Spruch:
Der erbserklärte Erbe, dem die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde, ist ohne gerichtliche Genehmigung befugt, für die Verlassenschaft als Klägerin einen Kündigungsprozeß zu führen. Dem Verlassenschaftskurator hingegen steht diese Befugnis nur mit gerichtlicher Genehmigung zu.
Entscheidung vom 21. Dezember 1955, 7 Ob 554/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Gmunden; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung der im Hause L. Nr. 59 gelegenen Bäckerei, des Betriebes des Handels mit Zuckerwaren sowie der diesem gewidmeten Räumlichkeiten samt Inventar mit der Begründung für rechtswirksam, daß es sich um eine Unternehmenspacht handle, zu deren Aufkündigung es der Angabe von Kündigungsgrunden nicht bedürfe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs wendet sich gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß Franz St. als Verlassenschaftskurator und erbserklärter Erbe, dem vom Verlassenschaftsgericht die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde, berechtigt sei, ohne besondere Genehmigung des Verlassenschaftsgerichtes die Kündigung einzubringen. Wäre Rudolf St. nur Verlassenschaftskurator, bedürfte er gemäß § 129 AußStrG. allerdings einer solchen Genehmigung. Er ist aber nach der Feststellung des Berufungsgerichtes nicht nur Verlassenschaftskurator, sondern auch erbserklärter Erbe, dem die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde. Als solcher hat er weitergehende Befugnisse als der bloße Verlassenschaftskurator. Denn die Erben stellen, sobald sie die Erbschaft angenommen haben, in Rücksicht auf dieselbe den Erblasser vor (§ 547 ABGB.). Wurde ihnen vom Verlassenschaftsgericht die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen, können sie alle Rechte, die dem Erblasser zustanden, auch schon während der Abhandlungspflege ausüben, insoweit deren Ausübung durch das Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Eine solche Beschränkung besteht nach der Bestimmung des § 145 AußStrG. nur insoweit, als zur Veräußerung und Verpfändung von Verlassenschaftsgütern und Fahrnissen, zur Abtretung von Forderungen und zur Empfangnahme der von den Schuldnern einfließenden Gelder die Genehmigung des Abhandlungsgerichtes erforderlich ist. Die Befugnis der erbserklärten Erben, denen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde, gerichtliche Kündigungen einzubringen, ist dagegen durch keine gesetzliche Vorschrift eingeengt (3 Ob 299/53; ZBl. 1924 Nr. 170).
An der Befugnis des Rudolf St., für die Verlassenschaft den Kündigungsprozeß ohne besondere gerichtliche Genehmigung zu führen, wird auch durch den Umstand nichts geändert, daß das Haus, in dem sich die zum Bestandgegenstand gehörigen Räumlichkeiten befinden, Gegenstand eines Prozesses ist, den die Gattin des Beklagten gegen die klagende Partei auf Übergabe dieses Hauses angestrengt hat. Solange dieser Rechtsstreit nicht zugunsten der Gattin des Beklagten entschieden ist, gehört das Haus in die Verlassenschaft, und Rudolf St. ist als Repräsentant dieser Verlassenschaft formell befugt, das dem Eigentümer der Liegenschaft zustehende Kündigungsrecht hinsichtlich der die Liegenschaft betreffenden Bestandverträge auszuüben und den Kündigungsprozeß zu führen.
Daher trifft die Behauptung des Rekurswerbers nicht zu, daß der Rechtsstreit wegen mangelnder Klagsermächtigung im Sinne einer Abweisung der Klage spruchreif sei. Dies führt zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
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