OGH 3Ob748/54

OGH3Ob748/5419.1.1955

SZ 28/13

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9

 

Spruch:

Nachahmung keinen Formalschutz genießender gewerblicher Erzeugnisse ist an sich noch nicht sittenwidrig.

Entscheidung vom 19. Jänner 1955, 3 Ob 748/54.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung der Beklagten, die Erzeugung und den Vertrieb von Kugelschreibern zu unterlassen, welche in Torpedoform, in metallisierenden Farben und im Material dem von der klagenden Partei erzeugten Kugelschreiber "J.-R." und derartigen von der klagenden Partei in anderen Farben erzeugten Kugelschreibern zum Verwechseln ähnlich seien. Sie behauptete, seit 1948 Kugelschreiber in Torpedoform zu erzeugen und diese Form als erste in Österreich eingeführt zu haben. Die erstbeklagte Partei habe zunächst Kugelschreiber in Füllhalterform erzeugt und vertrieben und sei seit zwei Jahren zur Torpedoform übergegangen, habe jedoch zunächst noch, anderes Material verwendet. Seit Anfang Mai 1953 erzeuge und vertreibe die erstbeklagte Partei nun einen Kugelschreiber, der dem von der klagenden Partei seit 1948 erzeugten fast genau nachgebildet sei und aus demselben Material hergestellt werde. Ebenfalls seit Mai 1953 nenne die erstbeklagte Partei einen der nachgemachten Kugelschreiber "K.", so wie die klagende Partei eines ihrer Erzeugnisse seit Weihnachten 1952 genannt habe, wenn sie auch den Firmennamen "J." vorsetze, während die erstbeklagte Partei das Wort "O." dem Wort "K." vorstelle. Es liege somit ein sklavischer Nachbau vor, ohne daß er durch technische Notwendigkeiten veranlaßt sei, und überdies eine planmäßige und fortgesetzte Nachahmung. Die zweit- und drittbeklagte Partei vertreibe die Erzeugnisse der erstbeklagten Partei.

Die beklagten Parteien beantragten kostenpflichtige Klagsabweisung und wendeten ein, daß die Torpedoform Modesache und keine Spezialform der klägerischen Kugelschreiber sei. Es bestunden außerdem mehrere Unterschiede zwischen den Erzeugnissen der erstbeklagten und jenen der klagenden Partei, die eine Verwechslungsfähigkeit ausschließen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von der Feststellung ausging, daß die von der Erstbeklagten seit 1953 erzeugten Kugelschreiber (Marke "O.-K.") den von der klagenden Partei seit drei bis vier Jahren auf den Markt gebrachten Kugelschreibern ("J.-R.") zum Verwechseln ähnlich seien. Es handle sich aber um Massenartikel, so daß die Nachahmung nicht als sittenwidrige Handlung im Sinne des § 1 UWG. anzusehen sei, insbesondere schon deshalb nicht, weil die Nachahmung ein Warenzeichen trage, das mit dem der nachgemachten Ware nicht verwechslungsfähig sei.

Der dagegen seitens der klagenden Partei erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht führt rechtlich aus:

Gegenstand des wettbewerbswidrigen Handelns sei nach Behauptung der Klägerin die verwechslungsfähige Nachahmung der mit dem Namen "J.- R." bezeichneten Kugelschreiber durch die Kugelschreiber mit der Bezeichnung "O.-K.". Aus dem Sachverständigengutachten gehe aber auch hervor, daß die Torpedoform mit eingespritztem Clips keine Eigenart des "J." Kugelschreibers ist, sondern eine normale Entwicklung darstelle, die auch im Ausland zu beobachten sei. Damit sei die Ansicht der Berufungswerberin hinfällig und widerlegt, daß die Torpedoform Verkehrgeltung für die Klägerin erlangt habe. Wenngleich eine verwechslungsfähige Nachahmung der Kugelschreiber der Klägerin vorliege, könne die Nachahmung eines solchen Massenartikels keine Zuwiderhandlung nach § 1 UWG. darstellen, es sei denn, daß sich mit der Nachahmung besonders sittenwidrige Umstände verbinden. Nun habe zwar die Klägerin in erster Instanz auch die Vernehmung von Zeugen darüber beantragt, daß das Vorgehen der Erstbeklagten planmäßig erfolgt sei. Die Berufungswerberin führe aber weder in erster Instanz noch in der Berufung aus, in welchen Tatsachen dieses planmäßige Vorgehen bestanden haben soll. Der einzige Hinweis darauf könne in der von der Klägerin zunächst gerügten, dann aber zufolge teilweiser Rückziehung des Klagebegehrens nicht mehr beanstandeten Verwendung des Namens "K."

seit Mai 1953 durch die erstbeklagte Partei gelegen sein. Auch damit sei aber für den Standpunkt der Klägerin nichts gewonnen, denn nach ihren eigenen Behauptungen verwende sie diese Bezeichnung für ein kleineres und schlankeres Modell als die erstbeklagte Partei. Es fehle also, abgesehen von der Verschiedenartigkeit des beiderseits gebrauchten Zusatzes zu dem Worte "K." ("J." bzw. "O."), auch wegen der Verschiedenheit der damit bezeichneten Modelle an der Verwechslungfähigkeit. Die Verwendung des gleichen nicht geschützten Wortes für ein gleichartiges, aber doch in einzelnen Merkmalen abweichendes Erzeugnis reiche also zur Dartuung der Planmäßigkeit des Vorgehens der erstbeklagten Partei nicht aus. Das Erstgericht habe daher ohne Mangelhaftigkeit des Verfahrens die diesbezüglichen Beweisanträge mit Recht abgelehnt und in richtiger rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes eine besondere Sittenwidrigkeit in der Nachahmung der Torpedoform nicht erblickt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wenngleich nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes die von der erstbeklagten Partei erzeugten, mit "O.-K." bezeichneten Kugelschreiber der Ausführung, Form und Farbe nach den mit "J.-R." bezeichneten Kugelschreibern der Klägerin, deren Nachahmung nach Behauptung der Klägerin nunmehr allein Gegenstand des wettbewerbswidrigen Handelns ist, zum Verwechseln ähnlich sind, so ist davon auszugehen, daß nach der für das Revisionsgericht bindenden, auf das Sachverständigengutachten gestützten ergänzenden Feststellung des Berufungsgerichtes die Torpedoform mit eingespritztem Clips keine Eigenart des "J."

Kugelschreibers ist, sondern eine normale Entwicklung darstellt, die auch bei den ausländischen Erzeugnissen zu beobachten ist, so daß sie ausschließliche Verkehrsgeltung für die Klägerin nicht erlangt hat. Nun hat jedoch das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb den fehlenden Formalschutz nicht zu ersetzen und ist demnach auch sklavischer Nachbau an sich nicht sittenwidrig. Bei Nachahmung gewerblicher Erzeugnisse, die keinen Formalschutz genießen, könnte nur dann der Schutz nach § 1 UWG. verlangt werden, wenn bei der Nachahmung Begleitumstände vorliegen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlungen ergibt. Hiefür würde aber auch planmäßige und fortgesetzte Nachahmung allein nicht genügen, sondern müßten in allen Fällen, wenn hinsichtlich des äußeren Anscheines der Erzeugnisse ausschließliche Verkehrsgeltung nicht in Anspruch genommen werden kann, noch besondere Umstände hinzutreten, die nicht behauptet, worden sind. Für die Frage der Verkehrsgeltung des äußeren Anscheines eines Erzeugnisses ist freilich nicht, wie das Berufungsgericht meint, von Bedeutung, ob es sich um einen Massenartikel handelt - auch Massenartikel können in unlauterer Weise nachgeahmt werden -, sondern lediglich, daß die Kugelschreiber in allen möglichen Arten der Formgebung sowie der Farbe und des Materials auf dem Inlandsmarkt erhältlich sind, also keine Eigentümlichkeit der Erzeugnisse der Klägerin darstellen. Vermag aber die Klägerin auch hinsichtlich der Formgebung ihrer Erzeugnisse die ausschließliche Verkehrsgeltung nicht in Anspruch zu nehmen, so ist es auch bedeutungslos, daß die von der Klägerin erzeugten Kugelschreiber in Torpedoform mit eingespritztem Clips schon wesentlich früher auf dem Inlandsmarkt erschienen sind. Von dieser rechtlichen Beurteilung ausgehend war es demnach entbehrlich, die von der Klägerin darüber angebotenen Beweise, daß es sich um eine planmäßige und fortgesetzte Nachahmung handelt, durchzuführen. Der gerügte Feststellungsmangel liegt daher gleichfalls nicht vor.

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