OGH 1Ob567/54

OGH1Ob567/5414.7.1954

SZ 27/200

Normen

EO §353
EO §356
EO §353
EO §356

 

Spruch:

Der betreibende Gläubiger kann sich auch selbst zur Vornahme einer vertretbaren Handlung ermächtigen lassen.

Entscheidung vom 14. Juli 1954, 1 Ob 567/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die verpflichtete Partei wurde für schuldig erkannt, den früheren Zustand in der Weise wiederherzustellen, daß sie dort, wo der bestehende Zaun die Ausübung des Wege- und Umladerechtes unmöglich macht, entweder diesen Teil des Zaunes entfernt oder sonst Vorkehrungen trifft, daß der Kläger in der Ausübung des Wege- und Umladerechtes nicht behindert wird.

Das Erstgericht hat den betreibenden Gläubiger ermächtigt, den Zaun in diesem Umfang entweder durch einen Dritten entfernen zu lassen oder selbst zu entfernen.

Über Rekurs des Verpflichteten wurde die Ermächtigung des betreibenden Gläubigers, den Zaun selbst zu entfernen, beseitigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Exekutionstitel läßt dem Verpflichteten die Wahl zwischen der Entfernung des Zaunes und anderen Leistungen. Der Gläubiger konnte aber nach § 12 EO. die Exekution zur Durchsetzung einer dieser Leistungen, also insbesondere zur Entfernung des Zaunes, beantragen. Auch die Exekutionsart ist nicht vergriffen. Der Umstand, daß der Verpflichtete eine Handlung auf eigenem Gründe vorzunehmen hat, läßt die Exekution durch Ermächtigung nicht als unzulässig erscheinen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob sich die Bewilligung der Exekution auf § 353 EO. oder auf § 356 EO. zu stützen hätte. Der Vollzug der Exekution ist wohl insofern auch vom Verpflichteten abhängig, als er die Vornahme der ihm aufgetragenen Handlung auf eigenem Grund dulden muß. Doch gäbe ein Widerstand des Verpflichteten nur Anlaß ihn gemäß § 357 EO. zu brechen (SZ. VI/171, 1 Ob 279/52). Die Untergerichte haben also mit Recht die Exekution durch Ermächtigung des betreibenden Gläubigers bewilligt. Allerdings ist dem Rekursgericht darin nicht beizustimmen, daß die betreibende Partei nicht ermächtigt werden kann, den Zaun selbst zu entfernen. Es ist zwar in den §§ 353 und 356 EO. nur von einer Ermächtigung die Rede, die vom Verpflichteten geschuldeten Handlungen vorzunehmen oder den vorigen Zustand "wiederherstellen zu lassen". Dadurch soll aber in keiner Weise zum Ausdruck gebracht werden, daß der betreibende Gläubiger nicht auch selbst Hand anlegen darf. Die Exekutionsordnung denkt nur an den Regelfall, daß der betreibende Gläubiger gar nicht gewillt oder in der Lage ist, die dem Verpflichteten obliegenden Handlungen selbst vorzunehmen. Die Absicht des Gesetzes kann nicht in der Verhinderung einer schikanösen Rechtsausübung liegen, denn der Dritte, der die Arbeit verrichtet, wird ja nicht, etwa um ein unangemessenes Vorgehen des betreibenden Gläubigers zu verhindern, unmittelbar vom Gerichte bestellt und von diesem beauftragt. Der Dritte wird vielmehr ausschließlich vom betreibenden Gläubiger bestellt und beauftragt. Er handelt lediglich im Auftrage, auf Weisung und unter Aufsicht des betreibenden Gläubigers.

Die ihm erteilten Aufträge können also ebenso schikanös und unangemessen sein wie die eigenen Handlungen des betreibenden Gläubigers. Es besteht also trotz des Gesetzeswortlautes kein Anstand, in den Fällen der §§ 353 und 356 auch den Gläubiger selbst zur Vornahme der Arbeiten zu ermächtigen.

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