OGH 2Ob722/54

OGH2Ob722/548.10.1954

SZ 27/252

Normen

ABGB §786
JN §1
ABGB §786
JN §1

 

Spruch:

Der eigenberechtigte Noterbe kann das ihm zustehende Recht auf Rechnungslegung nur mit Klage geltend machen.

Entscheidung vom 8. Oktober 1954, 2 Ob 722/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Waidhofen an der Ybbs; II. Instanz:

Kreisgericht St. Pölten.

Text

Das Erstgericht wies den von dem eigenberechtigten Pflichtteilsberechtigten im Zuge der Verlassenschaft nach seiner Mutter Cäcilie K., geb. G., gestellten Antrag auf Rechnungslegung durch den Alleinerben (erblasserischen Witwer) ab.

Das Rekursgericht hingegen gab in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung dem Antrage statt.

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß des Revisionsrekurses des erblasserischen Witwers die Beschlüsse der Untergerichte als nichtig auf und verwies den Noterben auf den Rechtsweg.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist davon auszugehen, daß der pflichtteilsberechtigte erblasserische Sohn bereits im Zeitpunkte der Antragstellung eigenberechtigt war. Bei großjährigen Personen hat das Abhandlungsgericht nur insofern für die Sicherung des Pflichtteilsanspruches zu sorgen, als es das Gesetz vorschreibt. Es hat demnach nur die Schätzung gemäß § 784 ABGB. vorzunehmen, das Inventar zu errichten (§ 804 ABGB.) und die Absonderung des Verlassenschaftsvermögens von dem Vermögen des Erben durchzuführen (§ 812 ABGB.) und dies im übrigen auch nur dann, wenn ein darauf gerichteter Antrag des Noterben vorliegt. Im übrigen bleibt es diesem überlassen, seine Ansprüche im Prozesse durchzusetzen (Weiß in Klangs Kommentar, 2. Aufl., zu § 775, S. 867). Der eigenberechtigte Noterbe hat nicht nur seine Forderung auf Entrichtung des Pflichtteiles, sondern auch das ihm nach dem Hofdekret vom 27. März 1847, JGS. Nr. 1051 zustehende Recht auf Rechnungslegung mit Klage geltend zu machen. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird auch noch durch nachstehende Überlegungen gestützt. Die Schätzung des Nachlassens zum Zwecke der Inventarisierung ist auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen (§ 784 ABGB.). Von den auf diese Weise festliegenden Aktiven sind die Schulden abzuziehen, die bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorhanden waren (§ 97 AußstrG.). Auf Grund dieses Inventars ist zwar der Pflichtteil auszumessen, zu entrichten aber ist er in dem im § 786 ABGB. vorgesehenen Umfange (Weiß, a. a. O., S. 904). Der Noterbe ist zum Zwecke der Feststellung der Höhe des ihm gebührenden Pflichtteiles berechtigt, von dem Erben über den ihm nach § 786 gebührenden verhältnismäßigen Anteil an dem in der Zeit zwischen Todestag des Erblassers und wirklicher Zuteilung des Pflichtteiles entstandenen Gewinn und Verlust Rechnung zu fordern. Dieses Recht wird dem Noterben durch das oben angeführte Hofdekret unter Hinweis auf § 830 ABGB. eingeräumt. Damit will der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, daß dem Pflichtteilsberechtigten im Hinblick auf die im § 786 ABGB. festgelegte Gemeinschaft des Noterben mit dem Erben das gleiche Recht auf Rechnungslegung gegenüber dem Gemeinschafter (Erben) zustehe, wie es dem Teilhaber an einer Eigentumsgemeinschaft zukomme. Der Teilgenosse einer solchen Eigentumsgemeinschaft kann aber sein diesbezügliches Recht auf Rechnungslegung nur im streitigen Wege geltend machen (Entscheidung ZBl. 1928 Nr. 43 und Weiß a. a. O., S. 1097 unter Berufung auf diese Entscheidung). Auch daraus, daß der Verlassenschaftsrichter sich nur mit dem Pflichtteilsausweis des minderjährigen Pflichtteilsberechtigten zu befassen hat (§ 162 AußstrG.), ergibt sich für den eigenberechtigten Noterben die Notwendigkeit, sich ein Urteil zu verschaffen, das ihn in die Lage versetzt, seinen Pflichtteilsanspruch zu errechnen (siehe hiezu GlUNF. 6340). Schließlich wird der Noterbe die Richtigkeit einer Rechnung über den Zuwachs und Anfall am Verlassenschaftsvermögen nur an Hand eines Ausweises über das Stammvermögen zu prüfen in der Lage sein. Daraus folgert die Rechtsprechung, daß die dem Erben gegenüber dem Noterben kraft Gesetzes obliegende Verpflichtung zur Rechnungslegung zugleich auch die Pflicht zur Angabe des Verlassenschaftsvermögens enthält, und gewährt dem Pflichtteilsberechtigten demgemäß die Klage nach dem ersten Fall des Artikel XLII EGzZPO. (SZ. I/89).

Aus allen diesen Gründen ist der Oberste Gerichtshof der Ansicht, daß der eigenberechtigte Noterbe seinen Anspruch auf Rechnungslegung gegenüber dem Erben nur im Rechtswege erheben kann. Dies führt im Hinblick auf die Bestimmung des § 42 Abs. 4 JN. zur Aufhebung der Beschlüsse der Untergerichte als nichtig und zur Verweisung des Antragstellers auf die Klage.

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