OGH 1Ob676/54

OGH1Ob676/5415.9.1954

SZ 27/225

Normen

Grundbuchsgesetz §88
Grundbuchsgesetz §89
Grundbuchsgesetz §126
Grundbuchsgesetz §130
Grundbuchsgesetz §88
Grundbuchsgesetz §89
Grundbuchsgesetz §126
Grundbuchsgesetz §130

 

Spruch:

Nach Grundbuchsrecht sind, abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmsfällen, Vorerledigungen und daher auch Erteilung von Fristen grundsätzlich unzulässig.

Zulässigkeit des Rekurses gegen unzulässige Fristerteilung.

Entscheidung vom 15. September 1954, 1 Ob 676/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Neusiedl am See; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Rekurswerber stellten am 2. Jänner 1954 beim Grundbuchsgericht den Antrag auf Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung ob der dem Verpflichteten G. P. gehörigen Liegenschaftshälfte. Am 1. Dezember 1953 wurde von E. K. ein Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechts hinsichtlich dieser Liegenschaftshälfte eingebracht. Zur Beibringung der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes wurde ihm am 2. Dezember 1953 eine Frist bis 1. März 1954 gewährt; diese Frist wurde am 2. März 1954 bis 1. Mai 1954 verlängert. Die Rekurswerber bekämpften die Fristverlängerung mit dem Antrag auf Abweisung des Fristgesuches verbunden mit dem Antrag auf Abweisung des Einverleibungsgesuches des E. K.

Das Rekursgericht hat den Rekurs als unzulässig mit der Begründung zurückgewiesen, daß zwar die Legitimation zur Rekurserhebung gemäß § 9 AußstrG. (§ 126 GBG.) gegeben sei, daß aber der Beschluß, mit dem K. eine Frist erteilt wurde, ein grundbücherlicher Vorbescheid sei, gegen den kein Rekurs zulässig sei.

Der Oberste Gerichtshof hat den Beschluß des Rekursgerichtes aufgehoben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Der Rekurs der betreibenden Parteien gegen den Zurückweisungsbeschluß ist zulässig und begrundet, weil der Oberste Gerichtshof die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes nicht teilt, daß gegen grundbücherliche Vorbescheide ein Rekurs nicht stattfindet. Wohl hat die Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, EvBl. 1946 Nr. 276 die gegenteilige Meinung vertreten, abgehend davon, daß gemäß § 95 Abs. 1 GBG. ein Grundbuchsgesuch entweder zu bewilligen oder abzuweisen sei und daß Vorbescheide (Vorerledigungen) - von den Ausnahmsfällen des Gesetzes abgesehen - unstatthaft seien. Weil aber eine derartige unstatthafte Erledigung - so meint die erwähnte Entscheidung - vorliege, sei selbst unter Bedachtnahme auf einen nach § 9 AußstrG. berechtigten Rechtsmittelwerber der Rekurs unzulässig.

Dieser Ansicht kann aus folgenden Gründen nicht beigepflichtet werden: Grundsätzlich sind - von den gesetzlichen Ausnahmsfällen abgesehen - Vorerledigungen und somit Erteilung von Fristen unzulässig (Bartsch, Grundbuchsgesetz, 7. Aufl., 1933 S. 94/95; im gleichen Sinne Demelius, Österreichisches Grundbuchsrecht, Manz, 1948 S. 40/41). Aber schon Bartsch verweist a. a. O. Anm. 77 auf seinen Aufsatz über die Lockerung des Vorbescheidsverbotes in NotZ. 1930, S. 33 und Demelius verweist gleichfalls auf S. 41 der angegebenen Schrift darauf, es gelte der Grundsatz, daß das frühere mangelhafte Gesuch nicht den Vorrang vor dem späteren einwandfreien haben soll, weshalb dieser Zweck durch eine Praxis gerechtfertigt werde, die sich bis zu einem gewissen Grade über das Verbot hinwegsetzt: "Die Verbesserung von Fehlern wird zugelassen, solange kein Gesuch eines anderen mit dem unerledigten ersten zusammentrifft; das Einlangen eines solchen nötigt zur Abweisung des noch nicht verbesserten ersten."

Diese letzte Ansicht in Verbindung mit dem von Sattler in NotZ. 1949, S. 18 ff. aufgestellten Grundsatz, daß dort, wo durch die richterliche Verfügung keine Grundbuchseintragung unmittelbar angeordet wird, die Rechtsmittelbestimmungen der §§ 9 ff. AußstrG. gelten, welche Meinung auch die frühere und spätere Rechtsprechung vertreten hat (SZ. XVI/50, SZ. XX/35, EvBl. 1951, Nr. 368), rechtfertigt nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die Zulässigkeit des Rekurses auch dann, wenn eine Fristerteilung unzulässig war. Abgesehen davon, daß auch eine unzulässigerweise erteilte Frist, deshalb, weil sie erteilt worden ist, beachtlich bleibt, ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes auch aus der Meinung Sattlers a. a. O. S. 19, daß Rekurse - unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 9 ff. AußstrG. - zulässig sind, "wenn ein Gesuch um Verlängerung einer Frist, welche erweitert werden kann, vom Gerichte bewilligt oder abgewiesen wird, z. B. gegen die Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Erhebung der Rechtfertigungsklage oder in den Fällen der §§ 88, 89 GBG."

nicht etwa zu entnehmen, daß ein Rekurs nur bei zulässigen Vorbescheiden erlaubt sei. Wenn man nämlich gemäß § 9 AußstrG. jedem, der durch eine Erledigung - und, wie gezeigt, auch im Falle eines Vorbescheides - in seinen Rechten beeinträchtigt erscheint, den Rekurs zubilligt, so muß dieser gerade im Falle eines unzulässigen Vorbescheides umsomehr zugestanden werden, als sonst bei Zurückweisung des Rekurses - wie im konkreten Falle - die Rechtsmittelwerber um ihr zwangsweises Pfandecht kommen könnten, das sie erlangt hätten, hätte das Grundbuchsgericht nicht einen unzulässigen Vorbescheid erlassen. Denn der Umstand, daß die Rekurswerber auch den Beschluß, mit dem die Einverleibung des Eigentumsrechtes des neuen Eigentümers bewilligt wurde, angefochten haben, bildet keine sichere Gewähr dafür, daß ihr von Haus aus einwandfreies Recht noch Berücksichtigung finden werde. Nur dann, wenn man die Ansicht vertreten würde, die Rekurswerber wären zur Rekurserhebung nicht legitimiert, weil es sich bei der Fristerteilung (an K.) nur um eine Förmlichkeit handelte, die das Grundbuchsgericht auch von Amts wegen hätte verfügen können, wäre der Rekurs unzulässig. Diese Meinung wurde in einem ähnlichen Falle vom Oberlandesgerichte Krakau im Jahre 1880 (NotZ. 1882, Nr. 39) vertreten. Diese Meinung vermag aber der Oberste Gerichtshof nicht zu billigen. Er hält vielmehr den Rekurs für zulässig, dies umsomehr als - wie dies Demelius a. a. O. hervorgehoben hat - die Praxis in der Frage der Zulässigkeit von Vorbescheiden andere Wege geht (s. die Entscheidungen bei Wegan, Das Grundbuchsrecht, 1953, S. 63, Nr. 12, 13), als das die richtige Meinung vertretende Schrifttum, das sich auf den Wortlaut des Gesetzes stützt.

Es war daher der angefochtene Beschluß auch begrundet, weshalb der Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes aufzuheben war. Das Rekursgericht wird daher den Rekurs der betreibenden Parteien sachlich zu behandeln haben.

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