OGH 1Ob405/54

OGH1Ob405/541.9.1954

SZ 27/211

Normen

ABGB §1002
ABGB §1020
ABGB §1002
ABGB §1020

 

Spruch:

Die vereinbarte Unwiderruflichkeit einer Vollmacht ist wirksam, wenn mit der Bevollmächtigung ein über das zu besorgende Geschäft hinausgehender Zweck erreicht werden soll.

Auch bei der Unwiderruflichkeit der Vollmacht können wichtige Gründe den Machtgeber berechtigen, das Bevollmächtigungsverhältnis zu lösen.

Entscheidung vom 1. September 1954, 1 Ob 405/54.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin hat der Beklagten, ihrer Tochter, am 28. Februar 1953 die Vollmacht zur Verwaltung der der Klägerin gehörigen Häuser K., G.-Straße 22 und 24, entzogen. Sie verlangt von der Beklagten die Herausgabe der die Verwaltung betreffenden Unterlagen und der für die Verwaltung notwendigen Schlüssel.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Am 6. August 1948 habe die Klägerin die Beklagte gemäß § 1002 ABGB. mit der Hausverwaltung betraut. Als Entgelt sollte die Beklagte fünfzehn Prozent der Zinse und der Betriebskosten, sowie eine unentgeltliche Wohnung erhalten. Die Hausverwaltung sollte bis zum Lebensende der Beklagten dauern. Der in dieser Abmachung liegende Verzicht der Klägerin, das Bevollmächtigungsverhältnis zu lösen, wäre nach dieser Ansicht des Erstgerichtes nur dann als zulässig anzusehen, wenn er auf bestimmte Zeit und nicht wie im vorliegenden Fall auf unvorhersehbare Dauer abgegeben worden wäre. Aber auch wenn der Widerrufsverzicht unbeschränkt zulässig wäre, könnte der Bevollmächtigungsvertrag nach der Meinung des Erstgerichtes jedenfalls aus wichtigen Gründen gelöst werden. Solche lägen vor. Die Beklagte habe nämlich der Klägerin nicht Rechnung gelegt und Rechtsstreitigkeiten gegen die Klägerin angestrengt, die deren Vertrauen zur Beklagten erschüttern mußten. Der Gatte der Beklagten habe beim Arbeitsgericht Graz gegen die Klägerin eine Klage auf Bezahlung eines Arbeitsentgeltes von 120.722.60 S eingebracht. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß sie im Zusammenhang mit der Hausverwaltung für Verbindlichkeiten hafte und daher die Verwaltung noch nicht aus der Hand geben könne. Denn sie habe für diese Verbindlichkeiten keine Bürgschaft übernommen.

Infolge Berufung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerberin vermißt Feststellungen der Untergerichte darüber, daß der Vater der Beklagten ihr im Jahre 1947 die Hausverwaltung unwiderruflich auf Lebensdauer übertragen und damit deren Zukunft sichern und ihr zu Unterhaltszwecken ein Einkommen und eine Wohnung gewährleisten wollte, die ihr nicht einseitig entzogen werden könnten. Es ist richtig, daß das Berufungsgericht den Zweck, den der Vater und die Mutter der Beklagten mit der Übertragung der Hausverwaltung an die Beklagte und dem Verzicht auf Widerruf verfolgten, nicht klargestellt hat. Das Revisionsgericht ist jedoch der Meinung, daß eine Klarstellung nicht erforderlich war. Denn selbst wenn der Beklagten auf deren Lebensdauer eine Zukunftssicherung und freie Wohnung geboten werden und der Bevollmächtigungsvertrag daher Unterhaltscharakter haben sollte, könnte der Verzicht auf Widerruf der Vollmacht nicht als schlechthin unbedingt wirksam angesehen werden. Die Rechtsbeziehungen aus einem Hausverwaltungsvertrag sind ein Dauerschuldverhältnis, bei dessen Begründung nicht feststeht, wie sich die Beziehungen in Zukunft gestalten würden. Anders als bei einem gewöhnlichen Rechtsgeschäft liegt dem Vertrag, mit dem ein auf längere Zeit berechneter rechtlicher Zusammenhang der Partner zustande kommt, bis zu einem gewissen Grad die stillschweigende Voraussetzung zugrunde, daß sich die Verhältnisse, wie sie beim Vertragsschluß bestanden, nicht wesentlich verschieben. Darauf, daß die weitere Entwicklung der lebendigen und veränderlichen Beziehungen der Vertragsteile nicht vorausgesehen werden kann, ist es zurückzuführen, daß das Gesetz für die gewöhnlichen Dauerschuldverhältnisse, wie den Bestand-, den Dienst-, aber auch den Bevollmächtigungsvertrag, Lösungsmöglichkeiten vorsieht, die zur sofortigen oder befristeten Aufhebung des Vertrages führen (vgl. dazu Gschnitzer bei Klang, 2. Aufl. zu § 859, S. 27, Gschnitzer, Die Kündigung nach deutschem und österreichischem Recht, Iherings Jahrbuch 76, S. 349). Für den Bevollmächtigungsvertrag gilt § 1020 ABGB. nach dem es dem Machtgeber freisteht, die dem Machthaber erteilte Vollmacht nach Belieben, also ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, zu widerrufen. Er ist daher grundsätzlich berechtigt, ohne Angabe von Gründen das Bevollmächtigungsverhältnis zu beenden.

Dem Machtgeber wird unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zustehen, auf sein gesetzliches Recht des Widerrufs zu verzichten. Anders als beim normalen Bevollmächtigungsvertrag, der sich in der Besorgung von Geschäften für einen anderen erschöpft, gibt es nämlich Fälle, in denen die Geschäftsbesorgung einen darüber hinausgehenden Zweck erreichen soll. Dazu gehört der Fall, daß dem Machthaber auf bestimmte oder Lebenszeit Unterhalt in der Form des Honorars für die Geschäftsbesorgung geboten werden soll. Etwas derartiges hat im vorliegenden Fall die Beklagte behauptet. Wenngleich der Machthaber hier zum Unterschied vom gewöhnlichen Bevollmächtigungsvertrag einen Anspruch hat, daß ihm die Vollmacht nicht ohneweiters entzogen wird, kann er den Widerruf dennoch nicht hindern, wenn sich die Verhältnisse dergestalt geändert haben, daß dem Machtgeber der unbeschränkte Weiterbestand des Rechtsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Darum wird von der Lehre (Swoboda bei Klang, 1. Aufl., zu § 1021, S. 837, Schey, Obligationsverhältnisse, S. 686 ff., ähnlich schon Zeiller III/1, S. 300 unten, vergleiche auch Herz, Die unwiderrufliche Vollmacht, JBl. 1952, S. 505 ff.) anerkannt, daß auch bei Unwiderruflichkeit der Vollmacht wichtige Gründe den Machtgeber berechtigen können, aus dem Vertrag auszuspringen.

Sofern im vorliegenden Fall solche wichtige Lösungsgrunde bestehen, ist es darum nicht erforderlich, auf den genauen Vertragszweck der Bestellung der Beklagten zur Verwalterin der in Frage stehenden Häuser einzugehen. Denn auch wenn ihr Vater und die Klägerin auf das Widerrufsrecht verzichtet haben sollten, müßte sich die Beklagte bei Vorliegen wichtiger Gründe die Lösung und den Verlust ihrer Rechte aus dem Hausverwaltungsvertrag gefallen lassen. In dieser Richtung stellte das Berufungsgericht fest, daß die Beklagte trotz Aufforderung der Klägerin dieser über die Verwaltung der Häuser nicht Rechnung gelegt und dem Buchprüfer größte Schwierigkeiten in den Weg gelegt hat. Erste Pflicht eines Hausverwalters ist die Aufrechterhaltung des Vertrauens seines Gewaltgebers. Dazu gehört dessen Informierung über den Ablauf der Verwaltung (§ 1012 ABGB.). Ein Hausverwalter, der nicht Rechnung legt, obwohl die Verwaltung zweier Häuser keine übermäßigen Anforderungen an ihn stellen kann, und Aufforderungen und Überprüfungswünsche des Machtgebers unberücksichtigt läßt, ist, auch wenn dieser Zustand nach längerer Zeit doch zur Rechnungslegung geführt hat und wenn dem Machthaber auch keine Unregelmäßigkeit zur Last gelegt werden kann, für den Machtgeber untragbar. Wenn dazu kommt, daß der Gatte der Beklagten, wenn auch aus dem Titel des Arbeitsentgeltes, an die Klägerin sehr hohe Forderungen stellt und schwerwiegende Familienstreitigkeiten wegen des Familienunternehmens entbrannt sind, kann ein erträgliches Zusammenarbeiten zwischen den Streitteilen nicht mehr erwartet werden. Dabei spielt es keine Rolle, daß auch der Klägerin ein gewisses Maß an Schuld an den Familienstreitigkeiten zugemessen werden könnte. Maßgebend ist nur, daß sich die Beklagte grundlos und schuldhaft geweigert hat, Rechnung zu legen und ihre Verwaltungstätigkeit überprüfen zu lassen. Dadurch hat die Beklagte das Ihrige getan, um die Beziehungen zwischen ihr und der Klägerin unerträglich zu machen. Da wichtige Lösungsgrunde vorliegen, muß sich die Beklagte mit dem Verlust ihrer Stellung als Hausverwalterin abfinden.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie die Verwaltung so lange nicht abgeben könne, als sie persönlich Verpflichtungen aus der Hausverwaltung habe. Andernfalls wäre nach ihrer Ansicht das Auflösungsbegehren der Klägerin als zur Unzeit gestellt anzusehen. Das Gesetz gibt ihr nicht das Recht, Kündigungsfristen in Anspruch zu nehmen. Sie könnte nach § 1020 ABGB. nur verlangen, daß ihr die Klägerin die Kosten und den Schaden ersetze. Im übrigen hat das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, daß die Beklagte für die Verbindlichkeiten aus der Hausverwaltung keine Bürgschaft übernommen hat. Das Berufungsgericht ist von dieser Feststellung nicht abgegangen.

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