Normen
ABGB §918
ABGB §932
HGB §373
HGB §377
HGB §378
HGB §379
ABGB §918
ABGB §932
HGB §373
HGB §377
HGB §378
HGB §379
Spruch:
Mangelhafte Erfüllung - Nichterfüllung eines Kaufvertrages. Kein Recht des Käufers auf Wandlung im Falle eines unberechtigten Notverkaufs.
Entscheidung vom 11. Mai 1955, 7 Ob 215/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Betrages von 2008 S 90 g. Dieser Betrag stellt die Differenz dar zwischen dem Betrag von 6965 S 40 g, den der Beklagte für die Lieferung von Grubenholz von einem Akkreditiv des Klägers behoben hatte, und dem Erlös von 4956 S 50 g, den der Kläger bei dem Verkauf des Holzes in Deutschland erzielen konnte, nachdem die deutsche Firma, der der Kläger das Holz anlieferte, dieses als unbrauchbar dem Kläger zur Verfügung gestellt hatte.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest, daß der Holzlieferungsvertrag zwischen dem Holzübernehmer des Klägers B. und dem Beklagten tatsächlich abgeschlossen und zur Bezahlung des Holzes ein Akkreditiv des Klägers auf den Beklagten umgeschrieben wurde. Es stellte weiters fest, daß das Holz vom Wiederverkäufer in Deutschland bemängelt wurde und auch tatsächlich mangelhaft war, weil es nicht als gesund, gerade, entrindet und erstklassig angesprochen werden konnte, teilweise mit Rotstreif und Käfer befallen und auch mit Brennholz vermengt war. Das Erstgericht stellte aber auch fest, daß diese Mängel von B. bei der Übernahme in Sch. ohne weiteres feststellbar gewesen wären, wenn B. das Holz richtig geprüft hätte. Insbesondere hätte er ohne weiteres das Brennholz vom Grubenholz unterscheiden können, da das übernommene Holz zum Großteil gekappt war. Die vom Kläger erst nach Einlangen des Holzes in Deutschland am 19. September 1953 telegraphisch erhobene Mängelrüge sei daher gemäß § 377 HGB. verspätet.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf. Es übernahm die Feststellung des Erstgerichtes, daß zwischen den Streitteilen hinsichtlich des Holzes ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Es bezeichnete aber die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß § 377 HGB. anzuwenden sei, als rechtsirrig. Da der Beklagte zum Teil Brennholz geliefert habe, das nur für Heizzwecke zu verwenden und wesentlich billiger sei als Grubenholz, habe er die Genehmigung des Käufers auf keinen Fall annehmen können. Im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 378 HGB. wäre daher die Bestimmung des § 377 HGB. nicht anzuwenden. Das Erstgericht hätte daher zu prüfen, ob die Mängel in dem vom Kläger behaupteten Umfang tatsächlich gegeben waren, und hätte für den Fall, daß es die Forderung des Klägers ganz oder zum Teil als begrundet erachte, auch über die vom Beklagten geltend gemachte Gegenforderung zu entscheiden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, behob den Beschluß des Berufungsgerichtes und trug diesem die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist mehr als fraglich, ob man überhaupt davon sprechen kann, daß der Beklagte eine andere als die bedungene Ware geliefert hat, wenn er statt des bestellten Grubenholzes teilweise Holz lieferte, das nur als Brennholz verwendbar ist. Denn sowohl beim Grubenholz wie auch beim Brennholz handelt es sich um Holzstämme, bei denen erst nach Absägen der Kopfenden (Kappen) festgestellt werden kann, ob es als Grubenholz oder nur mehr als Brennholz verwertbar ist. Es handelt sich hier um einen jener zahlreichen Grenzfälle, die die Ursache der weitgehenden rechtlichen Gleichstellung der Lieferung eines aliud mit der Lieferung einer mangelhaften Ware im § 378 HGB. waren (Düringer - Hachenburg, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. S. 357). Auf keinen Fall läßt sich sagen, daß der Beklagte die Genehmigung des Klägers als ausgeschlossen betrachten mußte, wenn sich unter den gelieferten Holzstämmen auch solche befanden, die für die Verwendung als Grubenholz nicht geeignet waren (der Kläger spricht von 7.35 fm Brennholz gegenüber einer Gesamtmenge von 23.15 fm Holz). Denn der zweite Halbsatz des § 378 HGB. kommt nur zur Anwendung, wenn die gelieferte Ware mit der bestellten gar nichts gemein hat und offensichtlich für den Zweck des Käufers ohne Bedeutung ist (Denkschrift zum zweiten Entwurf des HGB., abgedruckt bei Düringer - Hachenburg a. a. O. S. 364). Die Verschiedenheit der bestellten von der gelieferten Ware muß nach ihrer Beschaffenheit so erheblich sein, daß nach vernünftiger Auffassung der Sachlage ein Kaufmann mit dieser Ware einen Versuch, den Vertrag zu erfüllen, nicht machen würde und von dem Käufer ein Behalten der Ware als Vertragserfüllung nicht erwartet werden kann (3 Ob 311/52, Staub - Heinichen und Heinichen im Kommentar der Reichsgerichtsräte zu § 378 HGB.). Davon kann nun nicht gesprochen werden, wenn sich unter den gelieferten Baumstämmen auch solche befanden, die für den vorgesehenen Zweck als Grubenholz nicht mehr verwertbar waren.
Das Berufungsgericht übersieht aber auch, daß die Anwendung des zweiten Halbsatzes des § 378 HGB. mit dem vom Kläger eingenommenen Prozeßstandpunkt und seinem Verhalten vor Klagserhebung nicht vereinbar ist. Der Kläger begehrt Rückstellung eines Teiles des bezahlten Kaufpreises aus dem Gründe der Mangelhaftigkeit der Ware. Sein Begehren stellt also ein Verlangen auf Preisminderung, somit einen Gewährleistungsanspruch dar. Wenn aber wirklich eine Ware geliefert worden wäre, die von der Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte, wäre für die Erhebung eines solchen Gewährleistungsanspruches kein Raum. Denn in einem solchen Falle würde nicht eine mangelhafte Erfüllung, sondern eine Nichterfüllung des Vertrages vorliegen, deren Rechtsfolgen nicht nach Gewährleistungsgrundsätzen, sondern nach den allgemeinen Bestimmungen über entgeltliche Verträge und Geschäfte nach § 918 ff. ABGB. zu beurteilen wären (SZ. XXVII 334, Düringer - Hachenburg a. a. O. S. 360, Staub - Heinichen 14. Aufl. IV S. 307). Hätte also der Beklagte wirklich eine Ware geliefert, deren Genehmigung durch den Kläger er als ausgeschlossen betrachten mußte, hätte der Kläger das Begehren auf Erfüllung stellen oder aber vom Vertrage zurücktreten können. Beide Wege hat sich der Kläger allerdings dadurch versperrt, daß er die Ware nach Kenntnis der nicht ganz vertragsmäßigen Beschaffenheit weiterverkaufte. Dieser Weiterverkauf findet in der Bestimmung des § 379 Abs. 2 HGB. keine Grundlage, weil Holz keine Ware ist, die dem raschen Verderb ausgesetzt ist, weil auch keine Gefahr im Verzuge war und weil schließlich diese Gesetzesstelle für Platzgeschäfte - B. hatte die Ware an Ort und Stelle übernommen - keine Anwendung findet (Düringer - Hachenburg a. a. O. S. 369, Staub - Heinichen a. a. O. S. 314). Durch einen Notverkauf, für den die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen, verliert aber der Käufer das Recht auf Wandlung (Düringer - Hachenburg a. a. O. S. 375). Verfügt er über die Ware, verliert er, auch wenn er sich die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verkäufer vorbehalten hat, das Recht zur Geltendmachung derjenigen Ansprüche, die die Rückstellung der Sache zur Voraussetzung haben, also das Recht auf Rücktritt vom Vertrage und auf Lieferung mangelfreier Ware (Staub - Heinichen a. a. O. S. 310). Überdies hat der Einkäufer des Klägers das Holz übernommen und wurde dem Beklagten der Kaufpreis bezahlt. Dies schließt ein Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB. aus (vgl. SZ. XXIV 54, Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 210 Anm. 28, S. 217).
Aus all dem ergibt sich, daß der Kläger aus der Tatsache der mangelhaften Lieferung des Holzes, abgesehen von allfälligen Ansprüchen auf Ersatz eines vom Beklagten durch Verschulden verursachten Schadens, nur Gewährleistungsansprüche im Sinne des § 932 ABGB. auf Preisminderung und nur dann ableiten könnte, wenn er gemäß § 377 HGB. unverzüglich nach der Ablieferung die Ware untersucht und die dabei festgestellten Mängel gerügt hätte, oder aber die Mängel bei Übernahme nicht erkennbar gewesen waren.
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