OGH 2Ob70/54

OGH2Ob70/5424.2.1954

SZ 27/51

Normen

ABGB §356
ABGB §356

 

Spruch:

Trotz gültiger Schenkung kann ein Grabstein von dem Grabe, dem er bisher gewidmet war, nur im Einverständnis aller Angehörigen der im gemeinsamen Grab Ruhenden entfernt werden.

Entscheidung vom 24. Feber 1954, 2 Ob 70/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Steyr; II. Instanz: Kreisgericht Steyr.

Text

Das Erstgericht gab dem auf Herausgabe des Grabsteines vom Grabe der Aloisia und des Karl E. gerichteten Klagebegehren statt, wobei es von der Feststellung ausging, daß die Beklagte den klagsgegenständlichen Grabstein der Klägerin im Sommer 1930 unter der Bedingung geschenkt habe, daß die Klägerin ihrerseits das bisher auf dem "E.-Grab" befindliche eiserne Grabkreuz auf das Grab des verstorbenen Bräutigams der Beklagten versetzen lasse und auch die Kosten der Umsetzung des auf dem letzteren Grab aufgestellten Grabsteines auf das E.-Grab, in dem auch der Gatte der Klägerin (Bruder der Beklagten) bestattet ist, sowie die Kosten der Inschriftenänderung trage, welcher Bedingung die Klägerin nachgekommen sei. Durch die Umsetzung des Grabsteines auf das "E.- Grab" sei auch die Übergabe des geschenkten Gegenstandes nachträglich erfolgt und die frühere förmlich ungültige Schenkung gültig geworden.

Der dagegen seitens der Beklagten erhobenen Berufung wurde Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil im Sinne der Klagsabweisung abgeändert. Das Berufungsgericht hielt das Klagebegehren schon aus rechtlichen Gründen und zwar aus der Erwägung für verfehlt, daß ein Schenkungsversprechen überhaupt nur Wirkungen zu äußern vermag, wenn die geschenkte Sache verkehrsfähig ist. Schon daran fehle es aber bei einem zu Pietätszwecken aufgestellten Grabstein. Durch diese Aufstellung werde der Grabstein zu einer res religiosa, so daß über ihn nur im Rahmen der durch Widmung, Religion und Pietät gegenüber den im Grabe ruhenden Toten gezogenen Grenzen verfügt werden könne.

Eine Verfügung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden sei also überhaupt nur im Rahmen dieser Einschränkung möglich. Selbst wenn angenommen werde, daß der Grabstein erst nach dem zweiten Todesfall (Karl. E.) auf das "E.-Grab" gesetzt wurde und selbst wenn die Beklagte dabei von einer schenkungsweisen Überlassung des Steines an die Klägerin gesprochen hätte, so könnte diese dadurch nicht unbeschränktes Eigentum an dem Stein erworben haben. Dieses Eigentumsrecht könnte vielmehr immer nur durch den Widmungszweck des Steines beschränkt gewesen sein. Der Widmungszweck des Steines ging aber dahin, als Erinnerungsmal für Aloisia und Karl E. zu dienen. Die Klägerin sei daher schon aus diesem Gründe nicht berechtigt, nunmehr den Stein von dem "E.-Grab" wegzubringen und an einen anderen Ort schaffen zu lassen. Dazu komme aber, daß unter den vorliegenden Umständen eine Schenkung des Steines seitens der Beklagten immer nur in dem erwähnten Sinn beabsichtigt gewesen sein konnte, daß diese also keineswegs im Sinne hatte, der Klägerin den Stein ins unumschränkte Eigentum zu übertragen. Die Klägerin konnte demnach selbst unter Annahme der Richtigkeit der behaupteten Schenkung nicht unbeschränktes Eigentum an dem Stein erwerben. Überdies sei damit, daß der Stein auf das "E.-Grab" umgesetzt wurde, dieser der Klägerin noch keineswegs übergeben worden, da die Klägerin auch nicht im Besitze des Grabes war. Es fehle somit auch an einer ordnungsmäßigen Übergabe des Steines an die Klägerin, so daß das behauptete Schenkungsversprechen schon wegen Formmangels ungültig sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Mit Recht hält das Berufungsgericht das Klagebegehren schon aus rechtlichen Gründen mangels Verkehrsfähigkeit des dem Grabe der Aloisia und des Karl E. nunmehr gewidmeten Grabsteines für rechtlich verfehlt, da über diesen nur innerhalb bestimmter Grenzen verfügt werden könne. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner grundlegenden Entscheidung SZ. XVI/229 ausgesprochen hat, sind wohl noch nicht dem Kultzweck zugeführte Grabsteine Gegenstand des freien Verkehrs und damit der Verfügung durch ihren Besteller. Dies ändert sich aber mit ihrer Aufstellung am Grabe, die sie wie das Grab selbst zu res religiosae, auch "befriedet" genannten Sachen, macht und daher an dem Grabstein nur ein durch die Widmung und mehrfache Rücksichten auf Religion und sittliche Volksanschauung beschränktes Eigentum gestattet.

Lediglich ein Benützungsrecht kommt in Frage, das zwar den Gebrauch durch Dritte ausschließt, im übrigen aber in den Kreis der Familienrechte gehört und als solches nur unter sorgsamster Wahrung der Pietätspflichten gegen alle in dem Grabe Ruhenden, denen das Grab mit dem darauf befindlichen Grabstein nunmehr gewidmet ist, ausgeübt werden darf. Es kann demnach eine Veränderung, worunter vor allem eine Entfernung des Grabsteines von dem Grabe, dem er bisher gewidmet war, fällt, nur im Einverständnis aller Angehörigen der im gemeinsamen Grabe Ruhenden getroffen werden. Es war daher grundsätzlich verfehlt, wenn das Erstgericht das nach der Klagebehauptung durch Schenkung erworbene Verfügungsrecht der Klägerin an dem Grabstein nur von dem Gesichtspunkt des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffes aus geprüft hat. Desgleichen erscheint nicht von rechtserheblicher Bedeutung, ob die Klägerin seinerzeit für die Kosten der Umsetzung des Grabsteines auf das "E.- Grab" sowie für dessen Umgestaltung und Neubeschriftung schließlich für die Kosten der Miete des Grabes aufgekommen ist, welch letzterer Annahme allerdings die Auskunft der Friedhofsverwaltung widerspricht, denn die Lösung der Frage des Verfügungsrechtes am Grabstein nur nach Kostenbeiträgen würde zu meist unhaltbaren Ergebnissen führen. Die Entfernung des Grabsteines würde daher eine Pietätsverletzung und Kränkung der Beklagten als einer nahen Angehörigen der in dem "E.-Grab" bestatteten Toten in einem schutzwürdigen Empfinden, also einem Rechtsgut persönlicher Art bedeuten, sodaß schon aus dieser rechtlichen Erwägung das Klagebegehren abzuweisen ist, selbst wenn ein im übrigen gültiger Schenkungsakt hinsichtlich des Grabsteines zustande gekommen wäre, da durch die derzeitige Widmung der geschenkte Gegenstand jedenfalls seine Verkehrsfähigkeit verloren hat.

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