Spruch:
Haftung des Unternehmers für mangelhafte Verwahrung eines zur Reparatur übergebenen Kraftfahrzeuges, wenn er das Fahrzeug durch einen Angestellten eines anderen Unternehmers, der es nach der Durchführung einer anderen Reparatur bei ihm ablieferte, in eine ungeheizte Garage bringen ließ.
Zum Begriff des Subunternehmers und des Substituten.
Entscheidung vom 14. April 1954, 3 Ob 256/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 6060 S samt Anhang, der im Zuge des Verfahrens auf 6243.34 S erweitert wurde, aus dem Titel des Schadenersatzes mit der Begründung, er habe einen ihm gehörigen Kraftwagen dem Beklagten zur Reparatur übergeben, habe dem Beklagten gleichzeitig den Starterschlüssel zu diesem Wagen ausgefolgt und ihn ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß das Kühlerwasser abzulassen sei; der Beklagte habe die vor der Tapeziererarbeit notwendigen Schweißungen durchgeführt, den Wagen sodann dem Tapezierermeister Ch. zur Durchführung der Tapeziererarbeiten überlassen und von diesem im einwandfreien Zustand wieder übernommen, es aber dann unterlassen, das Kühlerwasser abzulassen, sodaß dieses gefror, den Motorblock zerriß und den Kühler beschädigte. Hiedurch liefen aus dem Verschulden des Beklagten Reparaturkosten in der Höhe des Klagsbetrags auf.
Das Prozeßgericht wies zunächst das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Kläger den Wagen und den Starterschlüssel dem Beklagten in der Form übergab, daß er den Wagen in den Hof der Werkstätte des Beklagten hinstellte und den Starterschlüssel dem Beklagten übergab, daß letzterer den Wagen übernahm und persönlich zum Tapezierer Ch. führte, daß Ch. die Tapeziererarbeiten fertigstellte und daß sodann der Angestellte des Ch. S. ohne Ch.'s Wissen den Wagen dem Beklagten zurückstellte, der aber die Übernahme mit der Begründung ablehnte, er habe für den Wagen keinen Platz, worauf S. den Wagen in die Halle eines gewissen R. einstellte, ohne daß das Kühlerwasser abgelassen wurde; dem Beklagten war bekannt, daß der Wagen bei R. eingestellt wurde. Das Gefrieren des Kühlerwassers und der dadurch am Wagen eingetretene Schaden entstand bei R. Nach Ansicht des Prozeßgerichtes ist sowohl Ch. als der Beklagte dem Kläger gegenüber als selbständiger Unternehmer aufgetreten; da der Beklagte die Übernahme des Wagens nach Fertigstellung der Tapeziererarbeiten abgelehnt hat, befand sich der Wagen im Zeitpunkte des Eintrittes des Schadens noch in der Gewahrsame des Ch., weshalb den Beklagten keine Haftung treffe. Aber selbst wenn man annehmen würde, daß der Wagen sich bereits in der Verfügungsgewalt des Beklagten befunden habe, da der Beklagte wußte, daß S. den Wagen in die Halle des R. einstelle, sei eine Haftung des Beklagten für das Verhalten des S. als seines Besorgungsgehilfen nicht gegeben, weil die Haftung nach § 1315 ABGB. voraussetze, daß sich der in Anspruch Genommene einer untüchtigen Person bedient habe. Daß S. untüchtig gewesen sei, sei weder behauptet noch bewiesen worden. Darüber, ob der Kläger den Beklagten aufmerksam gemacht hat, es sei das Kühlerwasser abzulassen, machte das Prozeßgericht keine Feststellung, es bezeichnete lediglich die diesbezüglichen Angaben des Klägers als "etwas merkwürdig", ohne auszuführen, ob es den bezüglichen Angaben des Klägers Glauben schenke oder nicht.
Das Berufungsgericht hob zunächst das Urteil des Prozeßgerichtes auf und verwies die Rechtssache ohne Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Es war der Rechtsansicht, daß für den Fall, als Ch. Subunternehmer des Beklagten gewesen sein sollte, die Haftung des Beklagten bereits auf Grund des zwischen ihm und dem Kläger abgeschlossenen Werkvertrages gegeben sei. Es sei aber der Beklagte für den dem Kläger entstandenen Schaden auch dann haftbar, wenn zwischen Ch. und dem Beklagten keinerlei Vertragsverhältnis bestanden habe. Da den Beklagten als Mechaniker gemäß § 1299 ABGB. die Pflicht zur besonderen Sorgfalt treffe und er den Wagen vom Kläger zur Durchführung des Werkes und damit auch in Verwahrung übernommen habe, hätte er nach Fertigstellung der Arbeiten des Ch. die Übernahme des Wagens nicht ablehnen dürfen und wäre verpflichtet gewesen, sich darum zu kümmern, ob der Wagen sorgfältig verwahrt werde. Da er dies unterlassen habe, treffe ihn ein Verschulden an dem eingetretenen Schaden und damit auch die Schadenersatzpflicht. Das Verfahren sei aber ergänzungsbedürftig, weil das Prozeßgericht Feststellungen über die Schadenshöhe unterlassen habe. Das Berufungsgericht fand zwar auch die Beweiswürdigung des Prozeßgerichtes für bedenklich, stellte es aber diesem anheim, die Entscheidungsgrundlagen durch klarere Feststellungen zu festigen.
Nun gab das Prozeßgericht dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß der Wagen des Klägers vom Beklagten zur Reparatur übernommen und vom ihm zunächst zu Ch. gebracht wurde, der die Tapeziererarbeiten vornehmen sollte; es habe sich bei der Übernahme des Wagens durch den Beklagten nicht um eine bloße Gefälligkeit des Beklagten gehandelt, sondern der Beklagte habe den Wagen zur Durchführung der Reparaturarbeiten übernommen, somit auch in seine Obsorge, und es sei daher ein Werkvertrag zwischen ihm und dem Kläger zustande gekommen. Ferner habe S. den Wagen nach Fertigstellung der Tapeziererarbeiten zum Beklagten gebracht, dieser habe die Übernahme mit dem Bemerken abgelehnt, er habe keinen Platz für den Wagen, und habe den S. aufgefordert, den Wagen bei R. einzustellen, ohne ihn darauf aufmerksam zu machen, daß er das Kühlerwasser ablassen müsse. Der Beklagte sei daher schadenersatzpflichtig.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes. Es stellte fest, daß der Beklagte die Übernahme des Wagens, den ihm S. nach Fertigstellung der Tapeziererarbeiten gebracht hatte, wegen Platzmangels ablehnte und S. aufforderte, den Wagen bei R. einzustellen. Da der Beklagte mit dem Kläger einen Werkvertrag hinsichtlich der von ihm vorzunehmenden Reparaturarbeiten abgeschlossen hatte, sei er, nachdem die Tapeziererarbeiten beendet waren, verpflichtet gewesen, den Wagen zu übernehmen. Dadurch, daß er dem S. den Auftrag erteilte, den Wagen bei R. einzustellen, habe er zwar in Erfüllung seiner Vertragspflicht aus dem Werkvertrag gehandelt, habe aber die sich aus dem Werkvertrag ergebende Obsorgepflicht verletzt, indem er dem S. keine Weisungen hinsichtlich des Ablassens des Kühlerwassers erteilte, bzw. hafte er für das Verschulden des S. als seines Erfüllungsgehilfen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Als Verfahrensmangel rügt die Revision, daß die Vorinstanzen festgestellt haben, der Wagen sei vom Beklagten übernommen und dann erst dem Ch. übergeben worden, ohne die Aussage des Ch. zu würdigen, nach der es sich bei dem zwischen ihm und dem Kläger abgeschlossenen Vertrag um einen selbständigen Werkvertrag gehandelt habe, und daß dem Antrag des Beklagten auf ergänzungsweise Vernehmung des Zeugen R. nicht stattgegeben wurde.
Es ist der Revision zwar beizupflichten, daß sich aus den tatsächlichen Feststellungen der Untergerichte ergibt, der Kläger habe mit Ch. einen selbständigen Werkvertrag abgeschlossen; dieser hat sich jedoch nur auf die vorzunehmenden Tapeziererarbeiten bezogen. Ch. war daher, da dem Beklagten vom Kläger nur die Durchführung der Autospenglerarbeiten übertragen worden war, nicht Subunternehmer des Beklagten. Denn Subunternehmer ist ein solcher, der die vom Besteller des Werkes dem Unternehmer übertragenen Arbeiten selbst oder durch seine Gehilfen durchführt. Ch. war auch nicht Substitut des Beklagten, da er nicht vom Beklagten zur Durchführung der ihm übertragenen Arbeiten bestellt wurde, sondern vom Kläger selbst. Es könnte daher an sich den Beklagten eine Haftung für das Verschulden des Ch. oder seiner Leute bei der Ausführung der Tapeziererarbeiten nicht treffen. Die Haftung des Beklagten ist aber, wie noch bei der Erörterung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung auszuführen sein wird, deshalb gegeben, weil er auf Grund des zwischen ihm und dem Kläger abgeschlossenen Werkvertrages verpflichtet war, den Wagen nach Fertigstellung der Tapeziererarbeiten zu übernehmen und die ihm vom Kläger übertragenen Spenglerarbeiten durchzuführen, und weil er überdies nach den Feststellungen, zumindest des Berufungsgerichtes, den Wagen insofern bereits in seine Obsorge übernommen hatte, als er dem S. den Auftrag gab, den Wagen bei R. einzustellen. Da Ch. über die Vorgänge bei der Zurückstellung des Wagens an den Beklagten nach Fertigstellung der Tapeziererarbeiten nicht unterrichtet war, kann schon aus diesem Gründe in der Nichtberücksichtigung von Angaben des Ch. ein Verfahrensmangel nicht erblickt werden.
Es sind aber auch die Ausführungen der Revision zum Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht begrundet. Daß das Prozeßgericht nach Aufhebung seines ersten Urteiles zu anderen tatsächlichen Feststellungen gelangt ist, als im aufgehobenen Urteile, kann mit dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. nicht bekämpft werden. Es ist daher ohne Bedeutung, ob die Feststellungen des zweiten Urteiles auf Grund der Meinung des Erstrichters gemacht wurden, er müsse seine Entscheidungsgrundlagen im Sinne der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes ändern. Das Revisionsgericht ist, wie bereits ausgeführt, der Ansicht, daß es sich bei den zwischen dem Kläger, Ch. und dem Beklagten abgeschlossenen Werkverträgen um zwei selbständige Werkverträge handelt; der eine Werkvertrag, der zwischen dem Kläger und dem Beklagten abgeschlossen wurde, bezieht sich auf die Durchführung der Autospenglerarbeiten, der zwischen dem Kläger und Ch. abgeschlossene auf die Vornahme der Tapeziererarbeiten. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich aber, daß der Wagen nach Fertigstellung der Tapeziererarbeiten durch den Angestellten S. des Ch. zum Beklagten gebracht wurde und daß dieser dem S. den Auftrag gegeben hat, den Wagen bei R. einzustellen, ohne ihn darauf aufmerksam zu machen, daß das Kühlerwasser abgelassen werden müsse. Abgesehen davon, daß nach dem zwischen dem Beklagten und dem Kläger abgeschlossenen Werkvertrag der Beklagte verpflichtet war, den Wagen nach Fertigstellung der Tapeziererarbeiten zu übernehmen, und sich seine Weigerung als Vertragsverletzung darstellt, die mit dem dem Kläger entstandenen Schaden im ursächlichen Zusammenhang steht und vom Beklagten verschuldet wurde, hat der Beklagte dem S. den Auftrag gegeben, den Wagen bei R. einzustellen. Dadurch, daß der Beklagte dem S. diesen Auftrag gab, hat er sich des S. als seines Erfüllungsgehilfen bedient und haftet daher gemäß § 1313a ABGB. auf Grund des zwischen ihm und dem Kläger abgeschlossenen Werkvertrages für den dem Kläger entstandenen Schaden; er haftet auch deshalb, weil er unter Verletzung der ihm nach § 1299 ABGB. obliegenden Pflicht, obwohl er die räumlichen Verhältnisse bei R. kannte, den S. nicht darauf aufmerksam machte, das Kühlerwasser abzulassen, oder selbst das Kühlerwasser abließ, obwohl er wußte, daß der Wagen in eine ungeheizte Halle eingestellt wird und daher bei Eintritt von Frost, mit dem er mit Rücksicht auf die Jahreszeit rechnen mußte, Schaden erleiden könnte. Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum die Haftung des Beklagten für den dem Kläger entstandenen Schaden als gegeben erachtet, weshalb der Revision der Erfolg versagt bleiben mußte.
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