OGH 1Ob131/55

OGH1Ob131/556.4.1955

SZ 28/93

Normen

Außerstreitgesetz §9
Entmündigungsordnung §1
Entmündigungsordnung §8
Entmündigungsordnung §56
Außerstreitgesetz §9
Entmündigungsordnung §1
Entmündigungsordnung §8
Entmündigungsordnung §56

 

Spruch:

Zur Frage der Vollmachtserteilung zur Vertretung im Entmündigungsverfahren durch den zu Entmundigenden.

Entscheidung vom 6. April 1955, 1 Ob 131/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Linz-Urfahr; II. Instanz: Landesgericht Linz - Nord.

Text

Mit Schreiben vom 17. Dezember 1954 teilte der Magistrat der Landeshauptstadt L. dem Erstgericht mit, Georg Heinrich B. habe 1951 einen Schlaganfall erlitten; er sei wegen körperlicher und geistiger Krankheit zur Besorgung seiner Angelegenheiten unfähig, es drohten ihn schwere finanzielle Nachteile. Es werde daher beantragt, das Entmündigungsverfahren einzuleiten. Der früher lange Zeit in seinem Geschäft tätig gewesene ehemalige Landesrat und Vizebürgermeister Emil G. sei bereit, die Stelle eines Kurators und schon jetzt die eines vorläufigen Beistandes zu übernehmen.

Ohne weiteres Verfahren leitete das Erstgericht mit Beschluß vom selben Tage das Entmündigungsverfahren ein und bestellte Emil G. zum vorläufigen Beistand.

Gegen diesen Beschluß langte ein von Rechtsanwalt Dr. Josef Z. namens des Georg Heinrich B. gezeichneter Rekurs ein, dem eine vom 21. Dezember 1954 datierte Vollmacht des Genannten beilag. Darin wird vorgetragen, eine Entmündigung sei nicht notwendig. Auch wenn sie stattfinden müsse, sei aber Emil G., der Bruder der geschiedenen Gattin des Georg Heinrich B., nicht zum Vertreter geeignet, weil mit ihm ernsthafte Zwistigkeiten bestunden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, hob den erstrichterlichen Beschluß auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es müsse Georg Heinrich B. gehört oder wenigstens ein ärztliches Zeugnis eingeholt werden. Auch eine Prüfung der im Rekurs gegen G. erhobenen Bedenken sei notwendig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Emil G. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Den rekursgerichtlichen Beschluß bekämpft der vom Erstgericht zum vorläufigen Beistand bestellte Emil G. mit Revisionsrekurs. Er trägt vor, die Vollmacht an Dr. Z. vom 21. Dezember 1954 sei ungültig, weil B. nicht verstehen habe können, was er unterschreibe. In Wahrheit seien die Mitgesellschafter des B. bemüht, die Entmündigung und die Bestellung des Emil G. zum vorläufigen Beistand zu hintertreiben, um B. in ihrer Hand zu behalten. Es sei ihnen gelungen, binnen neun Jahren seit ihrem Eintritt in das Geschäft B. konkursreif zu machen.

Der Revisionsrekurs ist nicht begrundet.

Gemäß § 8 Abs. 1 EntmO. ist ein vorläufiger Beistand zu bestellen, wenn es zum Schutze einer eigenberechtigten Person dringend notwendig ist. Vor der Bestellung eines vorläufigen Beistandes ist der Schutzbedürftige einzuvernehmen, wenn es ohne Beeinträchtigung des Zweckes geschehen kann (§ 8 Abs. 3 EntmO.). Da das Erstgericht ohne jeden ersichtlichen Grund diese Einvernahme unterlassen hat, ist die Aufhebung seiner Entscheidung durch das Rekursgericht schon deshalb berechtigt. Bei der Einvernahme des B. wird sich das Erstgericht auch ein Bild darüber zu machen haben, ob er überhaupt noch imstande war, zu erkennen, daß und zu welchem Zwecke er die Vollmacht vom 21. Dezember 1954 an Dr. Z. unterschrieben hat. Nur wenn er dies erkennen konnte, ist der Rekurs als in seinem Namen erhoben anzusehen. Es trifft zwar zu, daß im Entmündigungsverfahren der zu Entmundigende Anträge stellen und sich vertreten lassen kann (SZ. XIX 57, XXI 69); das letztere setzt aber voraus, daß er wenigstens erkennt, daß und zu welchem Zwecke er Vollmacht erteilt hat. Bei offenkundiger Unfähigkeit zu dieser Erkenntnis wird die Bevollmächtigung nicht als wirksam anerkannt werden können. Falls der Rekurs wirksam erhoben ist, muß auch noch in der im Verfahren wegen Bestellung eines vorläufigen Beistandes gebotenen Kürze untersucht werden, ob G. im Hinblick auf das beiderseitige Vorbringen der geeignete Beistand ist oder ob nicht etwa zumindest zunächst als vorläufiger Beistand eine völlig unbeteiligte dritte Person vorzuziehen wäre.

Dem unbegrundeten Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

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