OGH 1Ob295/54

OGH1Ob295/5412.5.1954

SZ 27/129

Normen

ABGB §1295
ABGB §1338
AHG §1
KFG §2
Kraftfahrverordnung §24
Kraftfahrverordnung §27
ABGB §1295
ABGB §1338
AHG §1
KFG §2
Kraftfahrverordnung §24
Kraftfahrverordnung §27

 

Spruch:

Es begrundet keine Rechtswidrigkeit gegenüber einem am Genehmigungsverfahren nicht beteiligten Dritten, wenn ein zur Ausstellung der Zulassungsgenehmigung für Kraftfahrzeuge bestimmter Beamter der Landesregierung in den Zulassungsbescheid ein unrichtiges Baujahr einsetzt und diese Angabe vom Dritten zu bestimmungsfremden Zwecken verwertet wird (§ 1 AHG.).

Entscheidung vom 12. Mai 1954, 1 Ob 295/54.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht wies die gegen die Republik Österreich auf Bezahlung eines Schadenersatzbetrages von 16.000 S gerichtete Amtshaftungsklage ab. Mit dem Kaufvertrag vom 24. Juni 1949 habe der Kläger von Paul H. einen Personenkraftwagen Fabrikat Opel, Type Olympia, um 27.000 S gekauft. Vorher, nämlich mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 15. Juni 1949, sei der Kraftwagen gemäß § 2 Kraftfahrgesetz 1946 geprüft und genehmigt und den Vorschriften der Kraftfahrverordnung 1947 entsprechend befunden worden. Im Punkt 6 dieses Bescheides sei das schätzungsweise ermittelte Erzeugungsjahr 1939 angegeben worden. Es sei ausgesprochen worden, daß der Kraftwagen für den Verkehr auf Straßen geeignet sei. Am 4. Juli 1949 sei das Fahrzeug durch den Zollfahndungsdienst beschlagnahmt und von der Zollstrafbehörde sodann eingezogen worden, weil es sich um ein Erzeugnis der Opelwerke aus dem Jahr 1949 und nicht 1939 handle, das verbotswidrig durch Ing. W. aus Reichenhall eingeführt und fälschlich als Aufbaufahrzeug deklariert worden sei. In der Folge habe das Bundesministerium für Finanzen dem Kläger den Rückkauf des Kraftwagens zum halben Preis von 13.500 S bewilligt, den dieser geleistet habe. Die Beklagte hafte dem Kläger nicht für den Schaden, den dieser dadurch erlitten habe, daß er im Vertrauen auf die Angabe des Erzeugungsjahres 1939 im Bescheid vom 15. Juni 1949 den Kraftwagen gekauft, mit der Notwendigkeit der Verzollung nicht gerechnet habe und für die Erhaltung des dann für verfallen erklärten Fahrzeugs den eingeklagten Betrag habe aufwenden müssen. Die Typisierung eines Kraftwagens diene ausschließlich dem Zweck, dessen Betriebs- und Verkehrssicherheit zu ermitteln. Die Angabe des Baujahres sei nur ein unwesentlicher Teil dieser Verwaltungstätigkeit und diene bloß statistischen Zwecken. Diese Angabe sei auch nicht erforderlich, damit das Fahrzeug zugelassen werde. Mit der Überprüfung des Ursprungs des Kraftwagens und des Eigentums habe die Typisierungsstelle nichts zu tun. Dem Zulassungswerber H. gegenüber habe die Landesregierung Salzburg pflichtgemäß gehandelt. Eine gesetzliche Pflicht dieses Amtes zu handeln habe gegenüber dem Kläger überhaupt nicht bestanden, so daß es an einem rechtwidrigen Verhalten des Rechtsträgers fehle. Im übrigen habe es das Organ der Landesregierung an der nach den gewöhnlichen Fähigkeiten zumutbaren Aufmerksamkeit bei der Schätzung des Baujahres nicht fehlen lassen. Denn ein Opel-Kraftwagen der Erzeugung 1939 unterscheide sich kaum von einem der Erzeugung des Jahres 1949. Es komme auch keine Haftung nach § 1299 ABGB. in Frage. Denn der technische Sachverständige der Landesregierung habe nicht damit rechnen können, daß der Kläger der statistischen Angabe des Baujahres die Bedeutung eines Ursprungszeugnisses beimessen würde. Der Kläger müsse sich seinen Schaden selbst zuschreiben, weil er nach den Umständen des Falles beim Ankauf des Kraftwagens von einer übel beleumundeten Person an der Ordnungsmäßigkeit des Geschäftes hätte zweifeln müssen. Mangels eines Rechtswidrigkeits-, Schuld- und Verursachungszusammenhanges habe die Klage abgewiesen werden müssen.

Infolge Berufung des Klägers bestätigte das Berufungsgericht in der Hauptsache das erstgerichtliche Urteil. Das Erstgericht sei mit Recht vom Zweck der Typisierung ausgegangen, weil dieser auch das Maß der Vorsicht und Aufmerksamkeit bestimme, mit welcher die Organe der mit ihr befaßten Dienststellen vorzugehen hätten. Dieser Zweck sei die Feststellung der Betriebs- und Verkehrssicherheit eines Fahrzeuges. Auch ein Dritter dürfe den Inhalt des Genehmigungsbescheides nur von dem Gesichtspunkt beurteilen, das mit dem in Frage kommenden Bescheid die einwandfreie technische Funktion und die Betriebssicherheit des Fahrzeuges festgestellt worden sei. Die Angabe des Baujahres bilde keinen wesentlichen Bestandteil des Bescheides. Die Rechtswidrigkeit der Angabe des Baujahres 1939 sei auszuschließen. Außerdem könne ein Verschulden der beteiligten Organe nicht angenommen werden. Denn der Fehler bei der Beurteilung des Baujahres sei mit Rücksicht darauf entschuldbar, das Opel-Kraftwagen des Baujahres 1949 zur damaligen Zeit in Österreich noch nicht in Erscheinung getreten seien und überdies auf die Angabe des Erzeugungsjahres keine besondere Genauigkeit habe aufgewendet werden müssen. Der Kläger sei der nötigen Aufmerksamkeit beim Abschluß des Kaufvertrages nicht überhoben gewesen. Daran habe er es fehlen lassen. Soweit der Kläger anderweitige in der nach § 8 AHG. an die Finanzprokuratur gerichteten Anerkennungsaufforderung nicht enthaltene, Tatumstände zur Begründung seines Schadenersatzanspruches heranziehe, könne darauf keine Rücksicht genommen werden. Denn die Aufforderung nach § 8 AHG. sei eine formalrechtliche Voraussetzung des Klageanspruchs. Da es an den für die Schadenersatzpflicht der Beklagten erforderlichen Merkmalen der Rechtswidrigkeit und der Schuld mangle, habe die Frage nach dem Ursachenzusammenhang offen bleiben können. Dem Kläger sei für den erlittenen Schaden nur der Verkäufer H., nicht aber die Beklagte haftbar.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 2 Kraftfahrgesetz 1946 dürfen auf Straßen nur solche Kraftfahrzeuge geführt werden, die entweder einzeln oder als einer bestimmten Type zugehörig vom Landeshauptmann genehmigt und überdies von der Bundespolizeibehörde oder der Bezirksverwaltungsbehörde zum Verkehr zugelassen worden sind. Der Genehmigung hat eine technische Prüfung voranzugehen, die nach den §§ 2 bis 24 Kraftfahrverordnung 1947 vorzunehmen ist. Nach § 27 Abs. 2 (§ 29 Abs. 2) dieser Verordnung ergeht die Genehmigung in Form eines Bescheides, dem eine technische Beschreibung der Fahrzeugtype oder des Fahrzeuges beizuschließen ist. Der Zweck des gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungsverfahrens besteht darin, daß die Betriebstauglichkeit des Fahrzeuges geprüft wird, die wieder die Voraussetzung dafür bildet, daß es von der Polizei zum Verkehr zugelassen wird. Die gesetzlichen Bestimmungen und das Genehmigungsverfahren sollen verhindern, daß nicht einwandfreie Kraftwagen die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gefährden. Der Schutz des Straßenverkehrs ist daher der Zweck der Normen und der nach ihnen durchgeführten Verwaltungsverfahren. Darauf hat das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen.

Im vorliegenden Fall hat der Landeshauptmann von Salzburg bei der technischen Beschreibung des Fahrzeuges den Zeitpunkt der Erzeugung des fraglichen Personenkraftwagens mit dem Jahr 1939 geschätzt. Tatsächlich wurde das Fahrzeug aber erst im Jahre 1949 erbaut. Auch diese Angabe hat, soweit sie nach den Feststellungen der Untergerichte überhaupt als für die Genehmigung wichtig angesehen werden kann, nur den Zweck, die technische Beschreibung abzurunden und zur Klarstellung beizutragen, daß das Kraftfahrzeug als verkehrssicher zu beurteilen sei. Die Bezeichnung des nach der Schätzung anzunehmenden Baujahres ist daher nicht dazu bestimmt, dritten Personen die Überzeugung zu verschaffen, daß das angegebene Jahr unbedingt richtig sein müsse, und sie aus dieser Bezeichnung Schlußfolgerungen tatsächlicher oder rechtlicher Art ableiten zu lassen, die mit der Verkehrssicherheit nichts zu tun haben. Die technische Beschreibung ist mit einem Wort nicht dazu da, unbeteiligten Dritten die für ihre Interessen notwendigen Erhebungen über die Type, das Baujahr usw. des Kraftwagens zu ersparen.

Ebenso wie das für die technische Beschreibung zuständige Staatsorgan mit der weitgehenden Verwertung der Angaben zu bestimmungsfremden Zwecken nicht rechnen und daher dem geringen der Feststellung der Betriebsfähigkeit dienenden Wert der Angabe des Baujahrs entsprechend an dessen Klarstellung geringere Mühe wenden konnte, war auch dem am Genehmigungsverfahren nicht beteiligten Kläger erkennbar, daß er die der Verkehrssicherheit dienenden behördlichen Angaben nicht kritiklos für seine Zwecke benutzen durfte.

Das Verhalten des Organs der Beklagten bei der Feststellung des Erzeugungsjahres könnte, da es möglicherweise seiner Pflicht, die technischen Daten des Kraftfahrzeuges genau zu erheben, widersprochen hat, als rechts-, das heißt normwidrig angesehen werden. Allein der Rechtswidrigkeitszusammenhang bestunde höchstens mit Schäden, die sich daraus ergeben haben könnten, daß die Betriebssicherheit des Fahrzeugs zu Unrecht angenommen wurde. Im Verhältnis zum Kläger indessen ist ein solcher Zusammenhang abzulehnen, weil die verletzte Norm seinen Interessen nicht dient.

Nach § 1 Abs. 1 AHG. ist für jede Amtshaftung der Republik Österreich oder anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts Voraussetzung, daß deren Organe dem Verletzten gegenüber ein rechtswidriges Verhalten an den Tag gelegt haben. Im vorliegenden Fall fehlt es an dieser Voraussetzung und deshalb kann der Kläger Schadenersatz durch die Beklagte nicht in Anspruch nehmen. Weiterer Schadensgrunde kann sich der Kläger, wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, wegen § 8 AHG. nicht bedienen.

Bei dieser Rechtslage brauchte auf die Fragen des Kausalzusammenhanges und des Verschuldens des Organes und damit auch der Anwendbarkeit des § 1299 ABGB. nicht eingegangen zu werden.

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