OGH 3Ob500/55

OGH3Ob500/5512.10.1955

SZ 28/224

Normen

UrhG §1
UrhG §6
UrhG §1
UrhG §6

 

Spruch:

Die bloße Zusammenstellung von Sammlungen ist keine urheberrechtlich geschützte Leistung.

Entscheidung vom 12. Oktober 1955, 3 Ob 500/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrt im Klagswege, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Verkauf und sonstigen Vertrieb des Buches "Jahrbuch der österreichischen Filmwirtschaft 1955" zu unterlassen und sämtliche von ihr oder zu ihrer Disposition gehenden Exemplare dieses Buches zu vernichten. Unter Bezugnahme auf die vorgelegten Bescheinigungsmittel beantragte er gleichzeitig die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei auf Unterlassung des Verkaufes und sonstigen Vertriebes dieses Buches der Gegnerin der gefährdeten Partei verboten werden solle, das Buch im geschäftlichen Verkehr zu vertreiben oder durch dritte Personen oder Stellen vertreiben zu lassen. Die einstweilige Verfügung ist auf die §§ 6 und 81 UrhG. gestützt. Der Kläger behauptet, er sei der Herausgeber des österreichischen Filmalmanachs, eines jährlich erscheinenden Handbuches, in dem in methodischer Anordnung Zusammenstellungen aller wissenswerten Daten der Filmbranche enthalten seien, verbunden mit einschlägigen Beiträgen und Werbeanzeigen. Der klägerische Filmalmanach sei im März 1955 erschienen. Im August 1955 habe die Beklagte ein "Jahrbuch der österreichischen Filmwirtschaft" herausgebracht. Der Filmalmanach genieße nach § 6 UrhG. Schutz. Das von der Antragsgegnerin herausgegebene Werk müsse teilweise als Nachahmung bezeichnet werden. Der Titel, die Anordnung des Inhaltes der wichtigsten Zusammenstellungen sowie die mit verändertem Obertitel erscheinenden Zusammenstellungen seien gleich. Die Gegnerin der gefährdeten Partei habe auch aus früheren Auflagen Beiträge übernommen. Sie habe die Zusammenstellungen teilweise glatt abgeschrieben, was sich aus der Aufnahme einzelner Fehler und Nichtbeachtung seitheriger Änderungen ergebe.

Das Erstgericht bewilligte die einstweilige Verfügung. Es sei bescheinigt, daß kein ähnliches Filmtaschenbuch in der Nationalbibliothek aufliege und der Antragsteller das Jahrbuch seit 1949 herausgebe. Das Jahrbuch der Gegnerin der gefährdeten Partei sei erstmalig 1955 erschienen. Ein Vergleich des Inhaltes lasse die Behauptung des Antragstellers, daß die Antragsgegnerin die Auswahl und Zusammenstellung dem klägerischen Buch entnommen habe, glaubhaft erscheinen.

Gegen die einstweilige Verfügung erhob die Gegnerin der gefährdeten Partei Widerspruch und Rekurs.

Das Rekursgericht änderte den erstinstanzlichen Beschluß dahin ab, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde. Mögen auch die Voraussetzungen für einen Schutz nach § 6 UrhG. für das Werk des Klägers bestehen, so könne dies doch dahingestellt bleiben, weil ein urheberrechtlicher Eingriff der Antragsgegnerin in ein allfälliges Ausschließungsrecht des Antragstellers nicht bescheinigt sei. Das Sammelwerkurheberrecht hindere dritte Personen nicht, einzelne Sammelwerkbeiträge mit neuen Beiträgen und unter anderen Gesichtspunkten zu einem neuen Sammelwerk zusammenzustellen. Das neue Werk dürfe nur mit dem bestehenden Sammelwerk weder ganz noch teilweise die einen bestimmten Gesichtspunkt verratende Auswahl gemeinsam haben. Dies könne den vorliegenden Bescheinigungsmitteln nicht entnommen werden. Diese Frage könnte nur ein Sachverständiger klären. Der Kläger habe aber von der Möglichkeit der Vorlage urkundlicher Angaben eines Sachverständigen zur Glaubhaftmachung der behaupteten Urheberrechtsverletzung keinen Gebrauch gemacht.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das gemeinsame Merkmal, das die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werke der Literatur und Kunst verbindet, liegt darin, daß sie eigentümliche geistige Schöpfungen sein müssen. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß es unter einem Werk nur das Ergebnis einer schöpferischen geistigen Tätigkeit versteht, das seine Eigenheit, die es von anderen Werken unterscheidet, aus der Persönlichkeit seines Schöpfers empfangen hat. Mit den Worten "eigentümlich geistige Schöpfung" wird betont, daß die Persönlichkeit des Urhebers, die Einmaligkeit seines Wesens, in der Schöpfung so zum Ausdruck kommen müsse, daß auch dieser dadurch der Stempel der Einmaligkeit und der Zugehörigkeit zu ihrem Schöpfer aufgeprägt wird. Ergebnisse geistiger Arbeit, die den im § 1 UrhG. aufgestellten Erfordernissen nicht gerecht werden, genießen keinen urheberrechtlichen Schutz. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist daher stets streng zu prüfen, wenn es sich um die Frage handelt, ob ein schutzfähiges Werk vorliegt (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend den Entwurf des Urheberrechtsgesetzes, Nr. 64/Ge der Beilagen - Haus der Bundesgesetzgebung).

Nicht jede aus verschiedenen Beiträgen zusammengestellte Sammlung ist deshalb ein Werk im Sinne des § 1 UrhG. In der auswählenden und sichtenden Tätigkeit, die der Herausgeber bei der Zusammenstellung einer Sammlung entfaltet, kann nicht eine urheberrechtlich in Betracht kommende Leistung erblickt werden, weil ihr das schöpferische Element fehlt. Eine solche liegt erst dann vor, wenn durch die planmäßige Zusammenstellung verschiedener Beiträge zu einem einheitlichen Ganzen ein Werk entsteht, das nach der Anordnung des Stoffes eine eigentümlich geistige Schöpfung im früher dargelegten Sinne darstellt. Selbst wenn die Anforderungen an die individuelle Leistung bei einem Sammelwerke nicht sehr hoch gestellt werden könnten, so kann die Anforderung doch nicht so gering sein, daß es an einer eigentümlich geistigen Schöpfung überhaupt mangelt.

Das Werk des Klägers stellt nun nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes eine solche eigentümlich geistige Schöpfung nicht dar. Der Gedanke, für eine bestimmte Branche die erforderlichen Daten in einem Jahrbuch zusammenzustellen, ist durchaus nicht neu. Im Gegenteil, solche Jahrbücher sind für verschiedene Branchen gebräuchlich. Selbst für die Filmbranche ist dieser Gedanke nicht neu. Es kann hier von der Behauptung der Antragsgegnerin, daß bereits vor 1938 in Österreich solche Jahrbücher erschienen sind, als einer im Rekursverfahren unzulässigen Neuerung abgesehen werden. Aus dem Almanach des Klägers selbst ergibt sich, daß solche Jahrbücher der Filmbranche in Deutschland in größerer Zahl erscheinen. Eine solche Zusammenstellung ist daher keine eigentümlich geistige Schöpfung des Klägers. Das gleiche gilt aber auch für den Inhalt des Buches. Im wesentlichen handelt es sich um eine Zusammenstellung von Behörden, Ämtern und Fachverbänden mit ihren Mitgliedern, die zum Großteil in anderen Werken bereits veröffentlicht oder doch unschwer zu erhalten sind. Bei der Zusammenstellung der Filmschaffenden handelt es sich um eine sicherlich mühsame, sichtende, vielleicht auch auswählende Tätigkeit des Herausgebers; sie ist aber ebenfalls keine eigentümlich geistige Schöpfung, da es sich auch hier um Daten handelt, die ohne weiteres zugänglich sind. Das gleiche gilt für die Zusammenstellung der Kinos in Österreich. Die Ausführungen über die Rohfilmmaterialien sind Reklameartikel, wie sie sich auch in sonstigen Fachzeitschriften finden. Bei Prüfung des klägerischen Werkes ist somit nirgends eine solche individuelle Leistung zu ersehen, die über die auswählende oder sichtende Tätigkeit hinausginge und als eigentümlich geistige Schöpfung im Sinne des § 1 UrhG., bezeichnet werden könnte. Ist aber ein urheberrechtlicher Schutz des klägerischen Buches nicht bescheinigt, kann die beantragte einstweilige Verfügung nicht erlassen werden.

Aber selbst dann, wenn man einen urheberrechtlichen Schutz des klägerischen Werkes annehmen wollte, ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß es an einer Bescheinigung mangelt, daß das Werk der Antragsgegnerin ganz oder teilweise nach den gleichen Gesichtspunkten angeordnet wurde wie das klägerische. Bei einem Vergleich der beiden Werke ist dies nicht ohne weiteres zu ersehen. Zur Klärung dieser Frage bedürfte es des Gutachtens eines Sachverständigen. Der Kläger hat aber entsprechende urkundliche Bescheinigungen nicht vorgelegt, so daß auch in diesem Falle der Antrag notwendigerweise abgewiesen werden müßte.

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