OGH 1Ob267/55

OGH1Ob267/551.6.1955

SZ 28/143

Normen

ABGB §906
ABGB §1438
ZPO §391
ZPO §393
ZPO §410
ABGB §906
ABGB §1438
ZPO §391
ZPO §393
ZPO §410

 

Spruch:

Erklärt der Kläger sich in der Klage bereit, an Stelle der begehrten Leistung einen Geldbetrag entgegenzunehmen, kann der Beklagte statt der Zahlung auch Gegenforderungen aufrechnungsweise entgegensetzen.

Entscheidung vom 1. Juni 1955, 1 Ob 267/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger begehrt, den Beklagten zur Lieferung von 9495 kg gerebeltem Mais, Qualität I a, als Pachtzins zu verurteilen, und fügt diesem Begehren bei, der Beklagte könne sich durch Zahlung eines Betrages von 18.515 S 25 g von der Schuld befreien.

Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Er macht Gegenforderungen im Betrage von 27.073 S 16 g, 111.252 S und 35.000 S geltend.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger Zug um Zug gegen Übergabe einer Zessionserklärung, betreffend eine Forderung des Klägers gegen die Firma L. & Co. für Holzlieferung in der Höhe von 35.000 S, 9495 kg gerebelten Mais, Qualität I a, zu liefern, und sprach aus, daß sich der Beklagte durch Zahlung eines Betrages von 18.515 S 25 g von der Pflicht zur Lieferung befreien könne. Es stellte fest, daß die Streitteile hinsichtlich der landwirtschaftlichen Grundstücke des Gutes des Klägers für das Wirtschaftsjahr 1951/52 und das Wirtschaftsjahr 1952/53 eine Vereinbarung dahin getroffen haben, daß der Beklagte für die Benützung dieser Grundstücke eine jährliche Entschädigung von 15.000 kg Mais an den Kläger zu leisten hat, welche Menge für das erste Wirtschaftsjahr auf 12.000 kg reduziert wurde; daß auf den für das zweite Wirtschaftsjahr zu liefernden Mais von 15.000 kg auf Grund der früheren mündlichen Vereinbarung und der Vereinbarung vom 11. Dezember 1952 der Beklagte eine Teillieferung von 5505 kg geleistet hat und daß die Restlieferung von 9495 kg noch ausständig ist; daß zwischen den Parteien am 11. Dezember 1952 eine Generalbereinigung aller Ansprüche des Beklagten aus angeblichen Gegenforderungen gegen den Kläger erfolgt ist und daß sich bei der Vereinbarung am 11. Dezember 1952 der Kläger zur Übergabe einer Zessionserklärung, betreffend eine Forderung gegen L. & Co., lautend auf 35.000 S, verpflichtet hat.

In rechtlicher Beziehung meinte das Erstgericht, daß die Gegenforderungen durch die Generalbereinigung vom 11. Dezember 1952 befriedigt seien. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, fehle es aber für die Aufrechnung an der Gleichartigkeit von Klage- und Gegenforderungen.

Der Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht in der Hauptsache dahin Folge, daß es die Bedingung der Zug um Zug-Leistung aus dem Urteil ausschaltete. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die erstrichterlichen Feststellungen darüber, daß zweimal 15.000 kg Mais geschuldet und noch 9495 kg rückständig seien. Die Möglichkeit einer Aufrechnung verneinte es aus rechtlichen Gründen und ging daher auf die hinsichtlich der Feststellungen über die Generalbereinigung am 11. Dezember 1952 vom Beklagten vorgetragenen Berufungsgrunde nicht ein.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Erklärung des Klägers in der Klage, einen Abfindungsbetrag statt der begehrten Leistung annehmen zu wollen, ist eine Prozeßhandlung, aber gleichzeitig die privatrechtlich bindende Einräumung einer Abfindungsbefugnis an den Beklagten, sich durch Leistung eines Abfindungsbetrages seiner Verbindlichkeit und ihrer zwangsweisen Durchsetzung entziehen zu können (§ 410 ZPO.; Pollak, System, 2. Aufl. I S. 391). Die Abfindungsbefugnis kann nicht auf die Zeit nach der Urteilsfällung beschränkt werden; sie entsteht vielmehr bereits damit, daß die Erklärung, einen Abfindungsbetrag annehmen zu wollen, dem Beklagten zukommt. Es wäre unverständlich, wenn nicht der Beklagte durch Zahlung der Abfindungssumme dem weiteren Prozeß entgehen könnte (Petschek, die Abfindung des materiellen Klagsanspruches, S. 18 f.). Nimmt man an, daß dem Beklagten auch schon während des Prozesses die Abfindungsbefugnis zusteht, so kann er auch statt der Zahlung der Klagsforderung Gegenforderungen aufrechnungsweise entgegensetzen (Gschnitzer in Klang 2. Aufl. VI 508; Staudinger-Werner, Kommentar zum BGB., 9. Aufl. II/1 S. 744). Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Einer ausdrücklichen Erklärung, von der Abfindungsbefugnis Gebrauch zu machen, bedurfte es dabei nicht, weil die Aufrechnungserklärung in gleicher Weise wie die Zahlung des Abfindungsbetrages schlüssig zum Ausdruck bringt, daß der Beklagte von der Abfindungsbefugnis Gebrauch macht. Aus den in der Revisionsbeantwortung bezogenen Entscheidungen ZBl. 1923 Nr. 205, ZBl. 1930 Nr. 5 und ZBl. 1934 Nr. 327 läßt sich für diesen Fall nichts ableiten, weil dort der Klagsanspruch unbegrundet und damit die Abfindungsbefugnis gegenstandslos war, während hier die Untergerichte den Klagsanspruch als zu Recht bestehend erachteten.

Der Revision war daher Folge zu geben, das Urteil des Berufungsgerichtes, das sich, von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung ausgehend, mit den Berufungsgrunden hinsichtlich der Gegenforderungen nicht befaßt hat, aufzuheben und die Rechtssache an dieses Gericht zurückzuverweisen.

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