OGH 2Ob668/55

OGH2Ob668/5516.11.1955

SZ 28/244

Normen

ABGB §1249
ABGB §1266
ABGB §1249
ABGB §1266

 

Spruch:

Bei Scheidung der Ehe kann der schuldlose Teil das für den Fall des Überlebens bedungene Aufgriffsrecht gemäß § 1266 ABGB., allerdings nur durch Übernahme zum Schätzwert, ausüben.

Entscheidung vom 16. November 1955, 2 Ob 668/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin und gefährdete Partei (in der Folge kurz Klägerin genannt), deren Ehe mit dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge kurz Beklagter genannt) rechtskräftig aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden wurde, macht mit der vorliegenden Klage das ihr im notariellen Ehe- und Erbvertrag vom 24. Jänner 1948 für den Fall des Vorablebens des Beklagten eingeräumte Aufgriffsrecht auf dessen Liegenschaftshälften unter Berufung auf § 1266 ABGB. bereits jetzt - also nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe - geltend. Sie begehrt Zug um Zug gegen Bezahlung des von ihr berechneten Wertes (des sogenannten "Bekenntniswertes") die Herausgabe der beiden halben Miteigentumsanteile des Beklagten an den oberwähnten Liegenschaften sowie einzelner im Klagebegehren angeführter Fahrnisse.

Mit dem Vorbringen, daß der Beklagte als ausgesprochener Trinker in jeder möglichen Form noch aus den Liegenschaften Kapital zu schlagen versuche, daß er Bäume geschlägert und diese veräußert habe, ebenso auch Teile der Ernte zu Spottpreisen abzustoßen versucht habe, um den Erlös zu vertrinken, und daher die Gefahr weiterer Veräußerungen, ja sogar grundbücherlicher Änderungen, bestehe, begehrt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Verbot der Veräußerung und Belastung der dem Beklagten gehörigen Liegenschaftshälften und durch Verbot der Veräußerung und Verpfändung beweglicher Sachen aller Art aus den genannten Liegenschaften.

Das Erstgericht hat diesen Antrag abgewiesen. Das sogenannte Aufgriffsrecht stelle sich seinem Wesen nach als eine von dem Ehegatten für den Fall seines Todes getroffene Verfügung darüber dar, wie nach seinem Tode die Erbteilung erfolgen solle, und sei ein Ausfluß des Rechtes des Ehegatten, mit seinem Vermögen bei Lebzeiten beliebig zu schalten. Gemäß § 1266 ABGB. bleiben aber Rechte aus einem Erbvertrage dem schuldlosen Ehegatten auf den Todesfall vorbehalten. Ebenso wie die Rechte aus dem Erbvertrag könne daher auch das Aufgriffsrecht erst geltend gemacht werden, wenn der Erbfall eingetreten sei.

Das Rekursgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung bewilligt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Einräumung eines Aufgriffsrechtes nicht Gegenstand des Erbvertrages sei und daher der Klägerin als dem an der Scheidung schuldlosen Teile gemäß § 1266 ABGB. schon jetzt das auf den Fall ihres Überlebens bedungene Aufgriffsrecht zukomme, steht mit der herrschenden Lehre und Praxis nicht im Widerspruch. Zutreffend verweist das Rekursgericht in diesem Zusammenhange auf die Entscheidung 2 Ob 596/53, in welcher dieser Grundsatz zum Ausdruck kommt.

Da Gegenstand des Erbvertrages gemäß § 1249 ABGB. nur die Erbeinsetzung sein kann und das Aufgriffsrecht keine Erbeinsetzung, sondern nur eine von den Parteien vorgesehene Art der Teilung des Vermögens ist (vgl. auch Weiß in Klang 2. Aufl. V 911 zu § 1249 ABGB.), kann es gar nicht Gegenstand eines Erbvertrages sein.

Auch die vom Revisionsrekurs ins Treffen geführten Billigkeitserwägungen können seinem Standpunkt nicht zum Erfolg verhelfen. Denn abgesehen davon, daß nur der Wortlaut und Sinn des Gesetzes und nicht Billigkeitserwägungen für die Entscheidung dieser Frage maßgebend sein können, würde es sogar höchst unbillig sein, den schuldlos geschiedenen Ehegatten mit seinem Aufgriffsrechte auf den Tod des anderen Ehegatten warten zu lassen, der infolge seines freien Verfügungsrechtes über sein Vermögen gemäß § 1252 ABGB. in der Lage wäre, dieses Aufgriffsrecht des schuldlos geschiedenen Eheteiles wertlos zu machen. Wenn ein Ehegatte aber die dem § 1266 ABGB. entsprechenden Folgen eines ausbedungenen Aufgriffsrechtes vermeiden will, so darf er eben ein solches Aufgriffsrecht dem anderen Ehegatten nicht einräumen.

Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß mit Rücksicht auf die verschiedenen Auffassungen über die Wirkungen der Gütergemeinschaft gemäß § 1236 ABGB. der klagenden Partei die Sicherung ihrer behaupteten Ansprüche durch die beantragte einstweilige Verfügung nicht verwehrt werden kann.

Schließlich haben beide Untergerichte auf Grund des von ihnen als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes zutreffend die gemäß § 381 EO. hinreichende objektive Gefährdung bejaht.

Das Rekursgericht hat den Anspruch deshalb nicht als ausreichend, bescheinigt angesehen, weil das Klagebegehren abgewiesen werden müßte, wenn das Erstgericht auf Grund des zu ermittelnden Schätzwertes der Liegenschaftshälften des Beklagten zur Annahme einer höheren Gegenleistung als des von der klagenden Partei mit 18.633 S 01 g angegebenen Bekenntniswertes gelangen würde. Es hat deshalb die beantragte einstweilige Verfügung gemäß § 390 Abs. 1 EO. nur gegen Erlag einer von ihm nach dem im Gesetze vorgesehenen freien Ermessen mit 4000 S bestimmten Sicherheit bewilligt.

Wenn der Revisionsrekurs diesbezüglich beantragt, die Sicherheit jedenfalls "erheblich" zu erhöhen, so kann er schon deshalb keinen Erfolg haben, weil seinem Begehren die erforderliche Bestimmtheit fehlt. Denn wenn auch ein Rekursantrag nicht unbedingt erforderlich ist, so muß sich doch aus dem Inhalte des Rekurses das Begehren eindeutig erschließen lassen. Diesem Erfordernis genügt aber der vorliegende Revisionsrekurs hinsichtlich der Höhe der Kaution nicht.

Im übrigen hat das Gericht gemäß § 390 Abs. 1 EO. die Sicherheit nach freiem Ermessen zu bestimmen; es bedarf hiebei nicht besonderer Erhebungen über die mögliche Höhe eines der beklagten Partei eventuell drohenden Schadens, zumal später immer noch die Möglichkeit einer Erhöhung der Kaution gegeben ist, wenn sie sich als unzureichend herausstellen sollte (vgl. 3 Ob 662/53 und 1 Ob 261/54).

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