OGH 3Ob643/53

OGH3Ob643/5323.12.1953

SZ 26/317

Normen

HGB §105
HGB §109
HGB §123
HGB §131
HGB §105
HGB §109
HGB §123
HGB §131

 

Spruch:

Werden die mehreren Erben nach einem verstorbenen Gesellschafter zustehenden Gesellschaftsrechte durch einen Repräsentanten (Treuhänder) ausgeübt, so stehen den Treugebern unmittelbare Rechte im Innern der Gesellschaft zu.

Das Beteiligungsrecht der von dem verstorbenen Repräsentanten in der Gesellschaft vertretenen Personen wird durch sein Ableben nicht berührt.

Entscheidung vom 23. Dezember 1953, 3 Ob 643/53.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die verstorbene Klara P. schloß am 7. Feber 1939 mit dem Zweitbeklagten einen Gesellschaftsvertrag (offene Handelsgesellschaft) ab, in dem es im Punkt X heißt:

"Stirbt Frau Klara P. während der Dauer des Vertragsverhältnisses, jedoch vor Ablauf von 12 Jahren seit dem Eintritt des Herrn Luis G. in die Firma, so steht es deren Erben frei, längstens binnen einem Monat seit dem Tode der Frau Klara P. zu erklären, daß sie das Gesellschaftsverhältnis mit Herrn Luis G. fortsetzen wollen, in welchem Falle sie gleichzeitig einen von ihnen als gemeinsamen Repräsentanten namhaft zu machen haben, welcher allein als öffentlicher Gesellschafter einzutragen ist." Frau P. ist am 22. Oktober 1942 gestorben. Ihr halber Geschäftsanteil fiel zur Hälfte an ihre Mutter Gertrud H. und zu je 1/8 an die Geschwister Vinzenz H., Emma Sch., Rudolf Karl H. und die Klägerin Helene V. Diese machten im Sinne des Punktes X des Gesellschaftsvertrages Rudolf Karl H. als Repräsentanten namhaft, der auch als öffentlicher Gesellschafter registriert worden ist. Rudolf Karl H. hat nachträglich sämtliche Anteile der Gruppe P.-H. mit Ausnahme des Anteiles der Klägerin erworben, sodaß er zum Schluß in der Gesellschaft 7/8 der Gruppe P.-H. im eigenen Namen und 1/8 als Vertreter der Klägerin repräsentiert hat.

Rudolf Karl H. ist am 29. Juli 1950 gestorben, seine Alleinerbin ist seine Witwe, die Erstbeklagte. Ein neuer Repräsentant der Gruppe P.- H. wurde nach dem Tode des Rudolf Karl H. nicht bestellt. Klägerin steht auf dem Standpunkt, daß sie nach wie vor zu 1/8 am Anteil P.- H. der bis zum Tode des Rudolf Karl H. durch diesen in der Gesellschaft repräsentiert war, und demnach an der Gesellschaft mit 1/16 beteiligt sei und stellt daher das Begehren gegenüber der Erst- und dem Zweitbeklagten mit Urteil zu erkennen, daß ihr auf Grund des zwischen dem Zweitbeklagten und Klara P. über die offene Handelsgesellschaft Oskar P. geschlossenen Gesellschaftsvertrages vom 7. Feber 1939 als Rechtsnachfolgerin zu 1/8 in die Rechte der ehemaligen Gesellschafterin Klara P. Gesellschafterrechte an der genannten Firma zustehen.

Die beiden unteren Instanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, das Berufungsgericht aus nachstehender Erwägung:

Gemäß § 131 Z. 4 HGB. werde eine offene Handelsgesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst, sofern sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag ein anderes ergebe. Im vorliegenden Falle sei durch Punkt X des Vertrages "ein Anderes" vereinbart worden. Die Klägerin habe nun zu beweisen, daß gemäß dieser Bestimmung, etwa im Zusammenhang mit anderen Umständen, das Rechtsverhältnis bestehe, welches nach dem Urteilsantrag für die Klägerin festgestellt werden solle. Dieser Beweis sei aber nicht gelungen. Klägerin habe nicht behauptet, daß außer dem Punkt X des zitierten Gesellschaftsvertrages irgendwelche Vereinbarungen getroffen worden seien; auch stehe fest, daß der Erbin nach Klara P. die in der erwähnten Vertragsbestimmung vorgesehenen Erklärungen zur Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem Zweitbeklagten rechtswirksam abgegeben und einen Repräsentanten namhaft gemacht habe. Was für Rechtswirkungen aus diesen Erklärungen abzuleiten sind, sei eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

Das Berufungsgericht meint nun, daß die Berufungswerberin durch die Erklärung in der Berufung, sie sei zwar Gesellschafterin, aber nicht "offene" Gesellschafterin im Erbgang geworden, ihrem Rechtsstandpunkt den Boden entziehe, denn sie strebe die Feststellung an, daß ihr - abgesehen von der quantitativen Beschränkung nach der Erbschaftsquote - jene Gesellschaftsrechte zustehen, welche Klara P. hatte, also die Rechte eines persönlich haftenden Gesellschafters im Sinne des Handelsgesetzbuches, sie habe aber durch die erwähnte Erklärung in der Berufung mittelbar zugegeben, daß sie diese Stellung nicht erlangt habe. Der Gesetzgeber kenne nur eine Kategorie von Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft, nämlich jene, deren Haftung er im § 105 HGB. als gegenüber den Gläubigern unbeschränkt voraussetze und deren Eintragung in das Handelsregister im § 106 vorgesehen sei. Dies mag z. B. nicht ausschließen, meint das Berufungsgericht, daß hinsichtlich der vermögensrechtlichen Substanz eines Gesellschaftsanteils unbeschadet der Rechte der übrigen Gesellschafter und der sich aus dem Wesen der Gesellschaft ergebenden Beschränkungen und rücksichtlich der Erträgnisse des Gesellschaftsanteils zwischen dem Gesellschafter und außenstehenden Personen ein Beteiligungsverhältnis etwa ähnlich einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes bestehe und daß der Gesellschafter hinsichtlich seines Anteiles als Treuhänder für andere Personen fungiere. Diese Personen stunden dann nicht in Rechtsbeziehungen zu den übrigen persönlich haftenden Gesellschaftern oder zur Gesellschaft selbst, soweit sie nicht Gläubigerrechte hatten. Der Berufungswerberin sei zuzugeben, daß die Gesellschaft im vorliegenden Fall durch den Tod ihrer Schwester Klara P. nicht aufgelöst, sondern zunächst mit deren Erben bzw. der Verlassenschaft (Art. 7 Nr. 17 der 4. EVzHGB.) fortgesetzt worden sei. Sie übersehe aber die besondere Regelung der Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses im Sinne der zitierten Vertragsbestimmung undgelange so zu einer Rechtsauffassung, welche den zwingenden Vorschriften des Handelsgesetzbuches widerspreche. Dabei beruft sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung des deutschen Reichsgerichtes RGZ. 170, S. 99 ff (105), aus der sich die Unzulässigkeit einer Innenbeteiligung einer Gesellschafterin in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes ergebe.

Mit Unrecht bekämpfe die Klägerin die Auffassung des Erstgerichtes, daß nach dem Gesellschaftsvertrag vom 7. Feber 1939 nur der Repräsentant Gesellschafter werden durfte und konnte, denn mit Recht folgere das Erstgericht aus dem Vertrag, den es richtig auslege, daß nur der Repräsentant H. an Stelle der Erben nach Klara P. Gesellschafter sein könne; die anderen Erben seien keine persönlich haftenden Gesellschafter geworden. Es möge sein, daß die Klägerin über H. wirtschaftlich auf die Gestion der Firma Einfluß nehmen konnte, weil etwa H. als Beauftragter und Treuhänder an ihre Weisungen gebunden war. Inwiefern dies etwa zutreffe, sei nicht untersucht worden und brauche auch nicht geprüft werden, da die Rechtsbeziehungen zwischen H. und den übrigen Erben nach Klara P. gegenüber der Gesellschaft und vor allem gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter G. ohne Belang seien.

Demgemäß sei es ohne Bedeutung, daß die Klägerin, wie sie behauptet, hinsichtlich ihrer Ansprüche aus dem Erbgang nach Klara P. nicht abgefunden worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile beider Vorinstanzen auf und verwies die Rechtsache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtslage, daß ein Anteil mehreren Personen gemeinsam gehört, deren Rechte der Gesellschaft gegenüber durch einen gemeinsamen Vertreter repräsentiert werden, ist nur im § 80 Abs. 2 GesmbHG. geregelt, nicht aber im 2. Buch, 1. Abschnitt des Handelsgesetzbuches, der die offene Handelsgesellschaft behandelt. Daß aber der Gedanke der Repräsentation mehrerer Beteiligten durch einen Repräsentanten auch dem Recht der offenen Handelsgesellschaft nicht fremd ist, ergibt sich aus § 146 Abs. 1 Satz 2 HGB.

Solche Repräsentationsverhältnisse entstehen aber nicht nur ex lege durch Erbfall, sie können auch vertraglich vorgesehen werden. Das ist erst dann der Fall, wenn Gesellschafter wie im Punkt X des diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vertrages bestimmen, daß mehrere, insbesondere kraft Erbrechtes Beteiligte, einen gemeinsamen Repräsentanten zu bestellen haben. Dieser gemeinsame Repräsentant gilt im Außenverhältnis als Mitgesellschafter, der nach dem Recht der offenen Handelsgesellschaft nach außenhin allein die Erklärung der Gesellschafter als persönlich haftender Gesellschafter abgibt, die maßgebend ist und nicht das, was die Beteiligten untereinander ausgemacht haben (Erkenntnis des VerwGH. vom 26. Mai 1908, Budw. 6212 (F.)).

Die Vereinbarung des Innenverhältnisses steht dagegen den Beteiligten vollkommen frei. Es muß nicht einmal ein Sozietätsverhältnis vorliegen, das ist z. B. dann nicht der Fall, wenn bei einer Zweimann-Gesellschaft beide Gesellschafter nur Repräsentanten einer dritten Person sind, der materiell allein das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft gehört (4 Ob 99/53). Auch steuerrechtlich ist in solchen Fällen das Erträgnis den tatsächlich materiell Berechtigten zuzurechnen und nicht den formal als offene Handelsgesellschafter auftretenden Personen (RFH. 43, 219). Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob das bestehende indirekte Beteiligungsverhältnis der durch einen Vertreter repräsentierten Personen als Innenverhältnis einer offenen Handelsgesellschaft zu konstruieren ist oder wie das Erkenntnis des RFH. 41, 343, es ausdrückt, als "indirektes Beteiligungsverhältnis". Der Oberste Gerichtshof kann sich daher der Auffassung des deutschen RGZ. 170, 105 nicht anschließen, daß eine Innenbeteiligung eines Dritten an einer offenen Handelsgesellschaft ausgeschlossen sei, sondern nur als Subbeteiligung an dem Anteil eines Gesellschafters bestehen könne, die die Gesellschaft nicht berühre. Übrigens ist das westdeutsche Bundesgericht erst jüngst (Urteil vom 27. Mai 1953, NJW. 1953, 1220, Nr. 3) von dieser Auffassung abgerückt. Es hält eine solche offene Handelsgesellschaft zwar nach wie vor für unwirksam und erklärt sie für eine bloße Scheingesellschaft, gibt aber zu, daß sich das Innenverhältnis dieser Scheingesellschaft nach dem wirklichen Willen der Beteiligten richtet, kommt also praktisch ebenfalls zu dem Ergebnis, daß eine solche Vereinbarung als wirksam anzusehen und nach dem Willen der Parteien auszulegen ist. In der soeben veröffentlichten neuesten Entscheidung des deutschen Bundesgerichtes vom 13. Mai 1953, NJW. 1953, Nr. 1548, läßt die deutsche Judikatur den im RGZ. 170, 105 eingenommenen Standpunkt offen fallen und erkennt ganz im Sinne dieser Entscheidung den Treugebern unmittelbare Rechte im Innern der Gesellschaft zu. Die neueste Entwicklung in Deutschland ist daher ein weiteres Indiz für die Richtigkeit des vom Obersten Gerichtshof eingenommenen Standpunktes.

Die Frage der rechtlichen Konstruktion des durch die Vereinbarung imPunkt X begrundeten Rechtsverhältnisses kann bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites auf sich beruhen. Es kann, und das ist allein entscheidend, nur maßgebend sein, was der Zweitbeklagte und seine verstorbene Gesellschafterin Klara P. im Punkte X des Gesellschaftsvertrages seinerzeit vereinbaren wollten.

Geht man von dem Wortlaute dieses Vertrages aus, so muß daraus gefolgertwerden, daß der Zweitbeklagte auch rücksichtlich der Geschäftsführung nur mit einer Person als Repräsentanten der Gruppe Erben P. zu tun haben wollte und daher verlangt hat, daß im Falle des Ablebens der Klara P. die Miterben einen Vertreter namhaft zu machen. Ein solcher Repräsentant ist zwar alleiniger Willensvertreter seiner Gruppe, aber er ist weder im Verhältnis zur Gesellschaft noch zu den übrigen Gesellschaftern materiell Berechtigter, das sind und bleiben die Erben, die er in der Gesellschaft vertritt. Stirbt daher der Repräsentant, so treten nicht seine Erben schlechthin in die Rechtssituation, sondern nur insoweit, als er selbst materiell Beteiligter ist. Die Gruppe muß deshalb einen neuen Repräsentanten namhaft machen. Das Beteiligungsrecht der von dem verstorbenen Repräsentanten in der Gesellschaft vertretenen Personen wird durch sein Ableben nicht berührt.

Das Klagebegehren der Klägerin kann daher nicht ohneweiters als nicht begrundet angesehen werden. Es steht ihr nach Punkt X jedenfalls ein Beteiligungsrecht intern zu. Wenn Klägerin dieses Beteiligungsrecht "Gesellschaftsanteil" nennt, so bringt sie damit unmißverständlich zum Ausdruck, was sie festgestellt wissen will, mag dieses Beteiligungsverhältnis nach der Auffassung der Wissenschaft ein Gesellschaftverhältnis sein, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständigerJudikatur annimmt, oder nur eine nicht näher konstruierte Beteiligung, wie die deutsche Finanzrechtsprechung und jüngst der westdeutsche Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 27. Mai 1953 annimmt. Der Oberste Gerichtshof findet keine Bedenken, es bei dem in der Klage wesentlichen Ausdruck "Gesellschaftsrechte" bewenden zu lassen, muß es aber den Unterinstanzen freistellen, wenn sie das vorliegende Rechtsverhältnis anders konstruieren, den Ausdruck "Gesellschaftsrecht" durch einen ihnen zutreffend scheinenden anderen Ausdruck zu ersetzen. Keinesfalls darf aber das Klagebegehren wegen einer abweichenden konstruktiven Auffassung abgewiesen werden.

Das Klagebegehren ist also an sich als zulässig anzusehen, doch ist die Sache noch nicht spruchreif, da nicht klargestellt ist, ob die Klägerin nicht etwa nachträglich auf ihr Recht verzichtet hat. Das Berufungsgericht lehnt diesbezüglich, von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgehend, eine Stellungnahme ab. Auch wird im fortgesetzten Verfahren zu erörtern sein, welche Bedeutung der Klausel "vor Ablauf von 12 Jahren" im Punkt X zukommt, ob damit nur der erste Erbfall gemeint ist und ob etwa im Falle eines weiteren Erbfalles nach 12 Jahren die Erben direkt eintreten können, ohne daß ein Vertreter der Gruppe P. nominiert werden muß. Dem Wortlaut des Punktes X nach kommt dem Umstand, daß zugleich mit der Fortsetzungserklärung ein neuer Repräsentant nicht namhaft gemacht wurde, keine Bedeutung für den Ausgang des Prozesses zu, weil Punkt X, so wie er vorliegt, nur dahin verstanden werden kann, daß im Falle der Unterlassung der Namhaftmachung eines Repräsentanten die Gesellschaft endet, also in Liquidation tritt, d. h. vorläufig noch weiter als Liquidationsgesellschaft fortbesteht. Daß diese Bestimmung anders zu verstehen sei, ist im bisherigen Verfahren nicht behauptet worden.

Da voraussichtlich eine Verhandlung erster Instanz nicht zu vermeiden sein wird, wurde auch das erstrichterliche Urteil aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen (§ 510 ZPO.).

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