OGH 1Ob136/55

OGH1Ob136/5520.4.1955

SZ 28/98

Normen

ABGB §36
ABGB §37
ABGB §905
ABGB §986
ABGB §1014
ABGB §36
ABGB §37
ABGB §905
ABGB §986
ABGB §1014

 

Spruch:

Ersatz der von der Schwester in der Schweiz für die Sendung von Liebesgabenpaketen an den Bruder in Österreich aufgewendeten Schweizer Franken-Beträge, wenn beide Teile Schweizer Staatsbürger sind. Anwendung des österreichischen Rechtes. Kursberechnung.

Entscheidung vom 20. April 1955, 1 Ob 136/55.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten, der Klägerin einen Betrag von 2989 S 75 g auf Sperrkonto zu bezahlen. Das Mehrbegehren der Klägerin in der Höhe von 7393.76 Schweizer Franken wurde abgewiesen. Der Beklagte, der Bruder der Klägerin, habe dieser in den Jahren 1941 bis 1944 an Studiengeldern einen Betrag von 13.470 RM von Bregenz in die Schweiz überwiesen, der ihr zum Kurs von 57.80 RM für 100 Schweizer Franken ausbezahlt worden sei. In derselben Zeit habe die Klägerin für den Beklagten in der Schweiz Waren um einen Betrag von 5437.28 Schweizer Franken gekauft und auf Grund der familiären Beziehungen 1500 Schweizer Franken ausgelegt. Da sich die Forderungen der Streitteile anläßlich der Abrechnung vom 11. November 1950 schon aufrechenbar gegenübergestanden seien und der Wille der Parteien offenbar auf gegenseitige Verrechnung gerichtet gewesen sei, könne die Klägerin ihre Auslagen nicht in Schweizer Franken, sondern zu dem Umrechnungsschlüssel von 57.80 : 100 ersetzt verlangen. Die beiden Frankenbeträge machten daher 3142 S 75 g und 867 S, zusammen 4009 S 75 g aus, von welchem Betrag 1020 S abzuziehen seien, die der Beklagte der Klägerin während des Krieges zwar überwiesen, aber nicht in Rechnung gestellt habe. Es ergebe sich der Betrag von 2989 S 75 g, der der Klägerin habe zugesprochen werden können.

Infolge Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß ihr 6767.28 Schweizer Franken auf Sperrkonto zum Kurs der Oesterreichischen Nationalbank am Vortag der Bezahlung zugesprochen wurden, das Mehrbegehren von 1124.77 Schweizer Franken aber abgewiesen wurde. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes habe ein Verrechnungsverhältnis zwischen den Parteien nicht bestanden. Denn die Studiengelder, die der Beklagte der Klägerin während des Krieges in die Schweiz überwiesen habe, hätten aus dem Erbteil der Klägerin nach dem Vater in der Höhe von 22.016.11 RM gestammt, und der Beklagte habe der Klägerin eine gewöhnliche Verwalterabrechnung über ein ihm anvertrautes Vermögen gelegt. Die Beträge in Schweizer Franken, die die Klägerin für die Warensendungen an den Beklagten verwendet habe, hätten aus dem eigenen Vermögen der Klägerin hergerührt, und müßten ihr nach § 1014 ABGB. ebenso wie nach Art. 402 SchwOblR. vom auftraggebenden Beklagten bar ersetzt werden. Diese Barauslagen hätten aus Schweizer Franken bestanden und seien daher als Geldschuld vom Beklagten der Klägerin an ihren Wohnort zu übermachen (§ 905 ABGB., Art. 74 SchwOblR.). Dasselbe gelte von den 1500 Schweizer Franken, die die Klägerin dem Beklagten als Darlehen gegeben habe. Von dem Gesamtbetrag von 6937.28 Schweizer Franken müßten aber noch 170 Schweizer Franken abgezogen weiden, der Gegenwert der 1020 RM, die der Beklagte der Klägerin zu wenig in Rechnung gestellt habe. Dabei habe der unbestrittene Kurs von 1 : 6 angewendet werden müssen. Der Restbetrag von 6767.28 Schweizer Franken gebühre der Klägerin.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber bemängelt die Feststellung des Berufungsgerichtes, daß der Klägerin für Warenlieferungen an den Beklagten Auslagen erwachsen seien, als aktenwidrig. Denn ein Teil der Auslagen der Klägerin beziehe sich auf die Lieferung von Liebesgabenpaketen, Bezahlung von Rechnungen und Übergabe von Barbeträgen. Von Aktenwidrigkeit kann indessen nicht die Rede sein, da das Berufungsgericht mit dem Ausdruck "Waren" nichts anderes als Besorgungen verschiedener Art bezeichnen wollte, die die Klägerin für den Beklagten vorgenommen hat. Ebenso bedeutungslos wie diese Bemängelung ist die Ausstellung, daß entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes nicht alle Aufwendungen der Klägerin für den Beklagten in dessen Auftrag vorgenommen worden seien. Denn wenn auch schriftliche Aufträge, für die Zeit vor dem Jahre 1943 nicht vorliegen mögen, ergibt sich doch aus der Korrespondenz mit Deutlichkeit, daß die Klägerin auch schon zu dieser Zeit den Auftrag des Beklagten hatte möglichst umfangreiche Einkäufe in der Schweiz vorzunehmen. Die Feststellung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin bei ihren Besorgungen Aufträge des Beklagten befolgt habe, ist daher nicht aktenwidrig. Dasselbe gilt von der weiteren Feststellung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin dem Beklagten einen Betrag von 1500 Schweizer Franken leihweise zur Verfügung gestellt habe. Das Erstgericht hatte nämlich als erwiesen angenommen, daß die Klägerin diesen Betrag dem Beklagten überlassen und in der Schweiz bar übergeben habe, wobei familiäre Beziehungen eine Rolle gespielt hätten. Entgegen der Meinung des Revisionswerbers können solche familiäre Beziehungen nicht dazu führen, daß derjenige, dem ein Betrag ohne sonstigen Rechtsgrund zur Verfügung gestellt wird, ihn etwa nicht zurückzuzahlen hätte und von einer leihweisen Hingabe nicht gesprochen werden gönnte. Was schließlich den angeblichen Rechenfehler beim Betrag von 1020 RM (statt 1320 RM) betrifft, der von der Klagssumme abgezogen worden ist, hat es der Revisionswerber unterlassen, diesen Mangel des erstgerichtlichen Urteils mit Berufung zu bekämpfen. Die Erwähnung in der Berufungsmitteilung genügte nicht, weil es sich um einen Gegenanspruch des Revisionswerbers handelt, der diesem mangels Bekämpfung des erstgerichtlichen Urteiles verlorengegangen ist.

In rechtlicher Beziehung ist die Frage zu beantworten, ob im Verhältnis der Streitteile, die Schweizer Staatsbürger sind, österreichisches oder Schweizer Recht anzuwenden sei. Nach § 36 ABGB. muß die Rechtssache nach österreichischem Recht beurteilt werden. Der Beklagte hatte seinen ständigen Wohnsitz in Bregenz, während sich die Klägerin in der Schweiz aufhielt. Der Auftrag zu den Einkäufen und Leistungen der Klägerin ging vom Beklagten aus, wurde aber nicht persönlich, sondern schriftlich erteilt. Das Geschäft kam mit der Annahme des Auftrages durch die Klägerin und dem Eintreffen der Annahmeerklärung beim Beklagten zustande. Als Ort des Vertragsabschlusses ist daher Bregenz anzusehen. Nach § 36 ABGB. muß in einem solchen Fall österreichisches Recht angewendet werden, da nicht bewiesen worden ist, daß die Parteien auf Schweizer Recht Bedacht nehmen wollten.

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß ein Verrechnungsverhältnis zwischen den Parteien überhaupt nicht bestanden hat. Der Beklagte hat die Studiengelder der Klägerin nicht aus seinem eigenen Vermögen, sondern aus deren Erbteil bestritten. Aus seiner Verrechnung vom 11. November 1950 ergibt sich, daß er, selbst wenn die einzelnen Beträge des Erbteiles nicht immer sogleich flüssig bereitgestanden sein sollten, doch gewillt war, die Studiengelder ohne Rücksicht darauf und ohne Forderung eines kurzfristigen Rückersatzes zu bezahlen. Die Meinung des Revisionswerbers, das Verfahren des Berufungsgerichtes sei mangelhaft geblieben, weil es ohne wie Erholung der Beweise von der gegenteiligen Feststellung des Erstgerichtes abgegangen sei, ist unzutreffend. Denn einerseits hatte das Erstgericht nur die Vermutung geäußert, daß der Wille beider Teile "offenbar" auch auf gegenseitige Verrechnung gerichtet gewesen sei. Andererseits mußte eine solche Feststellung belanglos werden, sobald das Berufungsgericht aus rechtlichen Gründen zur Überzeugung kam, daß eine verrechenbare Forderung des Revisionswerbers nicht bestanden habe.

Das Revisionsgericht folgt daher der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin ohne Rücksicht auf die ihr zugekommenen Studiengelder vom Beklagten den Rückersatz der von ihr in Schweizer Franken geleisteten Zahlungen aus dem Rechtsgrund des § 1014 ABGB. und der Darlehensrückzahlung fordern kann. Verjährt ist die Forderung nicht, denn für solche Ansprüche gilt die allgemeine dreißigjährige Verjährungsfrist. Es kann auch nicht gesagt werden, daß aus devisenrechtlichen Gründen der Umrechnungskurs herangezogen werden müßte, der zur Zeit gegolten hat, als die Klägerin ihre Leistungen erbrachte. Denn die in Schweizer Franken ausgedrückte Forderung der Klägerin bleibt bis zu ihrer Bezahlung von den Wechselfällen, die andere Währungen betroffen haben, unberührt. Es besteht kein Hindernis der Umrechnung des nach § 905 ABGB. in Schweizer Franken berechneten Forderungsbetrages in Schilling nach der der Bezahlung nächstvorausgegangenen Kursfestsetzung der Oesterreichischen Nationalbank (vgl. Art. 8 Nr. 8 der 4. EVzHGB.) und der Verurteilung des Beklagten zum Erlag auf Sperrkonto. Die Höhe des der Klägerin zustehenden Betrages von 6767.28 Schweizer Franken ergibt sich ohne Rücksicht auf die Feststellungen des Erstgerichtes aus den Erwägungen des Berufungsgerichtes. Auch der Betrag von 1020 RM, der vom Beklagten ursprünglich nicht verrechnet wurde, der Klägerin aber zugekommen ist, verändert die Auslagenforderung der Klägerin mit dem vom Beklagten angestrebten Umrechnungsbetrag von 2275.86 Schweizer Franken nicht. Denn auch die 1020 RM könnten nur auf die damit im Zusammenhang stehende restliche Erbteilsforderung der Klägerin angerechnet werden.

Was schließlich die Behauptung des Revisionswerbers betrifft, daß für Liebesgabenpakete aus der Schweiz während des Krieges kein Entgelt habe verlangt werden dürfen, könnte ein solches verwaltungsrechtliches Verbot, das dem Schleichhandel entgegenwirken sollte, das zugrunde liegende Rechtsgeschäft nicht unwirksam machen, denn der Zweck der Norm forderte den Eintritt dieser einschneidenden Rechtsfolge nicht.

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