OGH 4Ob193/54

OGH4Ob193/5411.1.1955

SZ 28/3

Normen

Gutsangestelltengesetz §1
Gutsangestelltengesetz §1

 

Spruch:

Ein selbständiger Revierjäger, dem die Pirschführung, das Ausmachen und Bestätigen des Wildes und gelegentlich die Wildverwertung obliegt, untersteht dem Gutsangestelltengesetz.

Entscheidung vom 11. Jänner 1955, 4 Ob 193/54.

I. Instanz: Arbeitsgericht Kirchdorf; II. Instanz: Kreisgericht Steyr.

Text

Der Kläger begehrt eine Lohnnachzahlung; er berechnete das ihn gebührende Entgelt unter Heranziehung der Lohnsätze der Kategorie II Gehaltsstufe 2 des Kollektivvertrages für land- und forstwirtschaftliche Angestellte und nimmt die sich nach dem Gutsangestelltengesetz ergebende Kündigungsfrist in Anspruch.

Außer Streit steht, daß dem Kläger die gesamte Revieraufsicht und Wildfütterung oblag. Er war dabei völlig selbständig und hatte nach eigenem Ermessen zu arbeiten. Es oblag ihm ferner die Pirschführung des Beklagten und seiner Gäste, das Ausmachen und Bestätigen des Wildes, gelegentlich die Wildverwertung. Er hatte auch den Schutzdienst und die ganzen jagdlichen Belange im Revier des Beklagten über. Die Prüfung für Jagd- und Jagdschutzdienst im Sinne der Verordnung vom 14. Juni 1889, RGBl. Nr. 100, hat er abgelegt.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht war der Meinung, daß der Kläger nicht vorwiegend höhere Dienste geleistet hat. Insbesondere beinhalte die obengenannte Prüfung nicht mehr, als bei jeder Lehrlingsprüfung verlangt wird. Der Kläger könne also nicht dem Gutsangestelltengesetz und damit auch nicht dem genannten Kollektivvertrag unterstellt werden, dessen persönlicher Anwendungsbereich sich nur auf Dienstnehmer erstreckt, auf die das Gutsangestelltengesetz Anwendung findet (§ 2 des Kollektivvertrages).

Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Die Tätigkeit des Klägers entspricht im Wesen der Tätigkeit, die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ. IX 159 dem Gutsangestelltengesetz unterstellt hat. Die Einstufung als Angestellter oder als Gutsangestellter wird vielfach durch die Verkehrsübung bestimmt. Ein Vergleich mit anders gearteten Diensten führt häufig zu Fehlschlüssen. Die Meinung des Berufungsgerichtes, daß der Kläger nicht dem Gutsangestelltengesetz unterliegt, ist also unzutreffend.

Es müßte aber auch berücksichtigt werden, daß im Anhang zu dem genannten Kollektivvertrag in der Kategorie II Gehaltsstufe 2 "Jäger mit der Prüfung gemäß RGBl. Nr. 100/1889" genannt sind. Der Kollektivvertrag unterstellt also diese Jäger seinem Geltungsbereich. Wollte man sich nun selbst auf den Standpunkt stellen, daß der Kläger an sich dem Gutsangestelltengesetz nicht unterliegt, so wäre doch durch den Kollektivvertrag die Anwendung der Bestimmungen des Gutsangestelltengesetzes auf Jäger mit der genannten Prüfung vereinbart und durch die Erklärung des Kollektivvertrages zur Satzung im Geltungsbereiche der Satzung bindend ausgesprochen. Denn die Bestimmung des § 2 des Kollektivvertrages, die seinen Geltungsbereich auf Dienstnehmer einschränkt, auf die das Gutsangestelltengesetz Anwendung findet, kann nicht dahin ausgelegt werden, daß bei den im Anhang genannten Personen noch zu prüfen wäre, ob sie auch wirklich dem Gutsangestelltengesetz unterliegen. Dies wird vielmehr vom Kollektivvertrag vorausgesetzt. Die Bestimmung des § 2 kann also nicht dazu dienen, Dienstnehmer der im Anhang genannten Art von dem Geltungsbereich des Kollektivvertrages auszuschließen, sie unterwirft im Gegenteil die genannten Dienstnehmer den Bestimmungen des Gutsangestelltengesetzes, das hier nicht kraft des Gesetzes, sondern als vereinbartes oder als gesatztes Recht Geltung hat (ArbSlg. 5589).

Das Berufungsgericht hat der Berufung also aus unzutreffenden Gründen stattgegeben. Demgemäß mußte die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufgehoben werden.

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