Normen
HGB §123
HGB §161
HGB §123
HGB §161
Spruch:
Haftung der Kommanditgesellschaft für die Rückzahlung der geleisteten Einlage einer im Gründungsstadium als Kommanditist vorgesehenen, dann aber ausgeschiedenen Person, der die Rückzahlung der Einlage zugesichert wurde.
Entscheidung vom 10. April 1954, 2 Ob 37/54.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Mit dem Vertrag vom 26. Juli 1950 verpflichtete sich Rudolf M., der in Gründung begriffenen Kommanditgesellschaft K. A. B. mit einer Einlage von 100.000 S als Kommanditist beizutreten. Dieser Vertrag wurde am 8. November 1950 einvernehmlich aufgehoben. Rudolf M. trat seine geleistete Einlage von 60.000 S an den Kläger ab. Mit den Schuldscheinen vom 28. November 1950 und 1. Jänner 1951 anerkannte Karl B., der als Komplementär der zu grundenden Gesellschaft vorgesehen war, die Beträge von 40.000 S und 20.000 S dem Kläger zu schulden, und verpflichtete sich, die gewährten Darlehen ausschließlich für den Betrieb der zu grundenden Kommanditgesellschaft zu verwenden. In die Schuldscheine wurde eine Wertsicherungsklausel unter Zugrundelegung des damaligen Tagespreises von 2.40 S für den Laib eines Normalschwarzbrotes im Gewicht von 1 kg aufgenommen. Mit dem Schreiben vom 10. Oktober 1950 versprach Hans J. im Auftrage des Karl B. dem Kläger die Einlösung der Forderungen nach Abschluß der Verhandlungen über die Vermögensbeschaffung und unter Hinweis auf die bevorstehende Protokollierung die Kommanditgesellschaft. Auch mit dem Schreiben vom 17. Mai 1951 erklärte Hans J. im Auftrage des Karl B., die Forderungen nach erfolgreichem Abschluß der Verhandlungen mit Geldgebern zu begleichen. Die Kommanditgesellschaft K. A. B. wurde am 13. Jänner 1951 gegrundet und am 17. Juli 1951 in das Handelsregister eingetragen. Zufolge des Gesellschaftsvertrages war Karl B. der einzige Komplementär der Gesellschaft.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Bezahlung des unter Berücksichtigung der Wertsicherungsklausel und einer Teilzahlung der Witwe nach dem seither verstorbenen Karl B. sich ergebenden Darlehensrestes in der Höhe von 67.548.79 S samt den auf Grund der Schuldscheine noch aushaftenden Zinsen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es nahm als erwiesen an, daß Karl B. die Forderung des Klägers wiederholt als Forderung gegen die Gesellschaft anerkannt habe. In der Gründungsversammlung habe der Rechtsanwalt des Klägers darauf hingewiesen, daß die gegenständliche Forderung auch als Schuld gegenüber der beklagten Gesellschaft zu Recht bestehe. Diese Erklärung sei von den Kommanditisten widerspruchslos zur Kenntnis genommen worden.
Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Kommanditgesellschaft nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 123 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches tritt die Wirksamkeit einer offenen Handelsgesellschaft mit dem Zeitpunkt des Geschäftsbeginnes ein. Diese Bestimmung gilt gemäß § 161 HGB. auch für die Kommanditgesellschaft. Von einem Geschäftsbeginn kann dann gesprochen werden, wenn namens der zu grundenden Gesellschaft Geschäfte abgeschlossen werden. Es genügt ein einziges, unter der Firma der Gesellschaft mit Willen aller Gesellschafter vorgenommenes Geschäft. Das Berufungsgericht hat überdies festgestellt, daß vor Gründung der Gesellschaft nicht nur Maschinen und Büroeinrichtung, sondern auch Rohstoffe für das zu grundende Unternehmen angeschafft und bereits Löhne ausbezahlt wurden. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß die Kommanditgesellschaft im Zeitpunkt der Anerkennung der Forderung des Klägers ihre Geschäfte bereits begonnen hat. Hiezu kommt noch, daß die Gesellschafter bei der Gründung der Gesellschaft gegen die Erklärung des Vertreters des Klägers, daß seine Forderung eine Firmenschuld darstelle, keinen Widerspruch erhoben haben und daß daher bei vernünftiger Überlegung aller Umstände anzunehmen ist, daß sie seine Forderung als Firmenschuld auch anerkannt haben. Als Anerkenntnis der Forderung des Klägers sind auch das namens des Karl B. abgegebene fernmündliche Zahlungsversprechen des Hans J. und die Schreiben vom 10. Oktober 1950 und vom 17. Mai 1951 anzusehen. Dem Umstand, daß während des Gründungsstadiums Personen, die als Kommanditisten vorgesehen waren, ausgetreten sind und andere Personen sich an der Gründung der Gesellschaft beteiligt haben, als ursprünglich vorgesehen war, kommt keine Bedeutung zu. Das Handelsgesetz hat den römisch-rechtlichen Grundsatz der Unveränderlichkeit des Mitgliederstandes einer Gesellschaft preisgegeben, hauptsächlich deswegen, weil die Erhaltung eines bestehenden Unternehmens wegen der Erschwerung der Neugrundung von größter Tragweite ist (§ 138 HGB., Baumbach, Kommentar zu § 138 HGB.). Daß die gegrundete Gesellschaft ein anderes Unternehmen zum Gegenstand hatte, als die Gründer vorgesehen hatten, hat der Kläger in erster Instanz nicht behauptet. Es ist daher anzunehmen, daß sich die Gesellschaft die Ergebnisse der vorbereitenden Tätigkeit und die bereits geschaffenen Grundlagen für den Betrieb des Unternehmens zugewendet hat. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben muß daher die Gesellschaft die vorbereitenden Geschäfte, die dem Unternehmen zugute gekommen sind, anerkennen.
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