OGH 2Ob209/55

OGH2Ob209/5525.5.1955

SZ 28/141

Normen

ABGB §825
ABGB §1090
Mietengesetz §19
Mietengesetz §21
ABGB §825
ABGB §1090
Mietengesetz §19
Mietengesetz §21

 

Spruch:

Legitimation zur Kündigung einer Wohnung in einem über zwei in verschiedenem Eigentum stehenden Häusern aufgestockten Aufbau.

Entscheidung vom 25. Mai 1955, 2 Ob 209/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin war Eigentümerin der nebeneinander gelegenen Häuser in Wien XVIII., W.-Straße Nr. 5 und 7, und ist noch heute Eigentümerin des Hauses Nr. 7. Das Nebenhaus Nr. 5 hat sie im Jahre 1952 an Marie St. verkauft, deren Eigentumsrecht bücherlich einverleibt wurde.

Beide Häuser haben einen gemeinsamen Aufbau (2. Stock), der noch zu einer Zeit errichtet wurde, da das Eigentum an ihnen in einer Hand vereinigt war. Der Aufbau enthält auch nur eine einzige Wohnungseinheit, die fünf Zimmer und Nebenräume umfassende Hauseigentümerwohnung, die von der Klägerin bewohnt wurde und wird und von der sie einen Teil im Jahre 1938 an die Beklagte vermietet hat.

Bei Errichtung des Aufbaues hat man darauf, daß er sich über zwei Gebäude erstreckt, nicht Bedacht genommen. Der Aufbau enthält keine Trennungsmauer, die Trennungslinie zwischen den beiden Häusern durchschneidet vielmehr die Küche und das (von den Streitteilen gemeinsam benützte) Vorzimmer der aufgestockten Wohnungseinheit. Der an die Beklagte vermietete Teil dieser Wohnung liegt im wesentlichen über dem nunmehr abverkauften Haus Nr. 5, er reicht aber auch in das Haus Nr. 7 hinüber (Küche, Vorzimmer) und ist überdies nur von diesem Haus aus zugänglich.

Anläßlich des Hausverkaufs im Jahre 1952 sagte die Klägerin der Käuferin zu, ihr den von der Beklagten benützten Teil der Hauseigentümerwohnung freizumachen. Aus diesem Grund ließ sie sich auch von der Käuferin auf Räumung der gesamten Hauseigentümerwohnung klagen und anerkannte den Klagsanspruch in der Meinung, die Beklagte auf diese Weise aus der Wohnung entfernen zu können. Der daraufhin von Marie St. eingeleiteten Räumungsexekution trat jedoch die Beklagte mit einer Widerspruchsklage entgegen. Sie hatte Erfolg, weil die konform erflossenen und in Rechtskraft erwachsenen Urteile der Untergerichte den Standpunkt einnahmen, daß das im Jahr 1938 mit der Beklagten eingegangene Bestandverhältnis erst aufgekundigt werden müsse.

Nunmehr kundigte die Klägerin der Beklagten den von dieser benützten Wohnungsteil unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 19 Abs. 2 Z. 12 und Abs. 6 MietG. auf.

Das Erstgericht hat die Aufkündigung aufgehoben, das Berufungsgericht hat bestätigt und die Revision zugelassen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und hob die Urteile beider Unterinstanzen auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Beide Untergerichte haben sich mit dem geltend gemachten Kündigungstatbestand nicht näher auseinandergesetzt, weil sie der Klägerin schon die aktive Klagslegitimation absprachen. Marie St. sei als bücherliche Eigentümerin gemäß § 1120 ABGB. in das Bestandverhältnis (mit der Beklagten) insoweit eingetreten, als es die über dem abverkauften Haus Nr. 5 gelegene Wohnfläche erfaßt. Der über dem Nebenhaus gelegene Teil des Bestandobjektes sei ganz unwesentlich und einer selbständigen Aufkündigung nicht fähig:

außerdem würde die gegebene räumliche Anordnung einer von der Klägerin allein ausgehenden Teilkündigung entgegenstehen. Das Erstgericht hat noch hinzugefügt, daß auch das im vorerwähnten Räumungsprozeß ergangene Anerkenntnisurteil der Klägerin die aktive Klagslegitimation genommen habe.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes sind diese Erwägungen nicht stichhältig. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Verkauf des Hauses Nr. 5 ein selbständiges, getrenntes Eigentum (der Klägerin einerseits und der Marie St. anderseits) an der über beiden Häusern gelegenen Wohnungseinheit gar nicht schaffen konnte (hiezu Klang 2. Aufl. III 1128). Die Klägerin und Marie St. sind daher durch den Hausverkauf hinsichtlich der auf beiden Häusern aufgebauten, ungeteilt gebliebenen Wohnungseinheit in eine nach § 825 ff. ABGB. zu beurteilende Rechtsgemeinschaft getreten, und die Frage geht nur dahin, ob die Klägerin auch allein zur Aufkündigung legitimiert sei. Diese Frage ist zu bejahen, weil die Klägerin von Marie St. mit der Hausverwaltung betraut ist und Marie St. außerdem mit aller Deutlichkeit zu erkennen gegeben hat, daß sie eine Entfernung der Beklagten aus der Hauseigentümerwohnung wünscht (hiezu Klang in JBl. 1949 S. 380 ff.).

Daran kann auch das Ergebnis des vorangegangenen Räumungsprozesses (4 C 242/53 des Erstgerichts) nichts ändern, weil Marie St. erwiesenermaßen in die Rechte der Klägerin gar nicht eingreifen, sondern nur die Beklagte aus der Wohnung entfernen wollte, die Beklagte ihrerseits aber eine Vollstreckung des Räumungsurteils abzuwehren wußte.

Demnach erscheint die bestrittene Aktivlegitimation der Klägerin gegeben. Das Problem einer undurchführbaren Teilkündigung taucht gar nicht auf, die Klägerin ist vielmehr bei der gegebenen Sachlage zur Aufkündigung des gesamten, von der Beklagten benützten Wohnungsteils berechtigt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte