OGH 2Ob952/54

OGH2Ob952/5423.3.1955

SZ 28/81

Normen

ABGB §141
ABGB §143
Notariatszwangsgesetz §1 Abs1
ABGB §141
ABGB §143
Notariatszwangsgesetz §1 Abs1

 

Spruch:

Eine Vereinbarung zwischen geschiedenen Ehegatten, durch die die geschiedene Ehefrau die Versorgung eines Kindes, zu dessen Unterhalt sie nicht verpflichtet ist, übernimmt und auf Rückersatz gegenüber dem unterhaltspflichtigen Vater verzichtet, bedarf eines Notariatsaktes.

Entscheidung vom 23. März 1955, 2 Ob 952/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Ehe der Streitteile wurde geschieden. Aus der Ehe stammen zwei Kinder, ein Sohn Peter und eine Tochter Ulrike. Anläßlich der Scheidung wurde vereinbart, daß die Streitteile gegenseitig auf Unterhaltsansprüche verzichten und daß der Sohn Peter in Erziehung und Verpflegung der Beklagten und die Tochter Ulrike in Erziehung und Verpflegung des Klägers zu verbleiben habe. Der Kläger wurde durch einen Beschluß des Vormundschaftsgerichtes vom 22. Jänner 1954 verpflichtet, für seinen Sohn Peter einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 234 S zu bezahlen. Er bezahlte an die Beklagte auf Grund des erwähnten Beschlusses des Vormundschaftsgerichtes Unterhaltsbeträge von zusammen 624 S 65 g. Er behauptet, daß er mit der Beklagten vereinbart habe, daß jeder der Streitteile für den Unterhalt des ihm zur Erziehung übergebenen Kindes aufzukommen habe, und daß sich die Beklagte verpflichtet habe, ihm alles zu ersetzen, was er auf Grund des gerichtlichen Beschlusses zum Unterhalt des Sohnes leisten werde. Die Beklagte habe ihm lediglich einen Betrag von 250 S zurückgezahlt, so daß er ihre Verurteilung zur Bezahlung eines Betrages von 374 S 65 g begehre.

Das Erstgericht erachtete den Beweis, daß eine Vereinbarung über die Änderung der Reihenfolge der Unterhaltspflicht zustande gekommen sei, als nicht erbracht und wies das Klagebegehren ab das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren nach Wiederholung des Beweisverfahrens statt. Es nahm als erwiesen an, daß die Streitteile nach der Scheidung vereinbart hätten, daß jeder Teil selbständig für den Unterhalt des bei ihm verbleibenden Kindes aufzukommen habe.

Der Oberste Gerichtshof hat das Ersturteil wiederhergestellt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 141 ABGB. trifft die Pflicht, für den Unterhalt der ehelichen Kinder zusorgen, vorzüglich den Vater vor der Mutter. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes AmtlSlg. 1904 wurde ausgesprochen, daß einer teilweisen Überwälzung der Unterhaltspflicht auf die Mutter in einem Scheidungsübereinkommen nichts im Wege stehe, ein solches Übereinkommen bedürfe jedoch der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Zulässig ist es auch, daß sich ein Dritter, umso mehr also die Mutter, gegenüber dem unterhaltspflichtigen Vater zur Leistung des Unterhaltes für ein Kind verpflichtet. Wenn dieser Dritte aus moralischen Gründen zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist, wie etwa der natürliche, Vater gegenüber demjenigen, der auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen als Vater zu gelten hat, so liegt auch kein Schenkungsversprechen vor (SZ.XVI 111). Zwischen geschiedenen Ehegatten ist auch ohne pflegschaftsbehördliche Genehmigung eine Vereinbarung möglich, daß die Gattin die Versorgung eines mj. Kindes auf sich nimmt und auf einen Rückersatz verzichtet, soweit die gegenseitigen Ansprüche der Eltern in Frage kommen. Wenn sie jedoch selbst zum Unterhalt des Kindes nicht verpflichtet wäre, so würde eine solche Verzichtserklärung eine unentgeltliche Vermögenszuwendung an den unterhaltspflichtigen Vater darstellen (vgl. ZBl. 1931 Nr. 34). Das Berufungsgericht verneint, daß die Gegenleistung des Klägers darin bestehe, daß sie für beide Teile eine Änderung der Unterhaltspflicht bewirke. Die Reihenfolge der Unterhaltsverpflichtung ist im § 141 ABGB. festgelegt. Die Mutter trifft die Unterhaltspflicht nur dann, wenn der Vater mittellos ist (§ 143 ABGB.). Die Gegenleistung des Klägers müßte daher darin bestehen, daß er der Beklagten die von ihr für die Tochter erbrachten Unterhaltsleistungen zurückerstattet, wenn die Beklagte wegen seiner Mittellosigkeit während eines bestimmten Zeitraumes für den Unterhalt der Tochter ganz oder teilweise aufgekommen ist. Eine solche Absicht der Parteien kann jedoch aus der festgestellten Vereinbarung nicht erschlossen werden. Sie stunde auch im Widerspruch mit dem Verhalten der Streitteile nach Abschluß der Vereinbarung. Der Kläger hat selbst zugegeben, daß die Beklagte nach der Scheidung, als er ohne Einkommen war, zumindest für beide Kinder mitgesorgt hat. Vom Berufungsgericht wurde festgestellt, daß die Beklagte vom Zeitpunkt der Scheidung (31. Mai 1947) bis zum Jahre 1950 für die ganze Familie gesorgt hat. Im Verfahren ist weder behauptet noch festgestellt worden, daß die Beklagte die für die Tochter aufgewendeten Unterhaltsbeträge von dem Kläger zurückverlangt hat, noch daß der Kläger ihr die Unterhaltsleistungen vergütet oder ihren Anspruch auf Rückerstattung anerkannt hat. Wenn der Kläger die für den Sohn geleisteten Unterhaltsbeträge zurückverlangen will, müßte er selbst bereit sein, die für die Tochter erbrachten Leistungen der Beklagten zurückzuerstatten. Selbst wenn man aber annehmen wollte, daß die Parteien ursprünglich eine solche Rückerstattungspflicht im Auge gehabt haben, so haben sie durch ihr späteres Verhalten zum Ausdruck gebracht, daß sie von einer Rückerstattung der Leistungen des nach dem Gesetz zum Unterhalt verpflichteten Teiles Abstand nehmen wollen, und die Vereinbarung in diesem Sinn abgeändert. Den Leistungen der Beklagten steht also keine Gegenleistung des Klägers gegenüber. Die Beklagte kann zwar die für die Tochter erbrachten Leistungen nicht zurückverlangen, sie wäre aber an eine Vereinbarung, aus eigenem für den Sohn ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Klägers und ohne Anspruch auf Rückersatz zu sorgen, für die Zukunft mangels eines Notariatsaktes nicht gebunden. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob sie dem Kläger nach der Festsetzung der Unterhaltsbeträge für den Sohn erklärte, daß er aus der Unterhaltsfestsetzung keinen Schaden erleiden werde. Auch diese Zusage würde nur das Versprechen einer unentgeltlichen Vermögenszuwendung an den Kläger bedeuten.

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