OGH 2Ob113/54

OGH2Ob113/5428.5.1954

SZ 27/160

Normen

ABGB §521
ABGB §521

 

Spruch:

Der Ausgedingsberechtigte darf eine Pflegeperson in die Ausgedingswohnung aufnehmen.

Entscheidung vom 28. Mai 1954, 2 Ob 113/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Persenbeug; II. Instanz: Kreisgericht Krems.

Text

Das Erstgericht hat die beiden Beklagten verurteilt, den von ihnen benützten, durch eine Holzwand geteilten, links vom Stiegenaufgang, im ersten Stock des Hauses Forstamt D. Nr. 30, gelegenen Raum dem Kläger sofort geräumt zu übergeben. Es hat ausgeführt, daß die beklagten Ehegatten mit ihren drei Kindern den Ausgedingsraum des Josef K. bewohnen. Die Beklagten hätten kein Recht, den gegenständlichen Raum zu bewohnen. Der Ausnehmer habe nicht die Befugnis, den Beklagten mit ihren Kindern Wohnung zu gewähren. Sein Wohnungsrecht sei ein Bestandteil seines Ausgedinges. Es sei ein persönliches Recht, das nur dem Wohnungsberechtigten allein den Gebrauch der Wohnung zu "seinem Bedürfnis" gestatte. Die Aufnahme von verheirateten Kindern samt Enkelkindern sei ihm nicht gestattet. Aber auch die Aufnahme der Tochter (der Zweitbeklagten) allein als Pflegeperson erscheine im gegenständlichen Falle nicht zulässig, weil ein ernstliches Bedürfnis danach nicht bestehe, zumal die Pflege vom Kläger dem Ausnehmer immer angeboten worden sei und noch angeboten werde. Die vom Ausnehmer angestrebte Wohnungsbenützung durch Gewährung der Wohnung an die Beklagten würde den Rahmen des § 521 ABGB. übersteigen und letzten Endes auch zu einer Verletzung des Übergabsvertrages führen. Die Einwendung der Zweitbeklagten, daß sie ein Heimgangsrecht habe, sei rechtlich nicht begrundet. Denn eine Notlage sei von der Zweitbeklagten gar nicht behauptet worden.

Das Berufungsgericht hat den von beiden Beklagten erhobenen Berufungen Folge gegeben, das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurückverwiesen. Zugleich hat es ausgesprochen, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Das Berufungsgericht ist zum Ergebnis gekommen, daß das Räumungsbegehren, soweit es auf das Eigentumsrecht des Klägers gestützt werde, nicht gerechtfertigt sei, weil über den von den Beklagten mitbenützten Raum der Ausgedingsberechtigte allein verfügungsberechtigt sei, die Beklagten mit seinem Willen dort wohnen und ihre Aufnahme keine unzulässige Ausdehnung des Wohnungsrechtes des Ausgedingsberechtigten bilde. Die Entfernung der Beklagten könne nur der Ausgedingsberechtigte begehren. Die Schwierigkeiten bei der Exekution, die daraus entstehen könnten, daß die Räumung begehrt wird und in dem Raum auch Fahrnisse des Ausgedingsberechtigten vorhanden sind, könnten nicht zur Abweisung der Klage führen, wohl aber sei das Begehren auf Übergabe des Raumes an den Kläger verfehlt, weil nicht ihm, sondern Josef K. das Benützungsrecht zustehe. Der Kläger habe das Räumungsbegehren aber auch darauf gestützt, daß sich die Beklagten ihm gegenüber vertraglich zur Räumung verpflichtet hätten. Das Verfahren sei ergänzungsbedürftig, weil dieser zweite Klagsgrund in erster Instanz überhaupt nicht erörtert und auch die vom Kläger zum Nachweise dieser vertraglichen Verpflichtung angebotenen Beweise nicht durchgeführt worden seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht erachtet die Rechtssache, soweit das Räumungsbegehren auf das Eigentumsrecht des Klägers gestützt wurde, als spruchreif im Sinne der Klagsabweisung; da aber das Räumungsbegehien auch auf die Behauptung, daß sich die Beklagten dem Kläger gegenüber vertraglich zur Räumung verpflichtet hätten, gestützt werde und dieses Vorbringen bisher nicht erörtert, bzw. dessen Richtigkeit geprüft worden sei, müsse das Verfahren in erster Instanz in dieser Hinsicht ergänzt werden.

Laut Übergabsvertrag vom 24. Juni 1943 (Beilage B) steht dem Vater des Klägers und dem Zweitbeklagten Josef K. ein Ausgedinge zu, u. zw. bestehend unter anderem aus dem Recht der Bewohnung und Alleinbenützung des großen Zimmers im ersten Stocke des Hauses Forstamt D. Nr. 30 sowie der anschließenden Küche. Zutreffend hat das Berufungsgericht die im Vertrage vorgesehene "Alleinbenützung" der Räume nach dem Zusammenhange der Vertragsbestimmungen dahin verstanden, daß dadurch das Mitbenützungsrecht des Übernehmers (des Klägers) ausgeschlossen werden sollte. Hinsichtlich der Tochter des Ausgedingers, der Zweitbeklagten Johanna T., trifft ferner bereits auf Grund der Aktenlage die Erwägung des Berufungsgerichtes zu, daß sie ihr Vater in die ihm zur selbständigen Verfügung überlassenen Wohnräume aufnehmen darf, weil der Vertrag eine gegenteilige Bestimmung nicht enthält und die Zweitbeklagte zur Bedienung und Pflege ihres alten Vaters erforderlich ist (vgl. Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 569 f., sowie Klang, in seinem Kommentar, 2. Aufl., II zu § 523, S. 626 in Verbindung mit S. 599). Richtig hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, daß es dem Ausgedingsberechtigten freistehen müsse, die ihm nach dem Übergabsvertrag zustehende Betreuung durch den Eigentümer ohne Angabe von Gründen abzulehnen und diese durch eine andere Person seiner Wahl durchführen zu lassen (der etwaige Ersatz der Pflegekosten steht nicht zur Erörterung). Daß der Ausgedinger die Pflege seiner Tochter, der Zweitbeklagten, nicht ständig in Anspruch nehme, bzw. diese an der Pflege ihres Vaters zeitweilig verhindert sei, wie der Rekurswerber vorbringt, ist für die Beurteilung des gegenständlichen Begehrens ohne Bedeutung, weil es doch auf den Regelfall ankommt und selbst nach dem Vorbringen des Klägers kein Zweifel daran bestehen kann, daß der Ausgedinger die Pflege seiner Tochter, wenn er sich im Hause des Klägers in den Ausgedingsräumen aufhält, regelmäßig in Anspruch nimmt und erhält. Soweit also das Räumungsbegehren gegen die Zweitbeklagte Johanna T. auf das Eigentumsrecht des Klägers gegrundet wird, ist die Sache im Sinne der Klagsabweisung spruchreif, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat.

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