OGH 2Ob188/54

OGH2Ob188/5417.3.1954

SZ 27/68

Normen

ABGB §1304
ABGB §1325
Reichsversicherungsordnung §1542
ABGB §1304
ABGB §1325
Reichsversicherungsordnung §1542

 

Spruch:

Der Sozialversicherungsträger kann vom Schädiger den Ersatz des gesamten Krankengeldes verlangen, wenn dieses in dem um den Mitverschuldensanteil gekürzten Betrag des Verdienstentganges des Geschädigten für den gleichen Zeitraum Deckung findet.

Entscheidung vom 17. März 1954, 2 Ob 188/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Am 30. September 1948 wurde der Arbeiter Adolf A. von dem nachfahrenden, vom Beklagten gelenkten Kraftwagen angefahren und schwer verletzt. Der Beklagte wurde wegen Übertretung nach § 335 StG. vom Strafgerichte schuldig gesprochen. Die klagende Partei verlangt aus dem Gründe des § 1542 RVO. den Ersatz der von ihr erbrachten Leistungen an den Geschädigten in der Höhe von 1903.23 S samt Anhang. Der Beklagte hat unter Anerkennung gleichteiligen Verschuldens den Betrag von 951.60 S bezahlt und die Abweisung des eingeschränkten Klagebegehrens beantragt.

Das Erstgericht hat gleichteiliges Verschulden angenommen und das eingeschränkte Klagebegehren abgewiesen. Das Berufungsgericht hat unter der Annahme eines Mitverschuldens im Verhältnis zu 3/4 : 1/4 dem eingeschränkten Klagebegehren mit dem Betrage von 475.80 S s. A. stattgegeben, im übrigen der Berufung nicht Folge gegeben und die Prozeßkosten und die Kosten des Berufungsverfahren gegeneinander aufgehoben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und trug dem Prozeßgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht hat in den Gründen seines Erkenntnisses wohl zum Ausdrucke gebracht, daß es der richtunggebenden Entscheidung SZ. XXVI/87. folgen will, ist ihr aber tatsächlich nicht gefolgt, weil es von dem von der Revisionswerberin geltend gemachten Betrag den Verschuldensanteil des Geschädigten in Abzug bringt, ohne zu erörtern, ob der Anspruch der klagenden Partei in einer dem Geschädigten gegen den Schädiger allenfalls zustehenden höheren Ersatzforderung Deckung findet. Dieser Vorgang steht mit dem Gesetze nicht im Einklang. Im Ergebnisse würde er, worauf auch die Revisionswerberin zutreffend hinweist, dazu führen, daß die der Klägerin zustehenden Ansprüche bei Annahme eines Mitverschuldens des Geschädigten immer im gleichen Verhältnis gemindert würden wie die Ansprüche des Geschädigten selbst. Darüber, daß der Sozialversicherungsträger von dem Schädiger gemäß § 1542 RVO. höchstens nur jene Beträge ersetzt verlangen kann, die der Geschädigte vom Schädiger zu begehren berechtigt ist, hat kaum jemals ein Streit bestanden. Strittig war nur in der Rechtsprechung und im Schrifttum, wie sich ein Mitverschulden des geschädigten Versicherten auf seinen Anspruch und damit auch auf den auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch gegenüber dem Schädiger auswirken soll. Das Revisionsgericht hat in der Entscheidung SZ. XXVI/87 und in zahlreichen weiteren Entscheidungen (so 2 Ob 56/53) das Mitverschulden des Geschädigten insoweit berücksichtigt, als zunächst sein Verschuldensanteil von dem ihm erwachsenen Schaden zu ermitteln und von der ermittelten Differenz die Leistungen des Sozialversicherungsträgers in Abzug zu bringen sind. Die Mitverschuldenseinrede des Schädigers ist unbeachtlich, wenn der auf den Versicherungsträger gemäß § 1542 RVO. übergegangene Anspruch niedriger ist als der von dem Beschädiger an den Beschädigten zu bezahlende Schadenersatzbetrag. Die klagende Partei hat in der Klage vorgebracht, daß dem Beschädigten aus dem Titel des Verdienstentganges und der Heilungskosten gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche in einem die Pflichtleistungen der klagenden Unfallversicherungsanstalt wesentlich übersteigenden Ausmaß zustehen, ohne jedoch näher anzugeben, in welcher Höhe diese Schadenersatzansprüche zustehen und welcher Art sie sind. Eine genaue Bezeichnung der Schadenersatzansprüche wäre aber erforderlich gewesen, weil nach dem Grundsatz der kongruenten Deckung Ersatzansprüche des Geschädigten nur übergehen, soweit der Sozialversicherer in dem gleichen Zeitraum, für den die Ersatzansprüche entstehen, Leistungen zu gewähren hat, und soweit die Ansprüche, die dem Verletzten einerseits gegen den Versicherungsträger, anderseits gegen den Haftungspflichtigen zustehen, ihrer Art nach gleich sind (Geigel, Der Haftpflichtprozeß,

6. Aufl., 1952, S. 357, Wussow, 5. Aufl., Das Unfallhaftpflichtrecht, 1954, S, 559, und Entscheidungen des OGH. vom 5. März 1952, 2 Ob 19/52, und vom 12. Feber 1954, 2 Ob 674/1953). Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgesprochen, daß das Krankengeld als Ersatz für den entfallenden Arbeitsverdienst gewährt wird. Die klagende Anstalt kann daher den Ersatz des gesamten Krankengeldes verlangen, wenn dieses in dem um den Mitverschuldensanteil gekürzten Betrag des Verdienstentganges des Geschädigten für den gleichen Zeitraum Deckung findet. Gemäß § 182 Abs. 1 ZPO. hat der Vorsitzende bei der mündlichen Verhandlung darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben vervollständigt werden. Da die Unterinstanzen die Frage, welcher Art die dem Geschädigten für die Zeit vom 15. November 1948 bis 30. September 1950 zustehenden Ansprüche sind, und die Höhe dieses Verdienstentganges nicht erörtert haben, erweist sich das Verfahren als mangelhaft. Diese Mangelhaftigkeit hatte die Aufhebung der Urteile der Untergerichte zur Folge.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte