OGH 2Ob415/53

OGH2Ob415/533.2.1954

SZ 27/22

Normen

ZPO §499
ZPO §511
ZPO §519
ZPO §499
ZPO §511
ZPO §519

 

Spruch:

Bindung des Obersten Gerichtshofes an seine im Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsansicht, wenngleich nach dem Aufhebungsbeschluß eine gegenteilige ins Spruchrepertorium eingetragene Entscheidung ergangen ist.

Entscheidung vom 3. Feber 1954, 2 Ob 415/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Lambach; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Das Erstgericht hat (nach zweimaliger Aufhebung seines Urteiles durch das Berufungsgericht) die auf § 19 Abs. 1 MietG. gestützte Änderungskündigung, betreffend die von der beklagten Partei gepachtete Liegenschaft - bestehend aus einem Gasthause mit einem Wirtschaftsgebäude, einer Scheune und aus landwirtschaftlichen Grundstücken - aufgehoben. Es hat ferner im Urteile mit Beschluß ausgesprochen, daß der Pachtzins für die von der beklagten Partei gepachtete Gastwirtschaft samt landwirtschaftlichem Betriebe mit 1855 S für das Jahr festgesetzt wird.

Das Berufungsgericht hat das Urteil bestätigt. Die Untergerichte waren in den Fragen der Zulässigkeit der Kündigung nach dem Mietengesetze und der Festsetzung des Pachtzinses durch das Gericht an die Rechtsansicht des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 21. Februar 1951, 3 Ob 434/50, gebunden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Vor der meritorischen Behandlung der Revision hält der Oberste Gerichtshof folgenden verfahrensrechtlichen Hinweis für angebracht:

Die Untergerichte sind davon ausgegangen, daß es sich im vorliegenden Falle um eine Kündigungsstreitigkeit aus einem Bestandverhältnisse handelt, auf das die Bestimmungen "über den Schutz der Mieter" Anwendung zu finden haben (§ 502 Abs. 4 ZPO.). Selbst wenn der Oberste Gerichtshof in - materiellrechtlich - gleichgelagerten Fällen seit dem Spruchrepertorium 35 (neu) die Anwendung des Mieterschutzes grundsätzlich verneinte, so kann dies im gegebenen Falle nicht dazu führen, die Revision als unzulässig anzusehen. Es waren hiefür nicht die Bestimmungen über den Wert des Streitgegenstandes gemäß §§ 500 Abs. 2, 502 Abs. 3 ZPO., sondern die des § 502 Abs. 4 ZPO. maßgebend. Die Frage der Revisibilität ist daher nur davon abhängig, ob das Berufungsgericht formalrechtlich den § 502 Abs. 4 ZPO. angewendet hat, was im vorliegenden Falle zutrifft.

In der Revision des Klägers (aufkundigenden Verpächters) wird der Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. geltend gemacht.

Der Revisionswerber geht bei der Darstellung dieses Revisionsgrundes davon aus, daß es ihm zufolge der Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes aus dem Gründe des § 496 Abs. 1 Z. 3 ZPO. im fortgesetzten Verfahren erlaubt war, ein neues Vorbringen zu machen. Nun habe er in der Streitverhandlung vom 16. Dezember 1952 vorgebracht, daß eine "Unternehmensverpachtung vorliege, die nicht dem Kündigungsschutze unterliege". Aus diesem Gründe seien die Untergerichte an die Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes, daß das Bestandverhältnis den Kündigungsschutz der §§ 19 bis 23 MietG. genieße, nicht mehr gebunden. Allerdings führt der Revisionswerber auch noch weiter aus, daß schon die Untergerichte den Fall einer "Unternehmenspacht" bejaht hätten, was auch der Beklagte nicht bestritten habe.

Die Ausführungen des Revisionswerbers sind unbegrundet: Sein Vorbringen in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung ist keineswegs neu. Er hat damals nur vorgebracht, daß sich die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes seit dem Spr.-Nr. 35 (neu) (Entscheidung vom 12. März 1952, 1 Ob 707/51) insofern geändert habe, als "Unternehmungspachtungen nicht mehr dem Kündigungsschutz unterliegen", somit die gegenteilige Annahme der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 21. Februar 1951, 3 Ob 434/50 (ON. 11 des Aktes) nicht mehr zutreffe und deshalb der Kündigung unter allen Umständen stattzugeben wäre. Was auf diese Weise der Revisionswerber geltend macht, ist nichts anderes als ein Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die - nach Ansicht des Revisionswerbers - derzeit nicht mehr annehmen würde, daß der Bestandgegenstand dem Mieterschutz unterliege. Daß es sich aber schon seit der Anbringung der Klage um eine Unternehmenspacht handelte, ist, abgesehen davon, daß letztlich die Frage, ob "Unternehmenspacht" vorliege, rechtliche Beurteilung ist, keineswegs eine neue Tatsache, wie dies der Revisionswerber selbst in der Revisionsschrift zugeben mußte.

Wenn auch der Oberste Gerichtshof den vorliegenden Rechtsfall dem Spr.-Nr. 35 (neu) entsprechend beurteilen wollte, so ist ihm dies zufolge der vorerwähnten Entscheidung aus dem Jahre 1951 verwehrt, weil der Oberste Gerichtshof gemäß § 511 ZPO. an seine geäußerte Rechtsansicht - wenn sich die tatsächlichen Voraussetzungen inzwischen nicht geändert haben - gebunden bleibt. Einen Bindungskonflikt - des Spruchrepertoriums wegen - hält der Oberste Gerichtshof nicht für gegeben.

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