OGH 2Ob337/55

OGH2Ob337/5522.6.1955

SZ 28/167

Normen

ABGB §918
ABGB §922
ABGB §932
ABGB §1052
ABGB §918
ABGB §922
ABGB §932
ABGB §1052

 

Spruch:

Gewährleistungsansprüche oder auf Gewährleistung gegrundete Einwendungen können erst nach Übergabe des Kaufobjektes oder Annahmeverzug des Käufers erhoben werden. Vorher hat der Käufer gegenüber der Klage auf Zahlung die Einrede nicht gehöriger Erfüllung, diese aber ohne Rücksicht darauf, ob die Mangelhaftigkeit auf einem Mangel beruht, der nach Gewährleistungsgrundsätzen als Hauptmangel zu qualifizieren wäre.

Erheblicher Mehrverbrauch eines Motors an Treibstoff stellt einen Hauptmangel dar.

Entscheidung vom 22. Juni 1955, 2 Ob 337/55.

I. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht hat als erwiesen angenommen, daß der Beklagte mit dem Kläger am 14. März 1953 darüber handelseins wurde, vom Kläger den diesem gehörigen PKW Marke Chevrolet gegen Bezahlung eines Betrages von 25.000 S und Überlassung des dem Beklagten gehörigen Motorrades Marke DKW zu erwerben. Die beklagte Partei hat gegen den Anspruch des Klägers auf Vertragserfüllung unter anderem eingewendet, daß der Kläger dem Beklagten zugesichert habe, daß der Wagen nicht mehr als 12 l Treibstoff auf 100 km verbrauche.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Was die vom Beklagten behauptete Zusage des Klägers betreffe, daß der Wagen nur 12 l Benzin für 100 km brauche, nahm das Erstgericht an, daß dem Beklagten der Beweis für die behauptete Garantie nicht gelungen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes wäre das erstinstanzliche Verfahren, soweit es sich um die behauptete Garantie für den Benzinverbrauch handelt, unvollständig, weil das Erstgericht es unterlassen habe, einen über diese Zusage des Klägers geführten Zeugen zu vernehmen. Das Berufungsgericht folgte auch dem Erstgericht nicht in der Auffassung, daß eine solche Zusage die innere Wahrscheinlichkeit gegen sich habe. Das Berufungsgericht nahm aber an, daß die Mängel der erstgerichtlichen "Beweiswürdigung" vernachlässigt werden könnten, weil der Beklagte, wegen Unrichtigkeit der allenfalls gemachten Zusage nur Preisminderung, nicht aber Wandlung begehren könne.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Berufungsgericht ist bei Beurteilung der Frage, ob es erforderlich sei, die vom Beklagten behauptete Garantie des Benzinverbrauches zu prüfen, ein Rechtsirrtum unterlaufen, und es leidet das Berufungsurteil, weil es zur Frage der Zusage nicht Stellung nimmt, an einem Feststellungsmangel. Das Berufungsgericht hält ein Eingehen auf die Frage, ob der Kläger für einen geringen Benzinverbrauch garantiert habe, für entbehrlich, weil selbst dann, wenn eine derartige Zusage gegeben worden sein sollte und ihr entgegen der Wagen mehr verbrauche, dies keinen Hauptmangel darstellen würde, daher nur Preisminderung, nicht aber Wandlung einredeweise geltend gemacht werden könnte.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Frage der Gebrauchstauglichkeit kann nicht darauf abgestellt werden, ob man mit einem Kraftfahrzeug überhaupt fahren kann, sondern nur, ob man es in einer wirtschaftlich vertretbaren Weise benützen kann. So hat der Oberste Gerichtshof beispielsweise in der Entscheidung 1 Ob 421/53 ausgesprochen, die Eigenschaft einer Maschine, einen Antriebsmotor von 28 PS zu benötigen, während der Verkäufer zusagte, es genüge ein Motor von 10 PS, stelle einen den ordentlichen Gebrauch hindernden und zugleich unbehebbaren Mangel dar. In Fällen, in denen die Benützbarkeit von einem größeren Aufwand an Betriebsmitteln abhängt, kommt es für die Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit auf den Umfang des Mehrverbrauches an. Wäre beispielsweise zugesagt, daß ein Kraftwagen für 100 km 12 l Treibstoff braucht, und brauchte er bei normalen Verhältnissen um 1 oder 2 l mehr, würde der Mangel der zugesagten Eigenschaft - sie sei denn zur Bedingung gemacht worden - noch nicht als Hauptmangel zu qualifizieren sein, gewiß aber dann, wenn der Kraftwagen beispielsweise 20 l oder mehr benötigte.

Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes konnten aber im vorliegenden Fall Gewährleistungsgrundsätze noch gar nicht herangezogen werden, ohne der Frage der Zusage, daß der Wagen nicht mehr als 12 l auf 100 km benötige, und bejahendenfalls der weiteren Frage der Zusagengemäßheit des Wagens näherzutreten. Gewährleistungsansprüche und auf Gewährleistung gegrundete Einwendungen können erst nach Übergabe des Kaufobjektes oder dann erhoben werden, wenn der Käufer in Annahmeverzug geraten, somit die Gefahr auf den Käufer übergegangen ist. Angebot einer Sache, die einer zugesagten Eigenschaft ermangelt, vermag Annahmeverzug nicht zu begrunden. Ist die Ware noch nicht übergeben und fällt dem Käufer auch nicht Annahmeverzug zur Last, weil eben der Kaufgegenstand die zugesicherten Eigenschaften nicht hat, dann hat der Käufer gegen den auf Zahlung des Kaufpreises klagenden Verkäufer die Einrede der nicht gehörigen Erfüllung, gleichviel, ob die nicht gehörige Erfüllung auf dem Mangel einer Eigenschaft beruht, die nach Gewährleistungsgrundsätzen einen Hauptmangel bilden würde oder nicht (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 216 ff.). Die Beweislast für die Vertrags (zusagen)mäßige Beschaffenheit hat in einem solchen Fall der Kaufpreiskläger (vgl. RGZ. 66 Nr. 65). Da das Berufungsgericht mit Recht einen Verfahrensmangel in der Nichtaufnahme aller für die Übernahme einer Garantie angebotenen Beweise erblickte und nur wegen einer vom Obersteen Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht die Behebung dieses Mangels unterlassen und zur Frage der Zusage nicht Stellung genommen hat, leidet das Berufungsurteil, wie bereits erwähnt, an einem Feststellungsmangel.

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