwecke des Wettbewerbes andere Preisnachlässe als einen höchstens 3%igen Barzahlungsnachlaß zu gewähren.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Rechtsstreites und mit der Einschränkung "unbeschadet der Ausnahmebestimmung des § 9 RabattG.". Die Antragstellerin befasse sich satzungsgemäß mit der gegenseitigen Förderung und der gemeinsamen Interessenvertretung der Firmen, welche sich mit dem Handel von Büromaschinen befassen. Die Aktivlegitimation der Antragstellerin nach § 12 RabattG. sei daher zu bejahen. Es sei bescheinigt, daß die Beklagte dem Briefmarkenhändler S. einen Barzahlungsnachlaß von 168 S, d. s. 7%, gewährte. Dies verstoße gegen §§ 1 und 2 RabattG. Einen Ausnahmetatbestand habe die Antragsgegnerin weder behauptet noch bescheinigt. Im übrigen könne ein Sondernachlaß nur dort gewährt werden, wo er handels- und ortsüblich sei. Von einer Verwertung könne nur gesprochen werden, wenn die Ware der Verwertung diene oder die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit erst ermögliche oder wesentlich fördere, und zwar in einer für die betreffende Tätigkeit typischen Weise.

Das Rekursgericht wies den Antrag ab. Es sei zwar auch eine GesmbH. unter "Verband" zu verstehen. Es entscheide nicht die juristische Form, sondern die Stellung und Bedeutung im Wirtschaftsleben. Unter "Verbänden" könnten nur angesehene und fachkundige Körperschaften verstanden werden. Wirtschaftsverbände seien Interessentenverbände, die den gesamten Berufszweig erfassen, allen Berufsangehörigen offenstehen und nach ihrer Mitgliederzahl befähigt seien, im Verbande die allgemeinen Interessen des gesamten Berufszweiges zu ermitteln und festzustellen. Die klägerische Gesellschaft sei von 13 Berufsangehörigen gegrundet worden. Es gebe auch in Wien mehr als 100 Schreibmaschinenhändler. Es sei auch dem Gesellschaftsvertrage nicht zu entnehmen, ob und inwieweit andere Berufsangehörige beitreten könnten. Die gefährdete Partei habe daher nicht bescheinigt, daß sie ein Verband im Sinne des § 12 RabattG. sei. Der Briefmarkenhändler sei aber auch Verwerter der Schreibmaschine. Bei der Herstellung einer "Ganzsache" sei der Besitz einer Schreibmaschine geradezu unentbehrlich. Die Antragsgegnerin sei daher zu einem handels- und ortsüblichen Preisnachlaß berechtigt gewesen. Die gefährdete Partei habe zwar behauptet, daß der Sondernachlaß von 7% nicht handels- oder ortsüblich sei, habe diesen Umstand aber nicht bescheinigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei Folge und stellte die einstweilige Verfügung der ersten Instanz wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist durchaus richtig, daß der Ausdruck "Verbände" im weitesten Sinne des Wortes zu verstehen ist, daher auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften und Genossenschaften Verbände im Sinne des § 12 RabattG. sein können. Für die vom Rekursgericht vorgenommene Einschränkung auf angesehene und fachkundige Körperschaften fehlt im Gesetz jeder Anhaltspunkt. Es ist keineswegs erforderlich, daß diese Verbände den gesamten Berufszweig erfassen, allen Berufsangehörigen offenstehen und nach ihrer Mitgliederzahl befähigt sind, im Verband die allgemeinen Interessen des gesamten Berufszweiges zu ermitteln und festzustellen. Erforderlich ist lediglich, daß der Verband satzungsgemäß zur Förderung gemeinsamer Interessen dient und diese Tätigkeit auch tatsächlich ausübt. Der vorliegenden Satzung ist zu entnehmen, daß die Klägerin satzungsgemäß der Förderung gemeinsamer Interessen dient. Daß sie diese Tätigkeit nicht ausübe, wurde weder behauptet noch bescheinigt. Es kann dem Gesetze nicht entnommen werden, daß nur solche Verbände klageberechtigt wären, welche die Gesamtheit des Berufszweiges umfassen. Es wäre denkbar, daß in der Branche einige wenige große Händler zahlreichen kleineren Händlern gegenüberstehen. Würden sich die großen Händler in einem Verbande zur Wahrung der gewerblichen Interessen der Branche zusammenschließen, könnte diesem Verbande das Klagerecht nicht deshalb abgesprochen werden, weil er nicht auch den zahlreichen kleineren Händlern offensteht. Das gleiche müßte für örtlich abgegrenzte Verbände gelten. Es wird auch schwer fallen, einer GesmbH., deren Gesellschafter Schreibmaschinenhändler sind, die Sachkundigkeit in der Branche abzusprechen. Die Beschränkung auf angesehene Verbände müßte eine Rechtsunsicherheit herbeiführen, weil das Zutreffen dieser Voraussetzungen kaum objektiv zu erfassen wäre. Auch aus Art. 10 des Pariser Übereinkommens, das lediglich die prozessuale Gleichstellung der ausländischen Verbände mit den inländischen festlegen wollte, läßt sich für die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes nichts gewinnen. Das Reichsgericht hat dementsprechend auch ausgesprochen, daß einem Vereine die Klagsberechtigung auch dann zukomme, wenn er im wesentlichen nur die gewerblichen Interessen einer Firma zu wahren sucht (GRUR. 1936 S. 337). Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes muß daher die Aktivlegitimation der gefährdeten Partei für das Provisorialverfahren als bescheinigt angesehen werden.

Zuzugeben ist hingegen dem Rekursgericht, daß der Erwerber der Schreibmaschine, der Briefmarkenhändler S., als "Verwerter" der Maschine im Sinne des § 9 Z. 1 RabattG. anzusehen ist. Ein Bürobetrieb ohne Verwendung einer Schreibmaschine ist heute nicht mehr denkbar. Jedermann, der in seinem Gewerbebetrieb ein Büro benötigt, ist Verwerter der Schreibmaschine in einer für diese Tätigkeit typischen Weise. Nicht nur eine Fabrik oder ein Anwalt, sondern auch ein Briefmarkenhändler ist daher als Verwerter der Schreibmaschine anzusehen. Er fällt unter § 9 Z. 1 RabattG. Die Antragsgegnerin wäre daher zu einem handels- oder ortsüblichen Sonderrabatt berechtigt gewesen. Daß aber der gewährte Sonderrabatt von 7% handels- oder ortsüblich ist, hätte die Antragsgegnerin zu bescheinigen gehabt, weil es sich um eine Ausnahmeberechtigung handelt, die den Anspruch der gefährdeten Partei entkräftet. Die gegenteilige Ansicht des Rekursgerichtes verkehrt die Beweislast. Eine solche Bescheinigung wurde nicht erbracht, weshalb dem Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung stattzugeben war.

Zu Unrecht behauptet die Antragsgegnerin, daß durch die einstweilige Verfügung der Klagsanspruch vorweggenommen würde. Das Unterlassungsgebot der Verfügung ist zeitlich beschränkt. Der Klagsanspruch geht auf dauernde Unterlassung. Eine Sicherung des Klagsanspruches ohne Unterlassungsgebot wäre auch nicht denkbar. Ob tatsächlich die Antragsgegnerin nur durch einen Agent provocateur zur Übertretung des RabattG. verleitet worden ist und ob und welchen Einfluß dieser Umstand auf den Klagsanspruch hat, muß der Endentscheidung vorbehalten werden.

Der Bescheinigung einer Gefährdung bedarf es nicht, weil hier die gleichen Voraussetzungen zutreffen müssen wie bei einer einstweiligen Verfügung nach § 24 UWG.

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