OGH 7Ob223/56

OGH7Ob223/569.5.1956

SZ 29/40

Normen

JN §94 Abs2
JN §94 Abs2

 

Spruch:

"Auslagen" im Sinne des § 94 Abs. 2 JN. sind nur die durch die Prozeßführung verursachten Barauslagen, nicht aber Beträge, die der Anwalt für die Bezahlung von Schulden seines Klienten aufgewendet hat.

Entscheidung vom 9. Mai 1956, 7 Ob 223/56.

I. Instanz: Bezirksgericht Steyr; II. Instanz: Kreisgericht Steyr.

Text

In der Klage begehrte der Kläger von den Beklagten für die rechtsfreundliche Vertretung in mehreren beim Bezirksgericht Steyr durchgeführten Prozessen den Betrag von 2658 S 08 g. Außerdem begehrte er die Bezahlung eines Betrages von 3741 S 92 g mit der Begründung, er habe diesen Betrag über Ersuchen der Beklagten zur Abwendung der gegen sie geführten Exekution wegen der dem Gegner zuerkannten Prozeßkosten an dessen Vertreter ausgelegt. Zur Begründung der Zuständigkeit des Prozeßgerichtes berief sich der Kläger in der Klage auf die Bestimmungen der §§ 94 Abs. 2 und 95 Abs. 1 JN. In der Verhandlung wurde hinsichtlich der Zweitbeklagten überdies die Zuständigkeit nach § 99 JN. geltend gemacht.

Das Erstgericht gab der von den Beklagten erhobenen Unzuständigkeitseinrede nur hinsichtlich des gegen die Erstbeklagte geltend gemachten Anspruches auf Zahlung von 3741 S 92 g Folge und wies hinsichtlich dieses Anspruches die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Hinsichtlich des Anspruches auf Bezahlung von 2658 S 08 g hielt das Erstgericht bei beiden Beklagten den Gerichtsstand nach § 94 Abs. 2 und § 95 Abs. 1 JN. für gegeben. Für den Anspruch auf Bezahlung des Betrages von 3741 S 92 g bejahte das Erstgericht hinsichtlich der Zweitbeklagten die Zuständigkeit nach § 99 JN., weil die Zweitbeklagte in Steyr Hausbesitz habe. Hingegen verneinte das Erstgericht seine Zuständigkeit hinsichtlich des gegen die Erstbeklagte gerichteten Anspruches auf Bezahlung von 3741 S 92 g mit der Begründung, daß mangels Vermögens der Erstbeklagten im Sprengel des Bezirksgerichtes Steyr der Gerichtsstand nach § 99 JN. für diese nicht in Frage komme und auch der Gerichtsstand nach § 94 Abs. 2 JN. hinsichtlich dieses Anspruches nicht gegeben sei; weil der eingeklagte Betrag nicht "Auslagen" im Sinne des § 94 Abs. 2 JN. betreffe.

Der Beschluß des Erstgerichtes wurde von beiden Streitteilen angefochten. Das Rekursgericht gab dem Rekurse der Beklagten keine Folge, hingegen dem Rekurse des Klägers Folge und wies die Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit zur Gänze zurück. Das Rekursgericht nahm den Standpunkt ein, daß auch die Forderung von 3741 S 92 g unter den Begriff der "Auslagen" im Sinne des § 94 Abs. 2 JN. falle.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Erstbeklagten Folge und stellte den Beschluß der ersten Instanz wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 94 Abs. 2 JN. können Prozeßbevollmächtigte ihre Ansprüche auf Gebühren und Auslagen beim Gerichte des Hauptprozesses geltend machen. Der Grund dieser Gesetzesbestimmung liegt darin, daß das Gericht des Hauptprozesses die Honoraransprüche am besten bewerten kann (Pollak, System, 2. Aufl. S. 336). Schon aus ihrer Fassung ergibt sich, daß unter "Auslagen" nur die Baraufwendungen gemeint sein können, die den Bevollmächtigten im Hauptprozeß durch ihre Vertretung erwachsen sind, also Stempelgebühren, Sachverständigengebührenvorschüsse u. dgl. zutreffend hat auch das Erstgericht zur Erläuterung des Begriffes der "Auslagen" auf die Bestimmungen des Rechtsanwaltstarifes hingewiesen. Der Umstand, daß unter die Bestimmungen des § 94 Abs. 2 JN. nicht nur Rechtsanwälte fallen, schließt nicht aus, daß der Rechtsanwaltstarif zur Erforschung der Frage herangezogen wird, was nach der Gesetzesterminologie unter "Auslagen" zu verstehen ist. Nach § 18 RAT. sind Auslagen für Stempel und Postgebühren sowie andere Barauslagen abgesondert zu vergüten. Daß unter den Begriff dieser Auslagen nicht etwa Beträge, die der Anwalt für die Bezahlung von Schulden seines Klienten aufgewendet hat, zu verstehen sind, ist selbstverständlich. Die Verpflichtung zur Rückzahlung dieser Beträge folgt schon aus den Bestimmungen des Obligationenrechtes; die Bestimmung, daß hier eine abgesonderte Vergütung Platz zu greifen habe, wäre daher überflüssig und unverständlich. Der Begriff der "Auslagen" ist ferner durch die Bestimmung des § 42 Abs. 2 ZPO. erläutert. Diese Gesetzesstelle spricht von den "durch die Prozeßführung verursachten notwendigen Barauslagen", im Gegensatz zu den Gebühren des Rechtsanwaltes. Es kann daher auch im § 94 Abs. 2 JN., wo einerseits von den Gebühren und andererseits von den Auslagen die Rede ist, der Begriff der Auslagen nur in diesem Sinne verstanden werden. Damit stimmt auch der Begriff der "baren Auslagen" im § 1014 ABGB. überein. Aus der Textierung dieser Gesetzesstelle ist zu entnehmen, daß der Gewaltgeber zur Leistung eines angemessenen Vorschusses zwecks Bestreitung der "baren Auslagen" nur insofern verbunden ist, als diese Auslagen zur Besorgung des Geschäftes erforderlich sind; er muß also im Falle der Bevollmächtigung zur Führung eines Prozesses einen Vorschuß zur Deckung der für die Führung des Prozesses erforderlichen Auslagen geben.

In diesen Rahmen fällt der Betrag, den der Kläger nach seiner Behauptung für die Beklagten aufgewendet hat, nicht. Hier handelt es sich um eine Zahlung, die in Wahrheit mit der Stellung des Klägers als eines Prozeßbevollmächtigten nichts zu tun hat und daher weder im rechtlichen noch im tatsächlichen Zusammenhang mit seiner Forderung auf Zahlung der Gebühren für die rechtsfreundliche Vertretung steht. Wohl war die durch die Prozesse, in denen die Beklagten durch den Kläger vertreten waren, den Beklagten entstandene Kostenschuld der Anlaß der vom Kläger für die Beklagten geleisteten Zahlung. Aber diese Zahlung ergab sich nicht aus der Stellung des Klägers als des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten (SZ. XXIII 155), sondern war ein Darlehen an die Beklagten, das in gleicher Weise von irgendeiner anderen Person hätte gewährt werden können. Es kann daher keine Rede davon sein, daß sie unter den Begriff der "Auslagen" im Sinne des § 94 Abs. 2 JN., nämlich der durch die Prozeßführung verursachten Barauslagen, fällt. Es mangelt daher für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Zahlung von 3471 S 92 g an der örtlichen Zuständigkeit und daher gemäß § 227 ZPO. auch an der Möglichkeit, diesen Anspruch zusammen mit dem Gebührenanspruch des Klägers in einer Klage beim Bezirksgericht Steyr geltend zu machen. Daß auch der Gerichtsstand des § 93 JN., der übrigens vom Kläger gar nicht geltend gemacht wurde, für diesen Anspruch nicht in Frage kommt (SZ. VII 149), hat schon das Erstgericht zutreffend hervorgehoben.

Es war daher in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Beschluß der ersten Instanz wiederherzustellen.

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