OGH 3Ob49/56

OGH3Ob49/5614.3.1956

SZ 29/26

Normen

EO §79
ZPO §228
ZPO §236
ZPO §259
ZPO §577
EO §79
ZPO §228
ZPO §236
ZPO §259
ZPO §577

 

Spruch:

Der österreichische Richter darf zwar einen ausländischen Schiedsspruch nicht aufheben, wohl aber im Rahmen der Genfer Bestimmungen darüber entscheiden, ob der Schiedsspruch im Inland als wirksam anzuerkennen ist oder nicht.

Entscheidung vom 14. März 1956, 3 Ob 49/56.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt von der Beklagten die Zahlung des Betrages von 3283.39 DM samt Zinsen und Kosten. In der mündlichen Verhandlung vom 3. September 1955 hat die klagende Partei einen Zwischenantrag auf Feststellung gestellt, daß der Schiedsspruch des Arbitragegerichtes (Freundschaftl. Hamburger Arbitrage) vom 11. Februar 1955 in Sachen der Streitteile der klagenden Partei gegenüber rechtsunwirksam sei. Die beklagte Partei hat beantragt, festzustellen, daß der vorangeführte Schiedsspruch zwischen den Streitteilen rechtsverbindlich sei.

Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil dahin entschieden, daß der erwähnte Schiedsspruch rechtsunwirksam ist.

Das Berufungsgericht hat aus Anlaß der Berufung der beklagten Partei dieses Zwischenurteil und das Verfahren, soweit es sich auf die Zwischenanträge der Streitteile bezog, als nichtig aufgehoben, die Zwischenanträge als unzulässig zurückgewiesen und die Kosten des nichtigen Verfahrens und des Berufungsverfahrens gegeneinander aufgehoben. Bei seiner Entscheidung ging das Berufungsgericht von folgenden Erwägungen aus:

Mit den von den Parteien gestellten Zwischenanträgen solle der von einem ausländischen Schiedsgerichte gefällte Schiedsspruch für unwirksam bzw. für rechtsverbindlich erklärt werden. Im Auslande (und insbesondere im Deutschen Reiche) gefällte Schiedssprüche könnten aber in Österreich nicht angefochten werden, weil die Klage auf Aufhebung oder Rechtsunwirksamerklärung eines ausländischen Schiedsspruches einen Eingriff in die Gerichtshoheit des ausländischen Staates darstellen würde. Durch ein über eine solche Klage ergehendes Urteil würde ein im Bereiche eines ausländischen Staates gefälltes Urteil oder ein solcher Schiedsspruch durch ein inländisches Gericht für aufgehoben oder rechtsunwirksam erklärt. Das sei aber unzulässig. Es sei also zur Anfechtung eines ausländischen Schiedsspruches die inländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben; es könne daher auch durch einen Zwischenantrag auf Feststellung nach den §§ 236, 259 ZPO. nicht ein Zwischenurteil nach § 393 ZPO. über die Rechtswirksamkeit oder Aufhebung des ausländischen Schiedsspruches herbeigeführt werden. Es seien das über den Zwischenantrag der klagenden Partei ergangene Zwischenurteil und das darauf bezügliche Verfahren als nichtig aufzuheben, die Zwischenanträge beider Streitteile aber als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Die beklagte Partei hat die Zurückweisung ihres Zwischenantrages auf Feststellung unangefochten gelassen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es kann der Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht dahin gefolgt werden, daß den Zwischenanträgen auf Feststellung, die die Streitteile gestellt haben, die Bestimmung des § 236 Abs. 2 ZPO. deshalb entgegenstehe, weil durch die Entscheidung in die Gerichtshoheit des ausländischen Staates, nämlich der Bundesrepublik Deutschland, eingegriffen würde.

Das Berufungsgericht ist von den in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ. XI 76 vorgetragenen Rechtsgedanken ausgegangen. Diese Entscheidung nimmt Bezug auf den Vertrag vom 21. Juni 1923, BGBl. Nr. 138/1924, zwischen Österreich und dem Deutschen Reiche und auf die Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 5. Oktober 1924, BGBl. Nr. 374, in denen die Frage der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen des einen der beiden Staaten in dem anderen geregelt ist. Nach diesem Vertrage bzw. nach dieser Verordnung war es nur möglich, im Stadium der Vollstreckung im Sinne der im erwähnten Vertrage getroffenen staatlichen Vereinbarungen und der diesbezüglichen Bestimmungen der EO. gegen die Vollstreckung eines im Deutschen Reiche gefällten Schiedsspruches durch Geltendmachung von Exekutionshindernissen Stellung zu nehmen bzw. nach dem Sinne der erwähnten Verordnung geltend zu machen, daß der im Deutschen Reiche gefällte Schiedsspruch mit Mängeln nach § 595 der österreichischen Zivilprozeßordnung belastet sei, die seine Vollstreckbarkeit ausschließen. Die Wirksamkeit des Titels konnte im Vollstreckungsstreit nicht in Frage gestellt werden.

Die Rechtslage zur Zeit der Entscheidung SZ. XI 76 ist aber grundlegend geändert worden, weil heute im Verhältnis zu Westdeutschland nicht mehr das Vollstreckungsabkommen von 1923 gilt, sondern nur mehr das Genfer Protokoll über Schiedsklauseln vom 24. September 1923, BGBl. Nr. 57/1928, und das Genfer Abkommen betreffend die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26. September 1927, BGBl. Nr. 343/1930. Beiden Übereinkommen ist sowohl das Deutsche Reich als auch Österreich beigetreten. Sie sind nach der Mitteilung im JABl. 1952 S. 45 mit Wirksamkeit vom 1. April 1952 im Verhältnis zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland wieder anwendbar.

Im Genfer Protokoll vom 24. September 1923 (BGBl. Nr. 57/1928) haben sich die vertragschließenden Staaten mit dem im Art. I Abs. 2 gemachten Vorbehalte zur Anerkennung von Schiedsabreden und Schiedsklauseln zwischen Personen, die der Gerichtsbarkeit der vertragschließenden Staaten unterworfen sind, verpflichtet, und zwar selbst dann, wenn das Schiedsverfahren in einem anderen Staate stattfindet als in dem, dessen Gerichtsbarkeit jede der Parteien unterworfen ist.

Im Abkommen vom 26. September 1927, BGBl. Nr. 343/1930, wird im Art. I Abs. 1 zunächst ausgesprochen, daß Schiedssprüche, die auf Grund einer im Genfer Protokoll vom 24. September 1923 vorgesehenen Schiedsabrede oder Schiedsklausel ergangen sind, in den Gebieten der vertragschließenden Staaten als wirksam anerkannt und gemäß den Verfahrensvorschriften des Landes, in dem sie geltend gemacht werden, zur Vollstreckung zugelassen werden, wenn sie im Gebiete eines der vertragschließenden Staaten und zwischen Parteien ergangen sind, die der Gerichtsbarkeit eines der vertragschließenden Staaten unterstehen. Im Abs. 2 des Art I dieses Übereinkommens ist dann statuiert, daß zu dieser in Abs. 1 umschriebenen Anerkennung oder Vollstreckung notwendig sei:

a) daß der Schiedsspruch auf Grund einer Schiedsabrede oder Schiedsklausel ergangen ist, die nach der auf sie anwendbaren Gesetzgebung gültig ist;

b) daß nach dem Rechte des Landes, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, der Gegenstand des Schiedsspruches einem schiedsgerichtlichen Verfahren unterworfen werden kann;

c) daß der Schiedsspruch von dem Schiedsgerichte gefällt wurde, das in der Schiedsabrede oder der Schiedsklausel vorgesehen oder gemäß der Vereinbarung der Parteien und den auf das Schiedsverfahren anwendbaren Rechtsvorschriften gebildet worden ist;

d) daß der Schiedsspruch in dem Lande, in dem er ergangen ist, eine endgültige Entscheidung darstellt; er gilt nicht als endgültig, wenn er dem Einspruche, der Berufung oder der Nichtigkeitsbeschwerde unterworfen ist (in den Ländern, in denen diese Rechtsbehelfe bestehen) oder wenn nachgewiesen wird, daß ein Verfahren zwecks Anfechtung der Gültigkeit des Schiedsspruches anhängig ist;

e) daß die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruches nicht der öffentlichen Ordnung oder den Grundsätzen des öffentlichen Rechtes, des Landes, in dem er geltend gemacht wird, widerspricht.

Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches hat der durch die Genfer Übereinkommen geschaffenen Rechtslage auch für ihr internes Recht durch die Novelle zur Zivilprozeßordnung vom 25. Juli 1930, insbesondere durch die Neufassung des § 1044 DZPO., Rechnung getragen. § 1044 DZPO. regelt die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches, bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Antrag auf Vollstreckbarerklärung abzulehnen ist, lehnt die - sonst für inländische Schiedssprüche im Verfahren vor dem deutschen Richter vorgesehene (§§ 1042 ff. DZPO.) - Aufhebung des ausländischen Schiedsspruches ab und läßt an die Stelle der Aufhebung die Feststellung treten, daß der ausländische Schiedsspruch im Inlande nicht anzuerkennen sei.

Das deutsche Zivilprozeßrecht übernimmt also die im Genfer Abkommen vom 26. September 1927 vorgenommene Unterscheidung zwischen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches auch für sein internes Recht (siehe hiezu die amtliche Begründung zur deutschen Zivilprozeßnovelle vom 25. Juli 1930, abgedruckt in Nußbaum "Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtsverfahren in Zivil- und Handelssachen", Band III S. 251 f.; ferner ebendort die Ausführungen des Senatspräsidenten i. R. Prof. Dr. h. c. Wieruszowski, S. 323 f.). Diese dem Genfer Recht entnommene Regelung muß um so mehr dann gelten, wenn die Wirksamkeit eines ausländischen Schiedsspruches im Inland auf Grund des Genfer Abkommens selbst zu prüfen ist, wie dies heute im Verhältnis zwischen Österreich und der Deutschen Bundesrepublik der Fall ist.

Dem Schiedsschuldner aus einem ausländischen Schiedsspruche steht demnach nach dem Genfer Abkommen vom 26. September 1927 das Recht zu, die Feststellung zu begehren, daß der Schiedsspruch im Inlande nicht anzuerkennen sei, daß er im Inlande nicht als wirksam erkannt werde. Dieses Feststellungsbegehren ist von dem Begehren, gerichtet auf Aufhebung eines ausländischen Schiedsspruches, und von dem Begehren um Vollstreckbarerklärung oder um Ablehnung der Vollstreckbarkeit streng zu trennen. Daß das österreichische Recht die inländische Exekutionsordnung nicht in gleicher Weise allgemein geändert hat, wie es die deutsche Prozeßnovelle 1930 getan hat, hindert zwar den österreichischen Richter, einen ausländischen Schiedsspruch aufzuheben, läßt aber seine Befugnis unberührt, im Rahmen der Genfer Bestimmungen darüber zu entscheiden, ob der Schiedsspruch im Inlande als wirksam anzuerkennen ist. Für den Bereich des österreichischen Rechtes unterliegt es daher keinem Zweifel, daß nicht nur der Schiedsschuldner, sondern auch der Schiedsgläubiger mit selbständiger Feststellungsklage - auch außerhalb des Exekutionsverfahrens - verlangen kann, daß die Frage der Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruches im Inlande urteilsmäßig entschieden werde. Es handelt sich hiebei um die Feststellung, ob das durch den ausländischen Schiedsspruch geschaffene Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen auch mit Wirkung für das Inland ausgestattet ist, ob also der ausländische Schiedsspruch auch im Inlande rechtliche Folgen hervorbringen kann.

Durch die Entscheidung hierüber ist endgültig abgesprochen: im Falle der Anerkennung, daß zwischen den Streitteilen die durch den Schiedsspruch geschaffenen Rechtsbeziehungen bestehen; im Falle der Ablehnung der Anerkennung, daß jedenfalls durch den Schiedsspruch keine Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen geschaffen worden sind.

Daß damit kein Eingriff in die ausländische Gerichtshoheit vorgenommen wird, ergibt die Überlegung, daß der aufrechte Bestand des ausländischen Schiedsspruches nicht in Frage gestellt, sondern nur seine Wirksamkeit (Vollstreckbarkeit) im Inland negiert wird. Aus der ausländischen Gerichtshoheit kann abgeleitet werden, daß die Aufhebung, das heißt die Beseitigung eines im Ausland gefällten Schiedsspruches, im Inlande nicht zulässig ist, aber nicht, daß es den inländischen Gerichten verwehrt sei, darüber zu entscheiden, ob der ausländische Schiedsspruch im Inland als wirksam anzuerkennen ist. Im Gegenstande aber könnte dies auch schon aus der Erwägung nicht eingewendet werden, weil sich beide Staaten dem Genfer Übereinkommen vom Jahre 1927 unterworfen und ausdrücklich anerkannt haben, daß dieses Übereinkommen mit Wirksamkeit vom 1. April 1952 im Verhältnis zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland wieder anzuwenden ist.

Aus den erörterten Gründen kann daher gegen die Zulässigkeit der von den Streitteilen gestellten Zwischenanträge auf Feststellung weder ins Treffen geführt werden, daß durch die Entscheidung hierüber in die Gerichtshoheit der Bundesrepublik Deutschland eingegriffen werde, noch daß hierüber ausschließlich im Vollstreckungsverfahren zu entscheiden sei, noch daß ihnen die Präjudizialität mangle. Das Berufungsgericht wird sich daher der Entscheidung über die gestellten Zwischenanträge zu unterziehen und zu prüfen haben, ob der Schiedsspruch des Arbitragegerichtes im Sinne der Bestimmungen des Genfer Abkommens vom 26. September 1927 anzuerkennen oder ob ihm die Anerkennung zu versagen ist; verneinendenfalls wird es den aufrechten Bestand der Gegenforderung selbst festzustellen haben.

Abschließend ist noch zu bemerken, daß die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auch die Zurückweisung des von der beklagten Partei gestellten Zwischenantrages zu umfassen hat, obwohl die beklagte Partei diesen Teil der Berufungsentscheidung nicht angefochten hat. Das ergibt sich aus dem Wesen der Zwischenanträge auf Feststellung als eigenartiger Modifikationen des Streitgegenstandes, durch welche (von wem immer der Antrag gestellt wird) der ursprüngliche Klagsgegenstand mit den in den Zwischenanträgen gestellten Begehren zu einer Einheit derartig vereint wird, daß eine verschiedene Entscheidung hierüber ausgeschlossen ist (vgl. hiezu 4 Ob 92/53 und 4 Ob 63/55). Das gilt vor allem im Gegenstande, in dem sich die Zwischenanträge der beiden Streitteile positiv und negativ gegenüberstehen.

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