OGH 3Ob522/54

OGH3Ob522/548.9.1954

SZ 27/221

Normen

ABGB §871
ABGB §875
ABGB §1041
ABGB §1431
ABGB §871
ABGB §875
ABGB §1041
ABGB §1431

 

Spruch:

Bei der irrtümlichen Zahlung einer fremden Schuld kann Rückzahlung nur bei Irrtum über das Valuta-, nicht aber über das Deckungsverhältnis gefordert werden. Wenn der Zahlungsempfänger vom Irrtum des Zahlenden keine Kenntnis hatte, kann sich dieser nur an den halten, für den er zu Unrecht geleistet hat.

Entscheidung vom 8. September 1954, 3 Ob 522/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der beim Kläger angestellte Basilius W. hat am 2. Juli 1950 beim Beklagten einen Elektrokühlschrank gegen Kassazahlung erworben und dadurch beglichen, daß er in eine Girosammelanweisung der klagenden Partei an die steiermärkische Bank, die vom Kläger selbst unterschrieben worden war, als letzte Post nachträglich einen Überweisungsauftrag an die beklagte Partei in der Höhe des Rechnungsbetrages aufnahm und auf der Girokarte, die dem Geldempfänger ausgefolgt wird, die Rechnung über den Kühlschrank als Verwendungszweck der Überweisung anführte. Die Überweisung wurde von der Bank am 3. August 1950 auftragsgemäß durchgeführt. Erst im Mai 1953 kamen die Betrügereien des Basilius W., u. a. auch die vorstehende Überweisung, ans Licht. Er wurde deshalb wegen des Verbrechens des Betruges verurteilt.

Die klagende Partei begehrt Rückzahlung des überwiesenen Betrages von der beklagten Partei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, daß die Fälschung des Giroauftrages nicht das Verhältnis zwischen den Streitteilen berühre, sondern nur jenes zwischen dem Kläger und W. beziehungsweise dem Kläger und der Bank. Die Bestimmung des § 1041 ABGB. komme nicht in Betracht, weil das Geld nicht ohne Geschäftsführung zum Nutzen des Beklagten verwendet worden sei. § 1431 ABGB. könne nicht angewendet werden, weil der Irrtum nicht dem Kläger, sondern der Bank unterlaufen sei.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren im wesentlichen statt. Es ging davon aus, daß die Überweisung auf einen Irrtum des Klägers zurückzuführen sei, der dadurch ermöglicht wurde, daß er allzu leichtfertig auf seinen langjährigen Angestellten vertraute. Der Kläger habe durch die Manipulationen seines Angestellten ohne sein Wissen eine Nichtschuld bezahlt, sodaß die Voraussetzungen des § 1431 ABGB. gegeben seien.

Über Revision des Beklagten stellte der Oberste Gerichtshof das erstrichterliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu Unrecht hielt das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer Kondiktion nach § 1431 ABGB. für gegeben. Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle kann zurückgefordert werden, wenn der Empfänger der Leistung auf diese gegen den Leistenden kein Recht hat. Dieser Rechtssatz beschränkt sich aber auf den Fall, daß der Leistende eine eigene, wenn auch nur vermeintliche Schuld bezahlen wollte, nicht aber auf den Fall, daß er die Schuld eines anderen beglichen hat und der Empfänger die Zahlung auch als Schuld dieses Dritten angenommen hat. Bei der irrtümlichen Zahlung einer fremden Schuld findet die Rückzahlung nur wegen eines Irrtums über die Gültigkeit des Rechtstitels des Gläubigers statt (Einwendungen aus dem Valutaverhältnis), nicht dagegen wegen eines Irrtums, der im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Leistenden (Deckungsverhältnis) unterlaufen ist, es sei denn, daß der Empfänger der Leistung von dem Irrtum Kenntnis hatte oder haben mußte. Von letzterem Fall abgesehen, kann sich der Leistende immer nur an den halten, für den er zu Unrecht geleistet hat und nicht an den gutgläubigen Leistungsempfänger. Nur diese Lösung entspricht auch den Bedürfnissen des Geschäftsverkehres. Im vorliegenden Fall kommt dazu, daß der Beklagte der Gläubiger W.s war, der überwiesene Betrag nach Inhalt des Überweisungsauftrages zur Tilgung der Schuld W.s bestimmt war und die Forderung des Beklagten, der nach der Vorschrift des § 1423 ABGB. zur Annahme der Zahlung verpflichtet war, durch die Zahlung erloschen ist. Der Kläger muß sich daher an W. halten, der die Überweisung durch List veranlaßt hatte und der durch die Zahlung von seiner Schuld befreit worden ist und dadurch als der Bereicherte anzusehen ist.

Die gleiche Auffassung hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung GlUNF. 2958 vertreten. Das Rückforderungsrecht wurde mit der Begründung versagt, daß irrtümlich nicht die eigene Schuld, sondern eine fremde Schuld geleistet worden war. Der Fehler lag in diesem Fall gleichfalls im Deckungsverhältnis. In der Entscheidung GlU. 3065 wurde das Zurückforderungsrecht nur deshalb eingeräumt, weil in der irrtümlichen Annahme einer eigenen Verpflichtung geleistet worden war. Ebenso war dies in der Entscheidung GlU. 9153 der Fall. In gleicher Weise entschied das Deutsche Reichsgericht in RGZ. 60, 24 in einem ähnlichen Fall unter Berufung auf die gemeinrechtliche Lehre, nach der immer nur der als der Bereicherte anzusehen ist, dessen Schuld vom Leistenden irrtümlich getilgt wurde. Ausdrücklich findet sich dieser Rechtssatz nur im Code civil (Art. 1377).

Der Kläger kann sich deshalb nicht auf § 1331 ABGB. berufen. Noch weniger aber läßt sich der Fall nach § 1041 ABGB. in einem für den Kläger günstigen Sinn lösen. Die Verwendungsklage richtet sich grundsätzlich gegen den Bereicherten. Dies ist im vorliegenden Fall nicht der Beklagte, sondern W. Sie ist als subsidiärer Rechtsbehelf nur dort heranzuziehen, wo mangels einer eigenen Leistung des Geschädigten ein Kondiktionsanspruch versagt ist. Hat aber der Geschädigte selbst geleistet, dann kann er nur unter den Voraussetzungen des § 1431 ABGB., keinesfalls aber nach § 1041 ABGB. das Geleistete zurückverlangen. Die Versionsklage ist schon deshalb nicht am Platz, weil die Zahlung nicht zum Nutzen des Beklagten, sondern zum Nutzen des W. erfolgte, sodaß sie nur gegen diesen gerichtet werden könnte.

Das Ergebnis entspricht der Sachlage auch deshalb, weil der Schaden durch den Mißbrauch eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Angestellten ermöglicht wurde und es daher richtig ist, daß sich der geschädigte Dienstgeber an seinen Dienstnehmer und nicht an den gänzlich unbeteiligten Beklagten zu halten hat, der gutgläubig lieferte und gutgläubig die Zahlung in Empfang nahm.

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