Spruch:
Kein Ausschluß des Anfechtungsanspruches, weil der Anfechtungsgegner dem Anfechtungskläger aus dem Titel der Vermögensübernahme nach § 1409 ABGB. unmittelbar verpflichtet ist.
Entscheidung vom 29. Dezember 1954, 3 Ob 824/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Die Eltern des Beklagten haben im Sommer 1953 von der Firma G. in Wien 11.000 kg Weizen zum Preis von 29.545.12 S gekauft und geliefert erhalten, wobei die Firma G. durch Hingabe eines Wechsels seitens der Klägerin sichergestellt wurde, während die Klägerin wiederum zur eigenen Deckung eine am 11. September 1953 fällige Tratte über den Fakturenbetrag von 29.545.12 S auf die Ehegatten Franz und Josefa W. zog, die von ihnen angenommen wurde.
Kurze Zeit nach Abschluß dieses Geschäftes haben die Eltern des Beklagten diesem ihre Wirtschaft übergeben. Diese bildete ihr einziges Vermögen. Sie haben sich auf Grund des Übergabsvertrages die Dienstbarkeit der Wohnung, die Reallast des Ausgedinges sowie das Belastungs- und Veräußerungsverbot zu ihren Gunsten einverleiben lassen.
Da die Wechselverbindlichkeit am Fälligkeitstag nicht bezahlt wurde, wurden die auf der Wirtschaft lagernden Weizenmengen exekutiv verkauft. Der Kläger begehrt nunmehr vom Beklagten wegen des mit der Mobiliarexekution nicht eingebrachten Restbetrages von 18.540.32 S samt Nebengebühren die Exekution in die Liegenschaft zu dulden.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte.
Die in der Berufungsschrift zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, daß wegen der Möglichkeit der Erhebung einer Klage nach § 1409 ABGB. gegen den Beklagten als Vermögensübernehmer die Anfechtungsklage überhaupt nicht zulässig erscheine, weil die Anfechtungsbefugnis nur jenen Gläubigern zuzuerkennen sei, die keinen unmittelbaren Haftungsanspruch nach § 1409 ABGB. besitzen und sich das übertragene Vermögen erst durch die Bekämpfung der ihrer Befriedung nachteiligen Handlung des Schuldners erschließen müßten, lehnte das Berufungsgericht ab. Die Anfechtungsklage habe subsidiären Charakter insofern, als sie nur unter den Voraussetzungen des § 8 AnfO. erhoben werden könne. Der subsidiäre Charakter der Anfechtungsklage hänge aber nicht davon ab, daß etwa aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten heraus gegen den Anfechtungsgegner, etwa auch als Vermögensübernehmer nach § 1409 ABGB., ein selbständiger Anspruch erhoben werden könnte. Das Gesetz versage eine Anfechtungsklage, wenn gegen die ursprünglichen Schuldner oder Mitverpflichteten noch Befriedigungsmöglichkeiten bestehen. Sobald diese aber verschlossen sind, bleibe es dem Gläubiger überlassen, welche Wege er zu seiner Befriedigung beschreite und bleibe ihm die Wahl dieser Mittel frei. Hätte der Gesetzgeber dies anders geregelt wissen wollen, so hätte er dem § 8 AnfO. eine andere Fassung geben müssen.
Auch die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In rechtlicher Beziehung wird ausgeführt, die Übergabe der Liegenschaften sei weder in bekannter Benachteiligungsabsicht noch in schuldhafter Unkenntnis einer solchen geschehen. Der Anfechtungsanspruch sei auch deshalb nicht entstanden, weil die klagende Partei aus dem Titel der Vermögensübernahme (§ 1409 ABGB.) einen unmittelbaren Befriedigungsanspruch gegen den Beklagten habe. Mit Rücksicht auf die auf der Liegenschaft eingetragenen Rechte der Übergeber (Belastungs- und Veräußerungsverbot, Dienstbarkeit der Wohnung und Reallast des Auszuges) sei der eingebrachten Klage auch keine Befriedigungstauglichkeit zuzuerkennen. Zumindest wäre die Anfechtungsklage hinsichtlich des Betrages von 11.810 S, das ist der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Wert und dem Versteigerungserlös des gelieferten Weizens, abzuweisen gewesen, weil, insoweit die Befriedigungsverletzung durch die klagende Partei selbst verschuldet worden sei.
Das Revisionsgericht vermag diesen Ausführungen nicht zu folgen.
Die Revision selbst muß zugeben, daß durch den nach dem Marktpreis errechneten Wert des noch unvermahlen auf der Mühle lagernden Weizens die Forderung der klagenden Partei nicht zur Gänze gedeckt war. Das hat auch der Beklagte gewußt, der nach den Feststellungen der Untergerichte in der Mühle seines Vaters mitgearbeitet hat und über das gegenständliche Weizengeschäft in alle Details eingeweiht war. Ihm mußte daher ebenso wie seinen Eltern klar sein, daß auch durch einen rechtzeitig durchgeführten freihändigen Verkauf des Weizens zum Marktpreis nicht jene Bargeldmittel herbeigeschafft werden können, die erforderlich waren, um die Wechselforderung der klagenden Partei vollständig zu befriedigen. Der Beklagte und seine Eltern mußten aber auch in Rechnung ziehen, daß bei einem exekutiven Verkauf des Weizens ein unter dem Marktpreis liegender Erlös erzielt werden kann. Hat der Beklagte trotzdem den Übergabsvertrag mit seinen Eltern abgeschlossen, dann hat er gleich diesen die Möglichkeit, daß hiedurch die klagende Partei benachteiligt werden kann, in Kauf genommen. Damit ist aber, wie die Vorinstanzen richtig erkannnt haben, das Erfordernis der Benachteiligungsabsicht im Sinne des § 2 AnfO. erfüllt (vgl. hiezu auch SZ. XXV/207).
Verfehlt ist die Ansicht der Revision, daß die Anfechtungsklage hinsichtlich eines Betrages von 11.810 S abzuweisen gewesen wäre, weil insoweit der Befriedigungsausfall durch die klagende Partei selbst verschuldet worden sei. Die klagende Partei hat auf Grund des rechtskräftigen Wechselzahlungsauftrages vom 15. September 1953 den Anspruch auf sofortige Bezahlung eines Betrages von 29.545.12 S samt Nebengebühren und, da von den Schuldnern Zahlung nicht geleistet wurde, das Recht auf zwangsweise Befriedigung aus dem Vermögen der Schuldner erlangt. Sie hat die Durchsetzung ihres durch einen vollstreckbaren Titel festgesetzten Anspruches auf dem in der Exekutionsordnung vorgeschriebenen Wege eingeleitet und hat mit Bewilligung des Exekutionsgerichtes die sofortige Versteigerung des in der Mühle lagernden Getreides erwirkt. Ganz abgesehen davon, daß eine prozessuale Folge auf einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 273 erster Satz EO. nicht gesetzt ist, kann die Gesetzmäßigkeit der einzelnen Exekutionsakte im Anfechtungsverfahren nicht überprüft werden. Hätten die zur Zahlung verpflichteten Schuldner ihre Verbindlichkeit rechtzeitig erfüllt, dann wäre die klagende Partei nicht genötigt gewesen, gegen sie Exekution zu führen. Der im Zusammenhang mit der Exekutionsführung eingetretene Befriedigungsausfall geht allein zu Lasten der Schuldner und es ist völlig abwegig, von einem Verschulden der betreibenden Gläubigerin (Klägerin) zu sprechen.
Da die durchgeführte Exekution der klagenden Partei nicht vollständige Befriedigung gebracht hat, liegt insoweit eine Befriedigungsverletzung vor, die die klagende Partei gemäß § 8 AnfO. berechtigte, den auf eine Vereitlung der Befriedigung abzielenden Übergabsvertrag vom 12. August 1953 anzufechten. Die Meinung der Revision, der Anfechtungsanspruch der klagenden Partei sei deshalb nicht entstanden, weil sie zur Hereinbringung ihrer Forderung unmittelbar gegen den Beklagten als Vermögensübernehmer gemäß § 1409 ABGB. Klage und Exekution führen könne, ist irrig und findet im Gesetz nicht die geringste Stütze. Diesfalls kann auf die zutreffenden, durch die Revisionsausführungen in keiner Weise widerlegten Gründe des Berufungsurteiles verwiesen werden.
Auch insoweit die Revision vermeint, es sei der eingebrachten Klage die Befriedigungstauglichkeit deshalb nicht zuzuerkennen, weil der von der Klägerin angestrebten Exekution die im Übergabsvertrag den Schuldnern eingeräumten und im Grundbuch eingetragenen Rechte entgegenstunden, kann ihr nicht beigepflichtet werden. Der Inhalt des Anfechtungsanspruches besteht nach § 13 AnfO. darin, daß der Gläubiger das, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen oder darausveräußert oder aufgegeben worden ist, soweit für sich beanspruchen kann, als es zu seiner Befriedigung erforderlich ist. Die Leistungspflicht ist also unmittelbarer (primärer) Inhalt des Anfechtungsanspruches. Die Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung gegenüber dem anfechtenden Gläubiger hat nur so weit Bedeutung, als sie die Voraussetzung für eine Leistung an den anfechtenden Gläubiger und damit eine Rückgängigmachung der eingetretenen Befriedigungsverletzung bildet. Sie ist daher immer nur als Voraussetzung oder Vorfrage der Leistungspflicht des Anfechtungsgegners von Bedeutung und gehört als solche nicht in den Urteilsspruch, sondern in die Urteilsgrunde. Es ist selbstverständlich, daß auch im Anfechtungsprozeß das Urteil nur zwischen den Prozeßparteien wirkt. Aber die Wirkung des Urteiles ist eben die, daß der anfechtende Gläubiger die Befriedigungsmöglichkeit in einer Weise erhält, als ob das von ihm angefochtene Rechtsgeschäft zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner nicht abgeschlossen worden wäre. Es stehen daher die auf Grund des Übergabsvertrages zugunsten der Eheleute W. auf den Übergabsliegenschaften eingetragenen Rechte, weil eben der Übergabsvertrag dem Anfechtungskläger gegenüber unwirksam ist, dessen Befriedigung nicht entgegen.
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