Spruch:
Die zur Räumung Verpflichtete hat ein Oppositionsrecht, wenn sie nachzuweisen vermag, daß nach Kündigung ihrer Wohnung diese Wohnung von ihrem Lebensgefährten gemietet worden ist.
Entscheidung vom 30. Juni 1954, 3 Ob 341/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Mürzzuschlag; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Das Erstgericht hat die der betreibenden Partei bewilligte Exekution durch zwangsweise Räumung der von der Verpflichteten benützten Wohnung gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 (richtig Z. 5) EO. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Verpflichteten zu 2 C 2/54 des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag eingebrachte Vollstreckungsgegenklage aufgeschoben, da die Verpflichtete bescheinigt habe, daß seit 1. September 1953 nicht mehr sie, sondern ihr Lebensgefährte Johann F. Mieter der gegenständlichen Wohnung sei.
Dem erhobenen Rekurs der betreibenden Partei wurde Folge gegeben und der erstrichterliche Beschluß dahin geändert, daß der Aufschiebungsantrag abgewiesen wird. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, daß der von der Verpflichteten vorgebrachte Einwendungstatbestand (§ 35 EO.), daß Johann F. seit 1. September 1953 Mieter der klagsgegenständlichen Wohnung sei, schon deswegen der Verpflichteten nicht zu einem Erfolg verhelfen könne, weil diese Tatsache nicht die Verpflichtete, sondern eine dritte Person betreffe und somit auch nicht den gegen sie erwirkten Exekutionstitel berühren könne.
Der Oberste Gerichtshof stellte über Revisionsrekurs der Verpflichteten den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Ein gegen den Verpflichteten ergangener Exekutionstitel berechtigt den betreibenden Gläubiger, auch gegen die Familienangehörigen des Verpflichteten, die sich auf Grund eines Familienrechtsverhältnisses in der Wohnung befinden, die Räumungsexekution durchzuführen (Entscheidung vom 9. Juli 1949, MietSlg. 1065). Anderseits können Familienangehörige unter Berufung auf die Mietrechte des Familienhauptes, das sie in die Wohnung aufgenommen hat, eine Räumungsklage abwehren (MietSlg. 43). So wurde z. B. in der Entscheidung vom 7. Juni 1950, 1 Ob 16/50, EvBl. 1950, Nr. 466, ausgesprochen, daß die den Hausstand der Zugewiesenen bildenden Personen akzessorisch an dem durch einen Zuweisungsbescheid begrundeten Benützungsrecht einer Wohnung teilhaben und daher, solange dieses Verhältnis dauert, nicht zum Verlassen der Wohnung gezwungen werden können, weil ihnen ein abgeleitetes Recht, in der Wohnung zu verbleiben, zusteht. Daß der Lebensgefährtin seit der Erlassung der Verordnung vom 5. September 1939, DRGBl. I 1671, kein selbständiger Mieterschutz zustehe, bedeute noch nicht, daß die Lebensgefährtin deshalb nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen zuzurechnen sei.
Die in der Entscheidung 1 Ob 16/50 entwickelten Grundsätze sind auch dann sinngemäß anwendbar, wenn es sich um die Räumungsklage gegen einen im Familienverbande lebenden Lebensgefährten handelt, weil der Vermieter kraft des Mietverhältnisses mit ihrem Lebensgefährten verpflichtet ist, die Lebensgefährtin in der Wohnung zu dulden; das folgt auch aus § 19 (2) Z. 10 MietG.
Wenn aber die Lebensgefährtin aus der Wohnung nicht mit Räumungsklage entfernt werden kann, so muß ihr auch ein Oppositionsrecht zuerkannt werden, wenn sie nachzuweisen vermag, daß nach Kündigung ihrer Wohnung diese Wohnung von ihrem Lebensgefährten gemietet worden ist. Da das Kündigungsurteil sich auf den Sachstand im Zeitpunkt der Kündigung bezieht, ist es auch bedeutungslos, ob die Wohnung noch vor der Erlassung des Kündigungsurteils von ihrem Lebensgefährten gemietet wurde, weil es sich im Kündigungsprozeß um die Beendigung ihres Mietrechtes gehandelt hat, während sie im Oppositionsprozeß geltend macht, daß sie nicht zur Räumung gezwungen werden darf, weil sie mit dem n unmehrigen Mieter im Konkubinat lebt.
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