OGH 3Ob252/54

OGH3Ob252/545.5.1954

SZ 27/120

Normen

ABGB §860
ABGB §936
ABGB §1295
ABGB §860
ABGB §936
ABGB §1295

 

Spruch:

Wegen Abbruches von Vertragsverhandlungen kann Schadenersatz nur begehrt werden, wenn das Verhalten desjenigen, der die Verhandlung abbricht, den Regeln des redlichen Verkehrs widerspricht.

Entscheidung vom 5. Mai 1954, 3 Ob 252/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Hollabrunn; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.

Text

Zwischen den Parteien war bereits in den Jahren 1936 und 1937, zu welcher Zeit der Kläger bei der Beklagten beschäftigt war, davon gesprochen worden, daß die Beklagte, wenn sie einmal ihr Geschäft nicht mehr selbst führen wolle, dieses dem Kläger verkaufen werde. Im Juli 1952 forderte die Beklagte den Kläger brieflich auf, ihr zu schreiben oder selbst zu kommen, um wegen des Pachtvertrages, von dem bei gelegentlichen Besuchen des Klägers in der Zwischenzeit immer wieder die Rede war, näheres zu besprechen. Der Kläger leistete dieser Aufforderung Folge und fuhr mit seiner Frau zur Beklagten wegen Regelung der Einverleibung. Mit Schreiben vom 4. August 1952 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß es zum Pachtvertrag wahrscheinlich erst ab Neujahr 1953 kommen werde. In der Folge hat dann der Kläger gemeinsam mit seiner Frau die Beklagte mehrmals unaufgefordert besucht, um wegen des Pachtvertrages nachzufragen. Am 18. Dezember 1952 teilte die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, daß der Abschluß des Vertrages vor Weihnachten nicht mehr möglich sein werde, weil die Notare um diese Zeit viel zu tun hätten, deshalb solle erst am 10. Jänner 1953 die Übernahme erfolgen. Die Beklagte forderte den Kläger hiebei auch auf, einem Telegramm sofort Folge zu leisten, damit der Kläger die Zeit bis zur Übernahme für die Beklagte arbeiten könne, ihren derzeitigen Gehilfen habe sie bereits gekundigt. Am 26. Dezember 1952 schickte die Beklagte dem Kläger den Entwurf eines Pachtvertrages und am 30. Dezember 1952 die telegraphische Aufforderung, sofort zu kommen. Der Kläger leistete dieser Aufforderung Folge. In der Zeit vom 30. Dezember 1952 bis 12. Jänner 1953 hat der Kläger bei der Beklagten gearbeitet. Zum Abschluß des Pachtvertrages ist es aber nicht gekommen.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens auf Verpflichtung der beklagten Partei zum Ersatz des Schadens, den der Kläger durch Aufgabe seiner Stellung erlitten habe.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil und wies das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Niemand ist verpflichtet, eingeleitete Vorverhandlungen fort- und zu Ende zu führen. Für ihren Abbruch haftet er nur nach § 1295 Abs. 2 ABGB., d. h. er haftet, da er zum Abbruch der Verhandlungen berechtigt war, nur dann, wenn er die Verhandlungen in der Absicht abgebrochen hat, um den anderen Teil zu schädigen. Eine solche Absicht haben aber die Untergerichte nicht festgestellt.

Wenn Kläger, wie das Erstgericht festgestellt hat, auf Grund der Korrespondenz und der Besprechung damit gerechnet, daß es zum Vertrag kommen werde, und deshalb seine ungekundigte Stellung aufgegeben hat, so hat er, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt, voreilig gehandelt, da er, solange der Vertrag nicht perfekt war, immer noch mit der Möglichkeit rechnen mußte, daß die Beklagte doch nicht abschließt. Er kann daher auch nicht den Ersatz des ihm durch sein voreiliges Handeln erlittenen Schaden von der Beklagten verlangen, weil ihr kein Verschulden zur Last liegt.

Wenn Kläger in der Revision den Schadenersatzanspruch darauf stützen will, daß die Beklagte im telegraphiert habe, er möge sofort kommen, damit er, da sie wegen Sperre des Geschäftes ihren derzeitigen Gehilfen gekundigt habe, die Zeit bis zur Übernahme für sie arbeiten könne, so kann Kläger auch aus diesem Umstand keinen Ersatzanspruch ableiten.

Deswegen, weil die Beklagte dem Kläger schrieb, daß sie ihren bisherigen Burschen gekundigt habe, da es keinen Sinn habe, ihn wegen einiger weniger Tage zu beschäftigen, und dem Kläger den Vorschlag machte, wenn sie telegraphiere, gleich zu kommen und bis zur Übernahme, die sie für 10. Jänner 1953 in Aussicht nahm, gegen den üblichen Gehilfenlohn zu arbeiten, so ist Beklagte deshalb noch nicht verpflichtet gewesen, auch tatsächlich abzuschließen. Sie ist aber auch nicht verpflichtet, ihm deshalb den Schaden zu ersetzen, den er durch freiwillige Aufgabe seiner früheren Stellung erlitten hat, weil er auf den Vorschlag der Beklagten, bis zur Übernahme bei ihr als Gehilfe zu arbeiten, nicht eingehen mußte. Hat er es getan, um sich die Pachtung, auf die er gehofft hat, nicht entgehen zu lassen, bevor er fest abgeschlossen hat, so hat er auf eigene Gefahr gehandelt. Einen Schadenersatz könnte er nur verlangen, wenn er der Beklagten, abgesehen davon, daß sie nicht abgeschlossen hat, irgend einen Vorwurf machen könnte.

Kläger kann der Beklagten weder den Vorwurf machen, daß sie ihn irregeführt hat noch daß sie eine ihr obliegende Aufklärungs-, Mitteilungs- oder Sorgfaltspflicht verletzt hätte. Auch wird ihr nicht, wie das in SZ. VII/66 der Fall gewesen zu sein scheint, der Vorwurf gemacht, daß sie den Kläger absichtlich unter der Vorspiegelung, sie wolle den Vertrag abschließen, hingehalten hat, ohne etwa einen Vertragsabschluß überhaupt beabsichtigt zu haben. Daß sie aber durch den Abbruch der Verhandlungen die Hoffnungen des Klägers enttäuscht hat und er durch Versäumung einer anderwertigen Verdienstmöglichkeit tatsächlich geschädigt wurde, macht sie nicht ersatzpflichtig. Es kann daher auch der Ersatzanspruch auf die Lehre der culpa in contrahendo nicht gestützt werden, weil ihr nicht vorgeworfen werden kann, daß sie ein den redlichen Verkehr nicht entsprechendes Verhalten an den Tag gelegt hat.

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