OGH 3Ob17/55

OGH3Ob17/5516.3.1955

SZ 28/77

Normen

UrhG §78
UrhG §82
UrhG §78
UrhG §82

 

Spruch:

Zulässigkeit der wahren Berichterstattung und Veröffentlichung eines Lichtbildes über eine öffentliche Gerichtsverhandlung durch eine Zeitung.

Entscheidung vom 16. März 1955, 3 Ob 17/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

In der von der beklagten Partei herausgegebenen Zeitung wurde anläßlich eines Gerichtssaalberichtes über das gegen den Kläger anhängige Strafverfahren nach dem Kriegsverbrechergesetz auch ein Lichtbild veröffentlicht, das den Kläger während der Gerichtsverhandlung zeigt, wie sich aus dem Hintergrund des Bildes ergibt. Der Kläger begehrt, gestützt auf § 87 UrhG., einen Betrag von 5000 S als angemessene Entschädigung sowie die Vernichtung des Negativs nach § 82 UrhG. mit der Begründung, daß er durch die Veröffentlichung in seinen berechtigten Interessen verletzt wurde, weil er und seine Familie im Zusammenhang mit dem Zeitungsartikel empfindliche Kränkungen und seelische Schmerzen erlitten hätten, und zwar umsomehr, als er in einer kleinen Gemeinde wohne, in der durch die Veröffentlichung auch seine schuldlose Familie unmöglich gemacht worden sei, was den Kläger ungeheuer bedrücke. Nach Klagseinbringung sei am 29. September 1954 - wie der Kläger bei der Streitverhandlung ergänzend vorbrachte - dieses Bild neuerlich mit einem diffamierenden Artikel über den Kläger veröffentlicht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach Ansicht des Erstgerichtes mangle es dem Kläger an dem nach § 78 UrhG. erforderlichen berechtigten Interesse. Liege sowohl ein Interesse an der Veröffentlichung als auch ein solches an der Geheimhaltung vor, müsse eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Es bestehe ein Anspruch der Allgemeinheit auf Informationserteilung durch die Presse. Die Zeitung habe berechtigterweise über ein Strafverfahren berichtet. Wenn der sprachliche Bericht über eine Gerichtsverhandlung zulässig sei, müsse man auch den Bildbericht über die Verhandlung zulassen. Es müßte daher das Interesse des Klägers, das er begreiflicherweise an der Nichtveröffentlichung habe, zurücktreten. Die zweite Veröffentlichung habe das Bild des Klägers nur als Erläuterung der Schilderung über den Inhalt der vorliegenden Klage gebracht, was ebenfalls zulässig sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und trug dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens auf. Es nahm in Übereinstimmung mit dem Erstrichter an, daß eine Interessenabwägung vorzunehmen sei, bemängelte aber, daß der Erstrichter die vom Kläger über seine angeblichen Interessen angebotenen Beweise nicht durchgeführt hatte, weil erst dann eine Gegenüberstellung der Interessen vorgenommen hätte werden können. Bei der Feststellung des berechtigten Interesses müsse aber die Veröffentlichung des Bildes vom Inhalt des Gerichtssaalberichtes getrennt betrachtet werden. Den Text könne der Kläger nur im Rahmen des Pressegesetzes bekämpfen. Das Bild allein aber könne kaum als gegen seine Interessen verstoßend angesehen werden, weil darin nichts Diffamierendes zu erblicken sei. Der Kläger hätte daher darzutun, daß die erlittenen Kränkungen durch die Beigabe des Bildes über jenes Maß hinausgingen, die bei ihm eingetreten wären, wenn der Gerichtssaalbericht ohne das Bild erschienen wäre. Nur dieses Plus könne im Rahmen des Bildnisschutzes geschützt werden. Der Kläger habe aber auch darzutun, daß gerade in seiner Wohnsitzgemeinde die Veröffentlichung des Bildes von Bedeutung war und dort jene Nummer der Zeitung von einer größeren Anzahl von Personen gelegen worden war. Bei der lnteressenabwägung sei aber auch darauf Bedacht zu nehmen, daß das Prinzip der Öffentlichkeit im Strafprozeß zurückzutreten habe, weil die Interessen der Strafrechtspflege schon im § 41 UrhG. entsprechend berücksichtigt werden. Auch das Interesse der Allgemeinheit auf Informationen müsse gegen die wirklich berechtigten Interessen des Abgebildeten zurücktreten, wie dies in der Entscheidung SZ. XXII 47 zum Ausdruck gebracht worden sei. Mit der zweiten Veröffentlichung des Bildes beschäftigte sich das Berufungsgericht nicht, weil das Begehren des Klägers auf Zahlung von 5000 S sich nicht auf diese Veröffentlichung gestützt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Streitteile Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die vom Berufungsgericht angeordneten ergänzenden Erhebungen sind zur Lösung der Rechtsfrage entbehrlich. Es ist den Ausführungen der beklagten Partei zuzustimmen, daß bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden, ein objektiver Maßstab anzulegen ist und es unnötig erscheint, festzustellen, ob die betreffende Nummer der Zeitung gerade in der Heimatgemeinde des Klägers gelesen wurde und warum gerade durch die Abbildung die Interessen des Klägers im Gegensatz zu einer bloßen Wortberichterstattung verletzt worden sein sollen. Es handelt sich dabei um die Lösung einer Rechtsfrage, die auf Grund des gegebenen Tatbestandes, nämlich der Veröffentlichung des Bildes des Klägers im Zusammenhang mit dem Gerichtssaalbericht, allein zu lösen ist.

Nach § 78 UrhG. wird Schutz gegen den Mißbrauch der Abbildung einer Person in der Öffentlichkeit gewährt, namentlich dagegen, daß jemand dadurch bloßgestellt, sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bild auf eine Art benutzt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt.

Der Kläger kann nicht behaupten, daß durch die Veröffentlichung des Bildes aus dem Gerichtssaal seine Person in einen nicht den Tatsachen entsprechenden Zusammenhang gestellt wurde, daß mit dem Bilde ein Mißbrauch getrieben wurde. Der Schutz des Urheberrechtsgesetzes wird aber gerade dann zu gewähren sein, wenn durch das Bild allein oder im Zusammenhang mit dem Begleittext ein unwahrer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Tatbestand und der Person des Abgebildeten hergestellt wird. Der Kläger gibt selbst zu, daß die Abbildung den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hat, daß sie "wahr" ist. Er meint nur, daß auch eine solche wahre Berichterstattung durch Bilder unzulässig sei. Dies ist aber nur im eingeschränkten Umfange richtig, nämlich dann, wenn die Öffentlichkeit dadurch von Tatsachen erfährt, die nicht für sie bestimmt sind, die die geschützte Privatsphäre des Abgebildeten betreffen. Davon kann aber im Zusammenhang mit dem Bericht über eine öffentlich abgeführte Gerichtsverhandlung keine Rede sein. Der wegen eines Verbrechens Beschuldigte hat sich in der Öffentlichkeit zu verantworten. Die Anklage stellt ihn im Umfang der angeklagten Tat und der zur Erörterung kommenden Begleitumstände in das Licht der Öffentlichkeit. Damit schwindet jedes Recht auf Geheimhaltung der in der öffentlichen Verhandlung zur Erörterung kommenden Umstände. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, daß eine solche Veröffentlichung deshalb unzulässig sei, weil sie entwürdigend oder herabsetzend wirke. Nicht die Abbildung des Angeklagten im Gerichtssaal als solche ist entwürdigend oder herabsetzend. Diese Empfindung kann sich vielmehr nur im Zusammenhang mit der Erörterung der Tat ergeben, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird. Es wurde kein Bild des Klägers veröffentlicht, das etwa bei anderer Gelegenheit entstanden wäre und dem Kläger auf unrechtmäßige Weise entzogen oder ohne seine Einwilligung benützt worden wäre. Es handelt sich vielmehr um ein Reportagebild aus der öffentlichen Gerichtsverhandlung, bei der der Angeklagte ebenso wie alle anderen beteiligten Personen, Richter, Geschworene, Staatsanwalt und Verteidiger, mitgewirkt hat und im vollen Licht der Öffentlichkeit gestanden ist. Daß die Mitwirkung des Angeklagten dabei keine freiwillige und keine von ihm erwünschte war, macht dabei keinen Unterschied.

Dem Kläger war daher das im § 78 UrhG. geforderte berechtigte Interesse abzusprechen. Es bedurfte daher auch keiner weiteren Interessenabwägung. Der Fall ist ganz anders gelegen als der, der der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ. XXII 47 zugrunde gelegen war. Der Patient eines Krankenhauses hat ein berechtigtes Interesse daran, daß sein Bild in Verbindung mit der Krankheit nicht der Öffentlichkeit preisgegeben wird. Er würde dadurch in seiner geschützten Privatsphäre verletzt. Sein Bild darf im Zusammenhang mit der Behandlung seiner Krankheit schon mit Rücksicht auf die ärztliche Schweigepflicht in keinem Falle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Zuzustimmen ist der Rechtsansicht der beklagten Partei auch darin, daß auf die Interessen der Familie des Abgebildeten nach dem Gesetz so lange kein Bedacht zu nehmen ist, als der Abgebildete noch am Leben ist. Erst nach seinem Tode könnte auf die Interessen der Angehörigen Rücksicht genommen werden. Dies ergibt sich daraus, daß es sich um ein höchstpersönliches Recht handelt.

Sind durch die erste Veröffentlichung berechtigte Interessen des Klägers nicht verletzt worden, dann liegt eine solche Verletzung bei der zweiten Veröffentlichung des gleichen Bildes im Zusammenhang mit dem Bericht über die vom Kläger erhobene Klage nach dem Urheberrechtsgesetz ebenfalls nicht vor, weil dadurch nichts mitgeteilt wird, was über den ursprünglichen Wort- und Bildbericht hinausgeht. Es wird dieser Bericht nur rekapituliert und die dazu vom Kläger in seiner Klage vorgebrachten Argumente wiedergegeben. Das Berufungsgericht hat zwar zu Unrecht aus formellen Gründen auf die zweite Veröffentlichung nicht Bedacht genommen, der Kläger kann aber auch aus dieser Veröffentlichung keine Verletzung berechtigter Interessen im Sinne des § 78 UrhG. ableiten.

Die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils durch das Berufungsgericht erweist sich daher als überflüssig, weil die Sache durchaus spruchreif war, so daß in Stattgebung der Rekurse der Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und dem Berufungsgericht die Urteilsfällung aufzutragen war.

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