OGH 1Ob100/54

OGH1Ob100/5414.4.1954

SZ 27/97

Normen

ABGB §1090
ABGB §1101
ABGB §1090
ABGB §1101

 

Spruch:

Bei Abbauverträgen besteht ein gesetzliches Pfandrecht für die dem Gründeigentümer vertraglich zu leistende Vergütung.

Entscheidung vom 14. April 1954, 1 Ob 100/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Gloggnitz; II. Instanz: Kreisgericht Wr. Neustadt.

Text

Am 24. August 1953 hat das Erstgericht die unter Postzahl 1 des Pfändungsprotokolles gepfändeten 300 Tonnen Schwerspat öffentlich verkauft. Zur Erlösverteilung lagen dem Erstgericht zwei gerichtliche Pfändungspfandrechte der beiden betreibenden Gläubiger

1.) Talkumwerke N. und 2.) Dr. T. vor und ein angebliches gesetzliches Pfandrecht nach § 1101 ABGB. des Erwin und der Cäcilie A., das ist der Gründeigentümer, die mit den beiden Verpflichteten hinsichtlich des geförderten Schwerspates einen "Abbauvertrag" geschlossen haben und hiefür den Anspruch auf eine Tonnagenabgabe im rückständigen Betrage von 7364 S samt Zinsen und Kosten in der Erlösverteilungstagsatzung angemeldet haben. Der gehörig geladene zwangsbetreibende Gläubiger Dr. T. ist zur Erlösverteilungstagsatzung nicht erschienen. Er hat jedoch zur Erlösverteilungstagsatzung seine Forderung samt Nebengebühren angemeldet. Bei der erwähnten Tagsatzung waren der schon erwähnte andere richterliche Pfandgläubiger und das Ehepaar A. vertreten, das seine "Bestandzinsforderung" angemeldet hat. Ein Widerspruch wurde nicht erhoben.

Das Erstgericht berücksichtigte die "Bestandzinsforderung" an erster Stelle und sodann dem Range gemäß die Forderung der Firma Talkumwerke, und wies schließlich den restlichen Erlös von insgesamt 2385.87 S dem Dr. T. auf Abschlag seiner Forderung von 20.000 S s. A. zu.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß zufolge Rekurses des Dr. T. dahin ab, daß der Erlös den beiden Pfändungspfandgläubigern zugewiesen wurde, so daß die Kapitalsforderung Dr. T. noch mit einem Betrag von 9780.54 S unberichtigt aushaftet.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gesetzlichen Pfandgläubiger (Bestandzinsberechtigten) Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist gemäß § 528 ZPO., § 78 EO. zulässig.

Während das Erstgericht das gesetzliche Pfandrecht nach § 1101 ABGB. mit der Begründung bejahte, daß auch Abbauverträge den Regeln der Pachtverträge unterliegen, weil Mineralien als Früchte gelten, an denen nach ihrer Absonderung durch das Schürfen den Verpächtern ein gesetzliches Pfandrecht zustehe, hat das Rekursgericht das gesetzliche Pfandrecht verneint, weil für eine derartige Abgabe (Tonnageabgabe) ein Bestandgeberpfandrecht nicht bestehe, zumal Abbauverträge nicht als Bestandverträge zu werten seien.

Der Revisionsrekurs ist begrundet.

Wenn die gesetzlichen Pfandgläubiger behaupten, der zwangsbetreibende Gläubiger Dr. T. sei zufolge des Umstandes, daß er bei der Erlösverteilungstagsatzung nicht erschienen sei und daher auch keinen Widerspruch erheben konnte, seines Rechtes auf Befriedigung aus dem Verkaufserlöse verlustig gegangen und habe deshalb auch sein Rekursrecht gegen den Beschluß des Erstgerichtes eingebüßt, so ist diese Ansicht nicht richtig. Die schriftliche Forderungsanmeldung war bei der Erlösverteilung zu berücksichtigen. Der Pfandgläubiger hat jedoch sein Rekursrecht im konkreten Falle deshalb nicht verwirkt, weil es hiezu eines vorangehenden Widerspruches nicht bedurfte, da Dr. T. im Rekurs einen Verstoß gegen die Verteilungsgrundsätze behauptet hat, der damit begrundet wurde, daß ein gesetzliches Pfandrecht nicht bestehe. In einem solchen Falle stand dem Rekurswerber gemäß § 286 EO. in linea des § 213 EO. das Rekursrecht zu. Es kommt also nicht darauf an, wer letztlich im Streit über die Rechtsfrage, ob ein Pfandrecht nach § 1101 ABGB. vorliege oder nicht, Recht bekommt, sondern es kommt auf die Geltendmachung eines nach dem Gesetz zulässigen Rekursgrundes an.

Entscheidend ist nach der Ansicht des Obersten Gerichtshofes die

Frage, ob derjenige, der vertragsmäßig an seiner Liegenschaft einem

anderen ein in der Schürfung von Mineralien bestehendes Abbaurecht

einräumt, wie ein Bestandgeber an den geschürften Mineralien als den

Früchten der Liegenschaft ein gesetzliches Pfandrecht hat oder

nicht. Der § 1101 ABGB. besagt, daß "dem Vermieter zur

Sicherstellung eines Bestandzinses einer unbeweglichen Sache an dem

vom Mieter ... eingebrachten Einrichtungsstücken und Fahrnissen ...

das (gesetzliche) Pfandrecht zusteht". Ebenso "steht dem Verpächter

eines Grundstückes nach Abs. 3 des § 1101 ABGB. im gleichen Umfange

und mit gleicher Wirkung das Pfandrecht an .... darauf (auf dem

Pachtgute) noch befindlichen Früchten zu". Was die Früchte anlangt, so hat die Rechtsprechung das gesetzliche Pfandrecht des Verpächters auf den Erlös für die auf dem Halme verkauften Früchte anerkannt (GlUNF. 2823), dagegen eine pfandweise Beschreibung der hängenden Früchte für unzulässig erklärt (GlUNF. 1574 und 2424). Die "Früchte" der "Bergwerke" sind ihre Erze (Mineralien) oder Kohlen, die der Steinbrüche und Schottergruben die in ihnen gebrochenen Steine und der Schotter. Andere Abbauverträge kommen nicht in Frage.

Die Frage, ob auch dem Verpächter eines Unternehmens ein gesetzliches Pfandrecht (an den Einrichtungsgegenständen und Fahrnissen und Früchten) zusteht, ist nur mehr im Schrifttum strittig, wird aber von der Rechtsprechung bereits seit Jahren nahezu einhellig bejaht (SZ. VII/350, SZ. XIV/217 - JBl. 1932 S. 521, SZ. XXIV/47 - MietSlg. 1615, SZ. XXIII/98 - MietSlg. 1139 und zuletzt 20 b 357/53).

Hinsichtlich der rechtlichen Natur der Abbauverträge über Bodenschätze gehen die Meinungen wohl auseinander. So wurde in SZ. IX/198 - MietSlg. 10.051 der Abbauvertrag als ein Hoffnungskauf bezeichnet; in SZ. VI/301 - MietSlg. 10.052, worin es um die Überlassung von Gruben zur Gewinnung von Talkum gegen einen "Zins" ging, wurde ausgesprochen, daß dieser Abbauvertrag weder ein Pacht - noch ein Gesellschaftsvertrag, sondern ein Innominatskontrakt sei. In dem der Entscheidung GlU. 16.070 zugrunde gelegenen Verfahren, ist der Abbauvertrag eines Steinbruches in erster Instanz als ein Kaufvertrag, in zweiter als ein Pachtvertrag und in dritter Instanz wieder als ein Kaufvertrag qualifiziert worden. Klang und Ehrenzweig sprechen sich zwar gegen die Einräumung eines gesetzlichen Pfandrechtes im Sinne des § 1101 ABGB. an den Verpächter aus, weil sie grundsätzlich gegen eine Erweiterung des Geltungsbereiches des gesetzlichen Pfandrechtes sind. Klang bezeichnet aber den Abbauvertrag als einen "gemischten Pachtvertrag" (Klang, 2. Aufl. zu § 1090 S. 19 und ebendort zu § 1101 S. 66). Lanz bezeichnet den Abbauvertrag als einen entgeltlichen Fruchtgenußvertrag, auf den alle Begriffsmerkmale der §§ 500 und 511 ABGB. passen (NotZ. 1950 S. 189). Reichert sieht die Abbauverträge als Lieferungsverträge (NotZ. 1951. S. 28) an, wobei für die letzgenannten Autoren in erster Linie die Begünstigung nach dem Gebührengesetze maßgebend gewesen sein mag.

Jedenfalls ist daran festzuhalten, daß derzeit die Zuerkennung eines gesetzlichen Pfandrechtes an den Verpächter nicht nur bei der Vermietung und bei der landwirtschaftlichen Pachtung, sondern auch bei der gewerblichen Pachtung erfolgt. Die Ausdehnung entspricht den wirtschaftlichen Bedürfnissen (§ 7 ABGB). So wie die Judikatur den Weg der Ausdehnung von den unbeweglichen Sachen auf Unternehmungen (gewerbliche Pachtung) beschritten hat, so kann nach der Ansicht des Obersten Gerichtshofes ein Hindernis auch darin nicht erblickt werden, daß es bei der Schürfung von Mineralien klar ist, daß die unbewegliche Sache keine unverbrauchbare Sache ist, sondern daß es im Wesen der Abbauverträge liegt, daß sich durch die Gewinnung des abgebauten Materials die Substanz verringert. Mag der Abbauvertrag auch nicht schlechtweg, wie Ehrenzweig meint, ein Pachtvertrag sein, er wird in der Regel bestandrechtliche und kaufrechtliche Elemente in sich schließen.

Es war somit der Rekurs des zwangsbetreibenden Gläubigers gegen den Erlösverteilungsbeschluß zulässig, aber auch die Zuweisung der "Tonnageabgabe" rangmäßig begrundet. Die Billigung dieser Rechtsansicht führt zur Abänderung des angefochtenen und zur Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

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