OGH 2Ob493/54

OGH2Ob493/5430.6.1954

SZ 27/187

Normen

Todeserklärungsgesetz §9
Todeserklärungsgesetz §11
Todeserklärungsgesetz §9
Todeserklärungsgesetz §11

 

Spruch:

Verhältnis von § 11 Todeserklärungsgesetz zu § 9 Todeserklärungsgesetz.

Entscheidung vom 30. Juni 1954, 2 Ob 493/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit rechtskräftigem Beschluß vom 17. Juni 1953, 48 T 1352/52-11, wurde der österreichische Staatsangehörige Otto Josef N., geboren am 22. September 1889 in Wien als Sohn des Alexander N. und der Theresia, geb. Z. für tot erklärt und der 8. Mai 1945 als der Tag bestimmt, den der Verschollene nicht überlebt hat.

Mitte September 1953 stellten Rudolf L. und Juliane O., beide Geschwister der am 8. April 1945 verstorbenen Gattin des für tot erklärten Otto Josef N., den Antrag auf Berichtigung des Datums der Todeserklärung, da gemäß § 23 Abs. 1 des Todeserklärungsgesetzes 1950, BGBl. 1951, Nr. 23, ein rechtliches Interesse an der Berichtigung gegeben sei. Bei Annahme des 8. Mai 1945 als Todestag des verschollenen Otto N. kämen lediglich die Erbberechtigten nach Otto N. zum Zuge. Nun hätten Otto N. und seine verstorbene Gattin Anna N., die Schwester der Antragsteller, ein Testament auf Gegenseitigkeit hinterlassen. Da der Todestag der Anna N. (8. April 1945) feststehe, dagegen der des vermißten Schwagers nur ein angenommener sei, müsse zur gerechten Behandlung für beide erbberechtigte Gruppen, d. h. jener nach Otto N. und der nach Anna N. der 8. April 1945 als gemeinsamer Todestag im Wege eines Berichtigungsbeschlusses festgesetzt werden.

Die zum Antrag stellungnehmende zuständige Staatsanwaltschaft Wien bejahte zwar das Interesse der Antragsteller an der Berichtigung der Todeserklärung hinsichtlich des Sterbedatums, nicht aber die Voraussetzungen für eine solche Berichtigung und beantragte daher die Abweisung des Antrages.

Das Erstgericht wies den Berichtigungsantrag ab, weil die Antragsteller keinen Beweis dafür anbieten konnten, daß Otto N. vor oder nach dem 8. Mai 1945 gestorben sei. Auch die über ihren Antrag erfolgte Anfrage an die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht habe zu einem positiven Ergebnis nicht geführt.

Der Rekurs der Antragsteller blieb ohne Erfolg, das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Antragsteller als unzulässig zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Soweit im Todeserklärungsgesetz nicht etwas anderes verfügt wird, sind im Verfahren über das Ansuchen um eine Todeserklärung die allgemeinen Anordnungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen in Anwendung zu bringen (§ 14 des Gesetzes). Im Falle einer bestätigenden Entscheidung des Rekursgerichtes findet aber nur wegen einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt. Dabei ist der Begriff "offenbare Gesetzwidrigkeit" jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gleichzuhalten. Zum Begriff der offenbaren Gesetzwidrigkeit gehört, daß die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz selbst so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (E. v. 5. Oktober 1949, EvBl. 1950, Nr. 13; E. v. 12. November 1947, EvBl. 1947, Nr. 840 u. a.).

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller Rudolf L. und Juliane G. strebt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses in der Weise an, daß dem Antrage auf Berichtigung stattgegeben und an Stelle des mit Beschluß vom 17. Juni 1953, OZ. 11, genannten Tages der 8. April 1945 als jener bestimmt wird, den Otto Josef N. nicht überlebt habe. Die Beschwerdeführer bekämpfen die Auffassung des angefochtenen Beschlusses, daß die mit der Todeserklärung verbundene Vermutung des Todes für den darin festgesetzten Todestag durch die Vermutung des § 11 des Gesetzes nicht widerlegt werden könne, als offenbar gesetzwidrig. Richtigerweise müsse die Bestimmung des § 11 des Gesetzes als Spezialbestimmung aufgefaßt werden, die zwingend vorschreibe, daß in jenen Fällen, in denen es rechtlich von Bedeutung ist, ob von mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Menschen der eine den anderen überlebt hat, zu vermuten ist, daß sie gleichzeitig gestorben seien. Liege ein Fall wie der gegenständliche vor, dann sei als vermutlicher Todestag jener festzustellen, an dem die andere Person tatsächlich gestorben ist; denn die Bestimmung des § 11 des Gesetzes müsse auch dadurch erfüllt werden können, daß ein nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 9 und 10 des Todeserklärungsgesetzes vermuteter Todestag in den nach § 11 zwingend zu vermutenden Todestag berichtigt werde. Es wäre völlig unbillig, daß der Zufall darüber entscheiden dürfe, ob das Gericht vom Vorliegen eines Sachverhaltes nach § 11 des Gesetzes Kenntnis habe oder nicht und zum Nachteil der Mitberechtigten nach anderen Bestimmungen des Todeserklärungsgesetzes einen anderen vermutlichen Todestag feststelle. Der Rechtsstandpunkt des angefochtenen Beschlusses erscheine umso bedenklicher, als die Beschwerdeführer (Antragsteller) vom Todeserklärungsverfahren zunächst keinerlei Kenntnis gehabt hätten und im vorangegangenen Verfahren ihr rechtliches Interesse an der Anwendung des § 11 des Todeserklärungsgesetzes nicht geltend machen konnten.

Die Beschwerdeführer behaupten zwar, daß der angefochtene Beschluß mit einer offenbaren Gesetzwidrigkeit behaftet sei, doch liegt eine solche nicht vor. § 23 Todeserklärungsgesetz eröffnet u. a. denen, die an einer Berichtigung der Todeserklärung ein rechtliches Interesse haben, die Möglichkeit, die Aufhebung oder Berichtigung der Todeserklärung zu beantragen, wenn der Verschollene nach der Todeserklärung noch am Leben oder an einem anderen Tag als dem in der Todeserklärung angegebenen vermuteten Todestag (§ 19) gestorben ist. Beide Untergerichte haben angenommen, daß die Antragsteller einen Beweis in dieser Richtung nicht erbracht haben. Ausgehend von dieser Feststellung fehlt jedwede Grundlage für die begehrte Berichtigung. Aus der amtlichen Begründung des Gesetzes, S. 1314, ergibt sich, daß sich § 11 des Gesetzes auf alle Fälle erstreckt, in denen der Zeitpunkt des Todes wenigstens einer der beteiligten Personen nicht nachgewiesen werden kann. Die Vermutung will also sowohl gelten, wenn mehrere Personen nachweislich - gleichgültig unter welchen Umständen - gestorben sind, der Zeitpunkt der verschiedenen Todesfälle oder wenigstens ihr zeitliches Verhältnis zueinander aber nicht festzustellen ist, als auch wenn der Zeitpunkt des Todes einer beteiligten Person tatsächlich oder auf Grund einer durch eine Todeserklärung begrundeten Vermutung feststeht, der Zeitpunkt des Todes einer anderen Person aber nicht feststellbar ist und für ihn auch keine Vermutung besteht. Aus der ausdrücklichen Erwähnung der für tot erklärten Personen ergibt sich, daß die Vermutung grundsätzlich auch im Falle der Verschollenheit gilt. Dabei ist zu beachten, daß auch die Vermutung des § 9 Abs. 1 und § 21 Abs. 7 des Todeserklärungsgesetzes den vollen Beweis der vermuteten Tatsachen, insbesondere den Beweis für den Zeitpunkt des Todes erbringen. Die auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen ausgesprochenen Vermutungen können daher, solange sie nicht widerlegt sind, durch die Vermutung des § 11 nicht entkräftet werden. Sind die Voraussetzungen des § 11 erfüllt, tritt die Vermutung, die mehreren Personen seien gleichzeitig verstorben, von selbst, d. h. ohne darauf gerichteten richterlichen Spruch ein. Sie ersetzt den Beweis für das zeitliche Verhältnis der mehrfachen Todesfälle zueinander. Steht der Zeitpunkt des Todes einer Person fest, so gilt dieser Zeitpunkt als Todeszeitpunkt der anderen Person, wenn gleichzeitiger Tod nach § 11 vermutet wird (Sabaditsch,

Die Gesetzgebung über Verschollenheit, Todeserklärung und Beweisführung des Todes, S. 40 und Anm. 2 und 3). Völlig unrichtig ist die Behauptung des außerordentlichen Revisionsrekurses, daß die vom zuletzt genannten Autor vertretene Auffassung vereinzelt dastehe und von anderen Kommentatoren nicht geteilt werde. Dr. Egon Arnold führt in seinem Kommentar zu den Verschollenheitsgesetzen auf S. 130 ausdrücklich an, daß eine Anwendung des § 11 nicht in Betracht kommt, wenn ein gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes vermuteter Todeszeitpunkt in einer Todeserklärung oder in einem Todeszeitfeststellungsbeschluß festgestellt ist, weil es an der Voraussetzung der Beweislosigkeit der zeitlichen Aufeinanderfolge von Todesfällen fehlt. Das wäre selbst dann nicht anders zu beurteilen, wenn der nicht zweifelhafte Tod oder die Verschollenheit aller beteiligten Personen infolge desselben Ereignisses eingetreten ist und die einzelnen Todeserklärungen bzw. Todeszeitfeststellungen (verschiedener Gerichte) verschiedene Todeszeitpunkte enthalten. Den daraus resultierenden, oft wirklichkeitsfremden und unbefriedigenden Ergebnissen soll nach Möglichkeit durch die besondere Regelung der örtlichen Zuständigkeit entgegengewirkt werden. Nur wenn die durch eine Todeserklärung oder Todeszeitfeststellung begrundete, widerlegbare Todesvermutung durch den Beweis entkräftet wird, daß der Tod früher eingetreten ist, so kann sich daraus die Möglichkeit einer Anwendung des § 11 ergeben. In gleicher Weise äußern sich Hesse - Kramer, Verschollenheitsgesetz, Erläuterungsbuch, auf Seite

67. In Anmerkung 5 zu § 11 des Gesetzes führt das Buch aus, daß dann, wenn es sich lediglich um das zeitliche Verhältnis des Todes zweier Personen handelt, die für tot erklärt sind, für die Vermutung nach § 11 kein Platz ist, weil die Todeszeitpunkte beider in den Todeserklärungen festgestellt sind und damit als bewiesen gelten. Dasselbe gilt, wenn die eine Person für tot erklärt und die Todeszeit der anderen festgestellt ist oder die Todeszeit beider nach den einschlägigen Vorschriften festgestellt ist. Die Vermutung des § 9 ersetzt somit den vollen Beweis, daß der Verschollene in dem festgestellten Zeitpunkt gestorben ist und die Vermutung des § 11 tritt hinter sie zurück. Voraussetzung der im § 11 geregelten Kommorientenvermutung ist, daß das rechtlich erhebliche Zeitverhältnis mehrerer Todesfälle zueinander nicht bewiesen werden kann. Diese Voraussetzung liegt schon vor, wenn der Zeitpunkt nur einer der in Betracht kommenden Todesfälle nicht feststeht. Zu beachten ist aber nach dem Vorausgeschickten, daß die Vermutung nach § 9 Abs. 1 den vollen Beweis der vermuteten Tatsache, also insbesondere den Beweis für den Todeszeitpunkt erbringt. Daher ist § 11 wegen Fehlens seiner Voraussetzungen nicht anwendbar, wenn ihre in Betracht kommenden Todeszeitpunkte auf Grund dieser Vermutung als bewiesen gelten (Pfundtner - Neubert II b 27, S. 20 zu § 11). Auch Wolff bei Klang 2 1. Band, S. 180 f. steht auf dem von den anderen Schriftstellern vertretenen Standpunkt und meint lediglich, daß sich eine Schwierigkeit ergebe, den Wortlaut des § 11 mit dem § 9 I Verscholl.Gesetz und § 10 VII TodErkl.Ges. in Übereinstimmung zu bringen. Nach dem Wortlaut würde nämlich, so meint Wolff, § 11 auch für den Fall gelten, daß mehrere Personen für tot erklärt worden sind.

In diesem Fall ist aber § 11 nicht anwendbar.

Da im Beschluß, betreffend die Todeserklärung des Otto N. der 8. Mai 1945 als der Tag bestimmt ist, den der Verstorbene nicht überlebt, nach § 21 Abs. 7 dieser Tag als Todestag zu gelten hat, seine Gattin aber bereits am 8. April 1945 gestorben ist, ein Widerlegungsbeweis gegen die durch den Beschluß vom 17. Juni 1953 geschaffene Vermutung nach den Aktenunterlagen nicht gelungen ist, kann weder von einer irrigen rechtlichen Beurteilung noch gar von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit bei Abweisung des Begehrens der Antragsteller die Rede sein. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher infolge Abganges des geltend gemachten Anfechtungsgrundes als unzulässig zurückzuweisen.

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