OGH 2Ob17/56

OGH2Ob17/567.3.1956

SZ 29/20

Normen

ABGB §44
ABGB §1435
ABGB §44
ABGB §1435

 

Spruch:

Umfang der Beistandspflicht der Ehegattin nach § 44 ABGB.; Rückforderungsansprüche nach § 1435 ABGB.

Entscheidung vom 7. März 1956, 2 Ob 17/56.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Untergerichte haben folgenden Sachverhalt festgestellt:

Die Klägerin hat sich im Jahre 1925 mit Rudolf R. verheiratet. Dieser war Jude, die arische Klägerin ist anläßlich ihrer Eheschließung mit ihm zum jüdischen Glauben übergetreten.

Ihr Gatte hat ihr noch vor ihrer Verehelichung einen Betrag von 100.000 sfrs. geschenkt, mit welchem Betrag sie sich ebenso wie ihr Gatte an der St.-Kreditgesellschaft in Vaduz beteiligt hatte.

Als ihr Mann im Jahre 1938 von der Gestapo verhaftet und ins KZ. Buchenwald deportiert wurde, hat die Gestapo als Bedingung für seine Freilassung die Forderung gestellt, daß die obgenannte Gesellschaft einen Betrag von 100.000 sfrs. an das Deutsche Reich zahle, was diese Gesellschaft mit Zustimmung der Klägerin getan hat. Die Klägerin hat diese Zustimmung erteilt, um die Enthaftung ihres Mannes zu erwirken, die dann auch im Sommer 1939 erfolgte. Die Klägerin und ihr Mann sind hierauf nach Rumänien gezogen.

Der Gatte der Klägerin ist im Sommer 1940, um weiteren Verfolgungen zu entgehen, über Rußland, China und Japan nach Mexiko ausgewandert.

Da die Barmittel für eine gemeinsame Ausreise der beiden Ehegatten nicht vorhanden waren, ist die Klägerin in Rumänien geblieben. Sie ist seit 1942 häufig vom deutschen Konsulat aufgefordert worden, sich von ihrem jüdischen Gatten scheiden zu lassen, da sie sonst als Jüdin behandelt und in ein Lager überstellt würde. Sie hat sich daher am 2. Oktober 1943 von ihrem Gatten scheiden lassen, hat aber diese Scheidung ebenso wie ihr Gatte nur als eine Scheinscheidung betrachtet.

Erst im Februar 1946 hat sie erfahren, daß ihr Mann im Jahre 1943 Beziehungen zu einer anderen Frau angeknüpft und diese auch geheiratet habe. Am 20. November 1946 hat ihr die zweite Frau ihres Gatten mitgeteilt, daß dieser plötzlich gestorben sei.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten als unbedingt erbserklärter Erbin nach dem verstorbenen Rudolf R:

1.) den Gegenwert für übermittelte 2100 $ zum Kurse von 26 S 50 g,

das sind........................................ 55.650 S, 2.) da

sie zu der im Jahre 1939 erfolgten Zahlung von 100.000 sfrs. aus

ihrem Vermögen die Hälfte, also 50.000 sfrs., das sind 295.000 S,

beigetragen habe, zunächst einen Betrag von

.......................................... 30.000 S unter Vorbehalt

der Geltendmachung des Restbetrages, insgesamt also

............................................ 85.650 S samt Anhang.

Die Klägerin behauptet, sie sei mit ihrem Manne seinerzeit darüber einig gewesen, daß sie ihm nach dem Kriege nach Mexiko folgen werde, und habe alle diese Leistungen nur unter der Voraussetzung erbracht, daß ihre eheliche Gemeinschaft mit Rudolf R. aufrecht bleibe. Diese Voraussetzung sei nicht durch die erzwungene Scheidung ihrer Ehe mit Rudolf R., die auch dieser nur als Scheinscheidung aufgefaßt habe, weggefallen, sondern nur durch dessen Wiederverheiratung mit einer anderen Frau.

Beide Untergerichte haben dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge, indem er die untergerichtlichen Urteile hinsichtlich des Betrages von 55.650 S s. A. (Gegenwert von 2100 $) bestätigte, jedoch das Mehrbegehren auf Leistung weiterer 30.000 S s. A. abwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit es sich um den Anspruch der Klägerin auf Leistung des Gegenwertes von 2100 $ = 55.650 S handelt, ist die Revision nicht begrundet.

Die Klägerin hat nach den Feststellungen der Untergerichte diese Dollarbeträge ihrem damaligen Gatten nur unter der mit Rücksicht auf ihre harmonische Ehe selbstverständlichen Voraussetzung überwiesen, daß sie die eheliche Gemeinschaft mit ihm wieder fortsetzen werde, sobald es die Verhältnisse irgendwie zulassen würden. Sie hat nach den Feststellungen der Untergerichte ihrem Gatten die Dollarbeträge auch keineswegs in Schenkungsabsicht überwiesen, sondern um ihr Geld ins Ausland zu bringen und darüber verfügen zu können, wenn sie im Auslande wieder einmal mit ihrem Gatten zusammenleben werde.

Da infolge der Wiederverheiratung ihres Gatten diese Voraussetzung in der Folge weggefallen ist, steht der Klägerin gemäß § 1435 ABGB. jedenfalls in diesem Punkte ein Rückforderungsanspruch zu. Dies entspricht der herrschenden Lehre (vgl. Wilburg in Klang 2. Aufl. VI 466 ff.) und Rechtsprechung (vgl. insbesondere 3 Ob 435/53).

Selbst wenn die von der Klägerin im Jahre 1943 erwirkte Scheidung keine Scheinscheidung gewesen wäre, könnte ihr der Anspruch auf Rückzahlung des Gegenwertes der von ihr ihrem Gatten nicht in Schenkungsabsicht überwiesenen 2100 $ nicht genommen werden. Denn die Voraussetzung, unter der diese Dollarbeträge überwiesen wurden, nämlich die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft mit Rudolf R., war durch die Auflösung der Ehe der Klägerin mit ihm und seine in der Folge vor sich gegangene Wiederverehelichung jedenfalls beseitigt worden und daher auch der Grund für die Überweisung der 2100 $ an ihn weggefallen.

Anders als bei den überwiesenen Dollarbeträgen ist aber die Rechtslage hinsichtlich des Betrages von 30.000 S, den die Klägerin als teilweisen Ersatz des Betrages begehrt, der aus ihrem Vermögen zum Zwecke der Enthaftung ihres Gatten geleistet worden ist.

Zur Leistung dieses Betrages war die Klägerin auf Grund der sich aus § 44 ABGB. ergebenden gegenseitigen Beistandspflicht der Ehegatten verpflichtet. Sie wäre hiezu auch verpflichtet gewesen, wenn das Vermögen, aus welchem sie den Beitrag leistete, ihr nicht seinerzeit von ihrem Gatten zugekommen wäre, um so mehr aber war sie hiezu verpflichtet, da dies der Fall gewesen ist.

Die Ansicht Lenhoffs in Klang 1. Aufl. I/1 S. 388, daß die Beistandspflicht der Frau gemäß § 44 ABGB. sich im Inhalte des § 92 ABGB. erschöpfe, laut welchem sie verbunden ist, dem Manne in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beizustehen, wird dem Wesen des ehelichen Verhältnisses als der innigsten Lebensgemeinschaft zweier Menschen nicht gerecht. Zweck der Ehe ist nicht nur die Erzeugung und Erziehung von Kindern, sondern auch die gemeinsame Führung des Kampfes ums Dasein (vgl. SZ. VI 63).

Daß dies aber auch unter Umständen sachliche Opfer eines Ehegatten erfordert, führt Ehrenzweig (2. Aufl. II/2 S. 134 ff.) zutreffend an. Die deutsche Judikatur steht auf dem Standpunkte, daß ein Ehepartner in Erfüllung der Pflicht zum gegenseitigen Beistande allenfalls auch auf seine Kosten zur Unterbringung des anderen Ehepartners in einer Heilanstalt verpflichtet ist (vgl. Palandt, BGB., 14. Aufl. S. 1282 zu § 1353).

Schwind sagt in seinem Kommentar zum österreichischen Eherecht auf S. 17 zu § 44 ABGB. unter Bezugnahme auf die oben angeführte Entscheidung SZ. VI 63, man werde aus der Beistandspflicht jedenfalls den Satz ableiten können, daß das Einkommen der Frau ebenso wie das des Mannes nur insoweit in ihrer alleinigen beliebigen Verfügung stehen könne, als es nicht auf Grund dieser besonderen Beistandspflicht gemäß § 44 ABGB. zur Schaffung der gemeinsamen Existenzgrundlage herangezogen werden müsse.

Um so mehr wird aber ein Ehegatte dann verpflichtet gewesen sein, sein Einkommen und auch sein Vermögen zugunsten des anderen Ehegatten zu verwenden, wenn es sich nicht bloß um die Schaffung einer gemeinsamen Existenzgrundlage, sondern um das infolge der Verhaftung durch die Gestapo in Gefahr stehende Leben des anderen Ehegatten gehandelt hat, also um den Kampf ums Dasein (vgl. SZ. VI 63) im wahrsten Sinne des Wortes.

Nun kann allerdings gemäß § 1435 ABGB. auch eine Sache, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden ist - und daher auch eine Leistung, zu deren Erbringung man verpflichtet gewesen ist -, zurückgefordert werden, wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat.

Der rechtliche Grund - die justa causa - zur Erbringung der Leistung muß weggefallen sein, wobei unter causa hier nicht nur das Grundgeschäft, sondern auch der rechtliche Erfolg zu verstehen ist, den die Zuwendung bezweckt hat (Wilburg in Klang a. a. O. 430 ff., der in diesem Punkte auch auf die Ansicht Piskos verweist).

Nach der gleichfalls von Wilburg an der angeführten Stelle zitierten Literatur ist eine Kondiktion dann gegeben, wenn jemand unter einer - ausdrücklichen oder stillschweigenden - Voraussetzung leistet, die sich nicht verwirklicht. Eine solche Voraussetzung ist gegeben, falls der Leistende einen Sachverhalt annimmt oder erwartet und, wenn er auch keine Bedingung stellt, bei Erbringung der Leistung oder nachträglich erkennen läßt, daß er ohne die Annahme oder Erwartung eines solchen Sachverhaltes nicht leisten würde. Hiebei kommt es aber auch darauf an, was der Leistende nach Treu und Glauben gegenüber dem Empfänger seiner Leistung vorauszusetzen berechtigt war.

Im vorliegenden Fall ist nun zu untersuchen, welchen Sachverhalt die Klägerin im Jahre 1939 anläßlich der Leistung aus ihrem Vermögen zum Zwecke der Enthaftung ihres Gatten angenommen und erwartet hat. Sie hat sicherlich angenommen und erwartet - und war zu dieser Annahme auch berechtigt -, daß ihr Gatte nach seiner auf Grund ihrer Leistung erfolgten Enthaftung mit ihr die Ehe fortsetzen werde. Dies hat er aber auch getan, er hat weiterhin mit ihr in harmonischer Ehe gelebt. Erst im Jahre 1943 ist die Ehe infolge der damaligen Umstände zerfallen, und ihr inzwischen ausgewanderter früherer Ehegatte hat eine andere Frau geheiratet.

Der Rechtsgrund der Leistung der Klägerin im Jahre 1939 wäre nur dann weggefallen, falls die Klägerin damals die Leistung zur Befreiung ihres Gatten aus der Gestapo-Haft trotz der sich aus § 44 ABGB. ergebenden Beistandspflicht verweigern hätte können, wenn sie nicht annehmen hätte können, daß ihre Ehe niemals zerfallen werde. Eine solche Annahme ist aber praktisch unmöglich, denn bei einer noch so harmonischen Ehe kann niemals mit voller Sicherheit ausgeschlossen werden, daß sie nicht doch infolge irgendwelcher, sich in der Zukunft ergebender Umstände einmal auseinandergehen könnte. Es kann daher auch nicht ein Ehepartner deshalb, weil man nie wissen kann, ob die derzeit harmonische Ehe nicht doch später einmal zerfallen könnte, eine zur Errettung des anderen Ehepartners erforderliche Leistung, zu der er gemäß § 44 ABGB. verpflichtet ist, verweigern.

Daraus ergibt sich aber, daß dann, wenn die nach der Leistung der Gattin im Jahre 1939 noch mehrere Jahre harmonische Ehe später doch zerbrochen ist, der auf § 44 ABGB. beruhende Rechtsgrund für die seinerzeitige Leistung der Gattin zwecks Befreiung ihres Gatten aus der mit Lebensgefahr für ihn verbundenen Gestapohaft nicht weggefallen ist. Denn die Annahme, daß die damals harmonische Ehe auch in der Zukunft niemals auseinandergehen werde, konnte als der praktischen Lebenserfahrung widersprechend nicht zur Voraussetzung dieser Leistung gemacht werden. Der Rechtsgrund für diese Leistung ist also durch den erst mehrere Jahre später erfolgten Zerfall der Ehe nicht weggefallen und der diesbezügliche Anspruch der Klägerin schon deshalb nicht begrundet, so daß auf die weiteren von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen nicht mehr einzugehen war.

In dieser Richtung war daher der Revision stattzugeben und das Klagebegehren hinsichtlich des Betrages von 30.000 S samt Anhang abzuweisen.

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