OGH 3Ob692/54

OGH3Ob692/5410.11.1954

SZ 27/286

Normen

ABGB §300
ABGB §365
ABGB §905
ABGB §957
ABGB §961
ABGB §1041
ABGB §1412
ABGB §1447
ABGB §300
ABGB §365
ABGB §905
ABGB §957
ABGB §961
ABGB §1041
ABGB §1412
ABGB §1447

 

Spruch:

Wenn das Vermögen einer ausländischen Aktiengesellschaft im Ausland konfisziert worden ist oder die Anteilsrechte den Gesellschaftern entzogen worden sind, so geht das inländische Vermögen auf die ehemaligen Gesellschafter über.

Wer eine von ihm verwahrte Sache eigenmächtig verkauft, muß den erzielten Verkaufspreis herausgeben.

Überweisungen reisen auf Gefahr des Überweisenden. Die Sperre eines zwecks Überweisung ohne Auftrag eingezahlten Betrages geht zu Lasten des Überweisenden.

Entscheidung vom 10. November 1954, 3 Ob 692/54.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die Kläger führen in ihrer Klage aus, die Lederwerke Franz W. A. G. in Sch. haben der Beklagten im September 1943 einen Waggon verschiedenen Leders übergeben. Es habe sich dabei um ein Ausweichlager gehandelt. Die Aktiengesellschaft sei ohne Entschädigung vom jugoslawischen Staat enteignet worden. Diese Enteignung habe auf das inländische Vermögen der Aktiengesellschaft keine Wirkung. Die Kläger seien die alleinigen Besitzer der gesamten Aktien gewesen, sie seien deshalb zur klage legitimiert. Die Beklagte sei angeblich gezwungen worden, dieses Leder zu verkaufen. Sie sei deshalb den Verkaufserlös den Klägern schuldig. Sie habe den geschuldeten Betrag von 70.028.22 RM bei der Volksbank Rankweil eingezahlt. Der Betrag sei aber den Klägern nicht zugekommen. Im Verlaufe des Verfahrens brachten die Kläger noch vor, daß am 25. Juni 1952 eine Generalversammlung stattgefunden habe, bei der ein neuer Vorstand bestellt und dieser ermächtigt worden sei, Forderungen der Gesellschaft an die Kläger abzutreten. Auf Grund dieser Ermächtigung sei die gegenständliche Forderung an die Kläger abgetreten worden. Der Verkauf des Leders sei zwar gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Kläger erfolgt, doch werden aus diesem Umstand keine Folgerungen gezogen.

Die Beklagten wendeten den Mangel der Aktivlegitimation ein. Die Kläger seien nicht die alleinigen Besitzer der Aktien gewesen, vielmehr sei auch deren Mutter Aktionärin gewesen. Die Aktiengesellschaft sei auch nicht entschädigungslos enteignet worden. Das Leder sei zwar von der Aktiengesellschaft als Konsignationsgut der Beklagten übergeben worden, doch sei ein Verwahrungsvertrag nicht zustande gekommen. Es sei nie ein Entgelt für die Einlagerung begehrt worden. Die Beklagte habe mit Zustimmung der Eigentümerin im März 1945 eine Partie Leder dem Lager entnommen und habe hierüber von der Aktiengesellschaft eine Faktura über

14.324.88 RM erhalten. Der Rest des Leders habe auf Anordnung der Behörde verkauft werden müssen. Mit der Überweisung des Verkaufserlöses sei die Volksbank Rankweil von der Beklagten beauftragt worden. Dieses Konto sei unter den Erlaß Nr. 3 der Militärregierung gefallen und sei von der Militärregierung gesperrt worden. Diese Sperre sei bis heute nicht behoben worden. Die Kläger hätten diese Überweisung als Zahlung anerkannt und hätten sogar Kontoverfügungen getroffen. Von einer Zession der Forderung sei die Geklagte nie verständigt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Zwischen den Parteien sei ein Verwahrungsvertrag zustande gekommen. Eine Rückstellung des Leders sei nicht mehr möglich da es zum Teil mit Willen der Einlagerer von der Beklagten gekauft wurde (Kaufpreis 14.324.88 RM), zum Teil ohne deren Willen verkauft worden. Die Beklagte sei zur Rückstellung des Verkaufserlöses teils als Verwahrerin, teils als Käuferin verpflichtet. Sie sei ihrer Verpflichtung aus dem Verwahrensvertrag nachgekommen und hafte nur für Verschulden. Sie habe den Beweis erbracht, daß sie an der Nichtrückzahlung dieses Erlöses kein Verschulden trifft. Sie habe den Erlös wegen der damals bestandenen Verhältnisse nicht überweisen können. Auch ein Erlag bei Gericht sei nicht möglich gewesen, weil die Gerichte nicht funktionierten. Der Erlag zur Überweisung bei der Volksbank sei gerechtfertigt gewesen, weil die Beklagte das Geld nicht bei sich habe liegen lassen können. Die Beklagte habe nicht gegen ihre Pflichten als Verwahrerin und und Gewalthaberin verstoßen. Daß dieser Geldbetrag zufolge einer Anordnung der Besetzungsmacht auf einem Bankkonto festgehalten worden sei, habe die Beklagte nicht zu vertreten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Das Erstgericht habe die Frage der Aktivlegitimation der Kläger nicht erörtert. Da es aber das Klagebegehren meritorisch erledigt habe, habe es konkludent zum Ausdruck gebracht, daß es die Aktivlegitimation als gegeben ansehe. Das Berufungsgericht habe keine prozessuale Möglichkeit, dieser Auffassung entgegenzutreten. Das Berufungsgericht schließe sich dem Standpunkt des Erstgerichtes auch deshalb an, weil bei dem gegebenen äußeren Tatbestand kein Anlaß bestehe, diese Legitimation zu verneinen. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Rückzahlung des Verkaufserlöses durch Überweisung des Betrages an die Volksbank Rankweil nachgekommen. Außerdem lasse das Verhalten der Kläger keinen anderen Schluß zu, als daß sie das Konto der Volksbank unzweifelhaft anerkannt haben.

Der Oberste Gerichtshof hob auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Kläger bestritten. Diese Frage wurde nicht erörtert und es fehlen hierüber alle Feststellungen. Die Kläger behaupten, die Lederwerke Franz W. & Söhne A. G. mit dem Sitz in Sch. sei vom jugoslawischen Staat entschädigungslos enteignet worden und machen ihren Anspruch als alleinige Aktionäre dieser aufgelösten Aktiengesellschaft bzw. als Zessionare geltend. Die Beklagte hat die entschädigungslose Enteignung bestritten, behauptete jedoch zugleich, daß die Aktiengesellschaft ihre Rechtspersönlichkeit verloren habe.

Der Wirkung einer ausländischen Konfiskation hat der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen im Sinne der restlosen Durchführung des Territorialitätsprinzipes geklärt. Nach den Entscheidungen SZ. XXI/114, Rkv 330/50, 3 Ob 392/50 u. v. a. erfaßt die entschädigungslose Konfiskation nur das im konfiszierenden ausländischen Staat gelegene, nicht aber das im Inland gelegene Vermögen einer ausländischen vom ausländischen Staat konfiszierten Gesellschaft. Der Wegfall der Rechtspersönlichkeit muß allerdings auch im Inland anerkannt werden. Es kann auch ein in der Literatur vertretener Standpunkt, daß eine im Ausland aufgelöste juristische Person im Inlande noch so lange fortbestehe, als Vermögen dieser juristischen Person im Inlande vorhanden ist, nicht geteilt werden. Es besteht deshalb auch keine gesetzliche Möglichkeit, für diese aufgelöste juristische Person einen Kurator zu bestellen, wie die Beklagte im vorliegenden Falle meint. Allein der Wegfall der Rechtspersönlichkeit bewirkt, daß an die Stelle der aufgelösten Gesellschaft eine Gemeinschaft bürgerlichen Rechtes tritt, die ausschließlich der lex rei sitae unterliegt. Die ehemaligen Aktionäre der aufgelösten Gesellschaft setzen deshalb die Gesellschaft im Inland nicht fort. Sie können im Inlande keine Hauptversammlung abhalten und dort für die nicht existierende Gesellschaft einen Vorstand bestellen - selbstverständlich unbeschadet ihrer Befugnis für ihre eigene Vertretung entsprechend vorzusorgen. Ein solcher Bevollmächtigter ist aber Vertreter der ehemaligen Aktionäre und nicht Vertreter der nicht existierenden Aktiengesellschaft. Die früheren Aktionäre sind als Miteigentümer des inländischen Vermögens zu behandeln. Sie können darüber gemäß der ihnen am Hauptstand zustehenden Quotenbeteiligung verfügen. Sie können auch das inländische Filialvermögen in eine Hauptniederlassung umwandeln. Daß dies im vorliegenden Falle hinsichtlich der Grazer Filiale geschehen wäre, wurde nicht behauptet. Die gleichen Grundsätze der Unwirksamkeit einer ausländischen Konfiskation müssen aber auch dann gelten, wenn der ausländische Staat nicht die Gesellschaft enteignet, sondern sie formell bestehen läßt und nur den Gesellschaftern ihre Anteilsrechte entzieht.

Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend wäre im vorliegenden Falle vorerst festzustellen, ob eine Entziehung auf Grund eines jugoslawischen Hoheitsaktes vorliegt. Da der jugoslawische Staat bisher für die enteigneten Werte in keinem Fall Entschädigungen geleistet hat, bedarf es diesbezüglich keiner weiteren Erhebungen, auch dann, wenn man die Meinung vertritt, daß ausländische Enteignungen gegen Entschädigung anders zu behandeln seien, als Konfiskationen ohne Entschädigung. Im Falle einer Entziehung ergriffe diese nur das in Jugoslawien gelegene Vermögen, nicht aber das inländische Vermögen. Die ehemaligen Besitzer von Anteilsrechten wären zur Klage berechtigt, u. zw. quotenmäßig nach ihren Anteilen. In diesem Falle wird festzustellen sein, ob die Kläger tatsächlich alleinige Aktionäre waren bzw. ob sie durch Erbgang alleinige Ansprüche am inländischen Vermögen erworben haben. Wären die Kläger, so wie sie behaupten, die einzigen Berechtigten, wäre ihre Aktivlegitimation gegeben, ohne daß auf die behauptete Zession einzugehen wäre.

Da es sich bei diesem Einwand der Beklagten um einen materiellrechtlichen Einwand handelte, wäre das Berufungsgericht auch prozessual in der Lage gewesen, diese Frage einer Klärung zuzuführen. Schon wegen des Mangels aller Feststellungen hinsichtlich der Aktivlegitimation erweist sich die Aufhebung des angefochtenen Urteils als notwendig.

Es kann aber auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes bezüglich der erfolgten Leistung nicht geteilt werden. Auf diese Frage wäre allerdings nur einzugehen, wenn die Aktivlegitimation der Kläger gegeben wäre. Diese wird daher bei den folgenden Erörterungen vorläufig vorausgesetzt.

Die Aktiengesellschaft hat bei der Beklagten einen Waggon Leder eingelagert. Die Beklagte hat vorerst bestritten, daß ein Verwahrungsvertrag zustande gekommen sei, hat aber im Rechtsmittelverfahren zugegeben, daß sie die Obsorge über das Leder übernommen habe und zur Rückstellung dieses Leders verpflichtet gewesen wäre. Nach dieser Darstellung wäre den Untergerichten zu folgen, daß hinsichtlich des Leders ein Verwahrungsvertrag zustande gekommen ist. Ein Teil dieses Leders wurde von der Beklagten mit Wissen und Willen der Aktiengesellschaft gegen Faktura gekauft. Hinsichtlich dieses Teiles des Leders wurde der Verwahrungsvertrag einverständlich gelöst. An seine Stelle trat ein Kaufvertrag. Die Beklagte schuldet den Kaufpreis in der festgestellten Höhe von

14.324.88 RM = S. Das übrige Leder hat die Beklagte, wie festgestellt wurde, auf behördlichen Auftrag unter Zwang ohne Wissen der Hinterleger verkauft. Aus diesem Gründe ist die Beklagte nicht mehr in der Lage, ihre Verpflichtung aus dem Verwahrungsvertrag die verwahrte Sache zurückzustellen, zu erfüllen. Die Frage, ob der Beklagten ein Verschulden zur Last fällt, kann auf sich beruhen, da die Kläger erklärten, aus dieser Handlungsweise keine Folgerungen zu ziehen und sie auch keinerlei Schadenersatz begehren. Lag eine behördliche Anordnung vor, ist die Verpflichtung der Beklagten aus dem Verwahrungsvertrag durch einen Zufall nachträglich unmöglich geworden. Damit werden alle Verbindlichkeiten aus dem Vertrage gemäß § 1447 ABGB. aufgehoben. Die Beklagte hat aber aus dem Verkauf des Leders einen Nutzen gezogen, u. zw. in der Höhe von 55.703.34 RM (Klagsbetrag abzüglich 14.324.88 RM). Diesen Nutzen muß sie den Klägern nach § 1041 ABGB. herausgeben. Es handelt sich dabei nicht um die Rückstellung einer anvertrauten Sache, da ja das Geld nicht in Verwahrung gegeben worden war, sondern um eine Geldschuld aus dem Titel der Verwendung. Das gleiche gilt aber auch für das bereits früher von der Beklagten mit Zustimmung der Hinterleger gekaufte Leder. Auch hier handelt es sich um eine Kaufpreisschuld, somit um eine Geldschuld. Von der Verpflichtung zur Zahlung dieser Beträge wird die Beklagte gemäß § 1412 ABGB. nur durch Zahlung frei.

Die Beklagte hat nun den gesamten Klagsbetrag der Volksbank Rankweil zur Überweisung an die Kläger übergeben. Diese Überweisung konnte nicht durchgeführt werden, weil der eingezahlte Betrag gesperrt wurde, welche Sperre bis heute nicht behoben ist. Nun sind aber Geldschulden Schickschulden. Daß die Kläger bei der Volksbank Rankweil ein Konto besessen hätten oder sonst vor der Einzahlung bekanntgegeben hätten, daß die Beklagte durch Einzahlung bei dieser Bank Zahlung leisten könnte, wurde nicht behauptet. Wie der Oberste Gerichtshof bereits im Spruche Nr. 228 ausgesprochen hat, gilt die Einzahlung bei einer Bank zwecks Auszahlung an den Gläubiger nur dann als Zahlung, wenn der angewiesene Betrag dem Gläubiger am vertragsmäßigen Zahlungsort auch wirklich zugekommen ist. Der überwiesene Betrag reist stets auf die Gefahr des Überweisenden (SZ. XXIII/59). Es ist nun unbestritten, daß der eingezahlte Betrag dem Gläubiger nicht zugekommen ist, weil der eingezahlte Betrag bei der Bank gesperrt wurde. Durch die Einzahlung bei der Volksbank Rankweil wurde die Geklagte daher von ihrer Verpflichtung nicht befreit.

Die Beklagte behauptete allerdings, daß die Kläger diese Einzahlung konkludent als Zahlung anerkannt hätten und berief sich hiebei auf die vorgelegte Korrespondenz, aus der sich ergebe, daß die Kläger vom Erlag sowohl von der Beklagten als auch der Volksbank Rankweil verständigt wurden, die Kläger ersuchten, zu veranlassen, daß der erlegte Betrag auf ein Konto der Kläger bei der Creditanstalt-Bankverein erlegt werde, daß den Klägern Kontoauszüge übermittelt wurden und diese die Richtigkeit des Saldos bestätigten. Dieser Rechtsansicht, der auch die Untergerichte gefolgt sind vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizutreten. Wenn sich die Kläger um die Überweisung des eingezahlten Betrages bemühten, beinhaltet dies keineswegs ein Anerkenntnis der Überweisung als Zahlung. Es versteht sich von selbst, daß die Kläger vorerst versuchten, die Zahlung ohne weitere Inanspruchnahme der Beklagten zu erlangen und von der Beklagten nur jenen Betrag begehrten, der durch die Überweisung nicht hereinzubringen ist. Ein solches Verhalten allein läßt noch nicht den Schluß zu, daß die Überweisung im vollen Umfang als Zahlung anerkannt werden sollte (§ 863 ABGB.). Diese Handlung läßt nur das Bemühen der Kläger erkennen, die Beklagte vor Schaden zu bewahren. Daran ändert nichts, daß sie die Richtigkeit des Saldos bestätigten, da sie ja gegen dessen Richtigkeit keine stichhältigen Einwendungen vorbringen konnten. Ein Schluß auf ein Anerkenntnis war hier umso weniger berechtigt, als die Einzahlung zu einer Zeit erfolgte, zu der der Erlaß Nr. 3 bereits herausgekommen war und es der Beklagten von vornherein klar sein mußte, daß eine Überweisung an die Gläubiger nicht möglich sein wird. Für einen solchen Fall hat der Oberste Gerichtshof übrigens bereits zu SZ. XXI/38 ausgesprochen, daß die Überweisung keine Wirkung haben kann.

Nach der Sachlage, wie sie derzeit dem Akte entnommen werden kann, wäre bei Vorliegen der Aktivlegitimation der Kläger das Klagebegehren der Kläger berechtigt. Es bleibt allerdings beiden Parteien unbenommen, im Zuge des weiteren Verfahrens erster Instanz ihr Vorbringen und ihr Beweisanbieten zu ergänzen, sodaß eine Bindung der Untergerichte an obige Rechtsansicht nur für den Fall eines unveränderten Sachverhaltes gegeben ist.

Da sich eine neuerliche Verhandlung in erster Instanz als notwendig erweist, waren demnach beide untergerichtlichen Urteile aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

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