OGH 4Ob54/54

OGH4Ob54/5425.5.1954

SZ 27/146

Normen

ABGB §1438
AngG §10
EO §294
EO §308
Handelsagentengesetz §6
ABGB §1438
AngG §10
EO §294
EO §308
Handelsagentengesetz §6

 

Spruch:

Pfändbarkeit von Provisionsansprüchen eines Provisionsvertreters, die durch Abzug von den Anzahlungen der Kunden hereingebracht werden.

Entscheidung vom 25. Mai 1954, 4 Ob 54/54.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht gab der auf Bezahlung von 1035 S gerichteten Drittschuldnerklage Folge. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt-Wien vom 3. Dezember 1952 sei zur Hereinbringung der vollstreckbaren Unterhaltsforderung des jetzigen Klägers als betreibenden Gläubigers von 2263 S s. A. gegen den Verpflichteten Alfred L. dessen Forderung aus Arbeitseinkommen als Provisionsvertreter des Beklagten und Drittschuldners bis zur Höhe von 10% gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden. Der Beschluß sei dem Beklagten am 6. Dezember 1952 zugestellt worden. In der Zeit vom 1. Dezember 1952 bis 31. Mai 1953 habe der Verpflichtete Alfred L. beim Beklagten insgesamt 10.347 S an Provision auf die Weise bezogen, daß er sich die einzelnen Teilbeträge von den ihm geleisteten Anzahlungen der Kunde vorweg abgezogen habe. Auf Grund der Pfändung wäre es nach Ansicht des Erstgerichtes Pflicht des Beklagten gewesen, diese im Vertrag vom 26. Feber 1951 bedungene Zahlungsweise abzuändern und die Provisionsbeträge an die betreibende Partei abzuführen. Anderenfalls wäre der Exekutionsvereitlung Tür und Tor geöffnet, weil gegen Verpflichtete, die ihre Provision selbst kassierten, Forderungen niemals hereingebracht werden könnten.

Infolge Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß die Klage abgewiesen wurde. Der Beklagte habe auf Grund der vertraglichen Bestimmungen nicht die Möglichkeit gehabt, dem richterlichen Pfändungsbefehl nachzukommen, da er dem Verpflichteten faktisch niemals Arbeitsentgelt ausbezahlt habe. Der Pfändungsbeschluß habe den Beklagten nicht verpflichtet, den Dienstvertrag abzuändern. Im übrigen schulde der Verpflichtete dem Beklagten derzeit noch 2492.94 S für nicht abgeführte Kundenzahlungen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes bewirkte die Pfändung der Provisionsansprüche des Verpflichteten Alfred L., daß der Beklagte die jeweils fälligen Provisionen jenem nicht mehr auszahlen durfte, und zwar auch nicht auf dem Weg, daß sich Alfred L. die entfallenden Beträge von den eingehenden Zahlungen der Kunden vorweg abziehen durfte. Wenn es auch richtig ist, daß die Forderung des Überweisungsgläubigers inhaltlich mit der des Verpflichteten identisch ist, bewirkt die Pfändung der Forderung doch eine Abänderung der Abmachungen zwischen dem Verpflichteten und dem Drittschuldner in der Richtung, daß jede Art der vereinbarten Zahlung an den Verpflichteten wegzufallen hat. Denn nach § 294 Abs. 1 EO. ist dem Drittschuldner die Zahlung an den Verpflichteten schlechtweg verboten.

Der Beklagte kam rechtlich in den Besitz der Provisionsbeträge auf die Weise, daß der Verpflichtete als sein Stellvertreter die Anzahlungen der Kunden entgegennahm. In der stillschweigenden Zurückbehaltung der auf die Provision entfallenden Beträge durch den Verpflichteten, mit der der Beklagte nach dem Inhalt des Vertrages vom 26. Feber 1951 einverstanden war, lag die Bezahlung der Provision durch diesen.

Vom Zeitpunkt der Pfändung der Provisionsforderung des Verpflichteten angefangen hätte der Beklagte dem Verpflichteten die auf den gepfändeten 10%igen Teil der jeweiligen Provision entfallenden Beträge abverlangen müssen und ihm diese nicht lassen dürfen. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß er aus dem Titel nicht vollständig abgeführter Kundenzahlungen Gegenforderungen besitze, die den Provisionsanspruch des Verpflichteten von vornherein vernichtet hätten. Denn von der Pfändung angefangen durfte der Beklagte die nachher - nämlich auf Grund der jeweiligen Zahlungseingänge beim Verpflichteten - entstehenden Gegenforderungen dem gepfändeten Teil des Provisionsanspruches nicht mehr entgegensetzen, sondern mußte ihn dem Kläger abführen und mit dem Verpflichteten wegen Bezahlung der dem Beklagten gebührenden Beträge unabhängig davon einigen (vgl. SZ. XVIII/215). Wenn der Beklagte auch den zur Zeit der Pfändung bestehenden Zahlungsrückstand des Verpflichteten von 2200 S von dessen später fällig gewordenen Provisionen abziehen durfte, konnte dies zugunsten der späteren Gegenforderungen des Beklagten nicht mehr geschehen. Da der in der fraglichen Zeit entstandene Provisionsanspruch unbestrittenermaßen 10.347 S ausmacht und der Rückstand von 2200 S darin ausreichende Deckung findet, hätten die vom Kläger geforderten 10% des Gesamtprovisionsbetrages in der Höhe von 1035 S vom Beklagten dem Kläger abgeführt werden können und müssen. Der Beklagte war verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, daß die seit der Pfändung vom Verpflichteten einkassierten Beträge, soweit darin Provisionen enthalten sind, an ihn abgeführt werden. Da er dies nicht getan hat und zugelassen hat, daß der Verpflichtete die Provisionen weiter für sich einkassiert hat, so ist er dem betreibenden Gläubiger dafür haftbar (vgl. Entscheidung des deutschen RArbG. vom 7. September 1938, JW. 1938, 3316).

Da es nach den bisherigen Ausführungen gleichgültig ist, mit welchem Betrag an nicht abgeführten Kundenzahlungen der Verpflichtete beim Beklagten belastet ist, brauchte dessen Höhe nicht festgestellt zu werden. Auf die im Zusammenhang damit geltend gemachten Revisionsgrunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit brauchte daher nicht eingegangen zu werden.

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