OGH 2Ob498/53

OGH2Ob498/532.12.1953

SZ 26/291

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §154
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1327
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §154
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1327

 

Spruch:

Hat der getötete Sohn die nur teilweise arbeitsfähige Mutter als unterhaltsbedürftig im Sinne des § 154 ABGB. anerkannt, ist der tatsächlich geleistete Unterhalt nach § 1327 ABGB. zu ersetzen.

Entscheidung vom 2. Dezember 1953, 2 Ob 498/53.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Beklagte hat Johann H., den Sohn der Klägerin, am 5. Juli 1951 fahrlässig getötet. Johann H. verdiente im Monatsdurchschnitt 1020.76 S. Er stellte nahezu seinen ganzen Verdienst der Klägerin zur Verwendung für den gemeinsamen Haushalt zur Verfügung, während seine beiden Schwestern zum Unterhalt der Klägerin nicht beigetragen haben. Die Klägerin war zur Zeit des Todes ihres Sohnes zirka 50 Jahre alt und durch verschiedene Leiden um rund 40% gegenüber gleichaltrigen Frauen in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt. Sie wäre schon damals nicht in der Lage gewesen, ihren gesamten Lebensunterhalt zu verdienen, ging keiner Arbeit nach, sondern führte nur ihrem Sohne über seinen Wunsch den Haushalt. Nach dem Tode des Johann H. hat sich der Beklagte bereit erklärt, der Klägerin in seinem Unternehmen oder in einem anderen Betriebe einen für sie tauglichen Arbeitsplatz zu verschaffen, doch hat die Klägerin dieses Anbot abgelehnt.

Die Klägerin verlangt Schadenersatz gemäß § 1327 ABGB. Das Erstgericht hat ihr u. a. einen Betrag von 950 S zugesprochen, nämlich einen Betrag von 2000 S, von dem es als erwiesen angenommen hat, daß ihn die Klägerin benötigte, um ihren Unterhalt in der Zeit vom 15. Juli bis 31. Oktober 1951 zu fristen, abzüglich eines Betrages von 1050 S, den die Klägerin aus Anlaß des Todes ihres Sohnes von der Gebietskrankenkasse erhalten hat, ferner eine Rente von 450 S monatlich ab 1. November 1951. Über Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Rente auf 350 S herabgesetzt und auf Grund dieses der Klägerin zugesprochenen Rentenbetrages der Klägerin für die Zeit vom 15. Juli bis 31. Oktober 1951 (3 1/2 Monate) nur 1225 S, abzüglich der Krankenkassenleistung von 1050 S sohin nur 175 S zuerkannt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Keine der beiden Revisionen ist berechtigt.

Die Klägerin kann gemäß § 1327 ABGB. allerdings nur dann Ersatz des ihr durch den Tod ihres Sohnes Entgangenen verlangen, wenn ihr getöteter Sohn nach dem Gesetze verpflichtet war, für ihren Unterhalt zu sorgen, also nach § 154 ABGB. nur dann, wenn sie in Dürftigkeit verfallen war, ihr der anständige Unterhalt mangelte (vgl. z. B. 3 Ob 56/53). Die Untergerichte haben im vorstehenden Fall die Dürftigkeit der Klägerin in diesem Sinne im Hinblick auf ihr Alter und ihre verminderte Erwerbsfähigkeit mit Recht bejaht. Dabei ist auch noch folgendes zu erwägen. Bezüglich des Ausmaßes des nach § 1327 ABGB. zu ersetzenden mittelbaren Schadens hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen (so in EvBl. Nr. 14/39, 2 Ob 739/51, 2 Ob 242/52), daß das zu ersetzen ist, was tatsächlich an Unterhalt geleistet wurde, nicht bloß das, was in einem Unterhaltsstreit zugesprochen werden würde, daß also der Schadenersatzanspruch nach dem eingetretenen Schaden und nicht nach dem Ausmaß des geschuldeten Unterhaltes zu bemessen ist. Der Schädiger kann nicht die vom Getöteten vorgenommene Unterhaltsbemessung nachträglich korrigieren, den vom Getöteten geleisteten Unterhalt nachträglich, als übermäßig bemessen, herabsetzen. Der geschuldete Unterhalt ist nicht ein mathematisch ermittelbarer fester Betrag. Bei der freiwilligen Unterhaltsbemessung spielen auch persönliche und sittliche Erwägungen eine große Rolle und ein aus solchen Erwägungen reichlich bemessener Unterhalt bleibt deshalb doch Unterhalt. Dieser für die Ausmessung des Ersatzbetrages geltende Gesichtspunkt ist aber auch bei der Frage des Bestehens der Unterhaltspflicht überhaupt, wenigstens zum Teil, entsprechend anzuwenden, wobei darauf hinzuweisen ist, daß sowohl die den Unterhaltsanspruch nach § 154 ABGB. begrundende Dürftigkeit als auch die Anständigkeit des Unterhaltes, die sein Ausmaß nach dieser Gesetzesstelle bestimmt, deren Fehlen sohin als Dürftigkeit anzusehen ist, nach den Umständen des Falles in gewissen Grenzen sehr verschieden beurteilt werden können. Wenn ein liebevoller Sohn aus Dankbarkeit für die von ihm erfahrene Mutterliebe seine nur zum Teil arbeitsfähige 50jährige Mutter für berechtigt erachtet, sich auf seine Kosten zur Ruhe zu setzen, und sie somit als unterhaltsbedürftig (eines ihr mangelnden anständigen Unterhaltes bedürftig) im Sinne des § 154 ABGB. anerkennt, kann der, der ihn tötet, dem Ersatzanspruch der Mutter nicht entgegenhalten, daß sie im Rechtswege vielleicht von ihrem Sohne keinen Unterhalt hätte erlangen können. Auch in diesem Falle ist der geleistete Unterhalt nach dem Gesetz geschuldeter Unterhalt im Sinne des § 1327 ABGB. und nicht eine freiwillige, noch im Zweifel eine vertragliche Zuwendung.

Auf Grund dieser Erwägungen gebührt der Klägerin der Ersatz jenes Teiles des ihr von ihrem Sohne allmonatlich für den gemeinsamen Haushalt übergebenen Betrages von zirka 1000 S, den sie für sich verbrauchen konnte und der mangels einer diesbezüglichen Vereinbarung ebensowenig wie etwa ein vom Gatten der Gattin übergebenes Wirtschaftsgeld auch nur zum Teil als Entlohnung für die Haushaltsführung angesehen werden kann.

Daß die Klägerin auf den ihr sonach gegen den Beklagten zustehenden Rentenanspruch nicht gegen Verschaffung eines ihr vom Beklagten - ohne Garantie einer Dauerbeschäftigung - angebotenen Arbeitsplatzes verzichten wollte, tut diesem Anspruch keinen Eintrag. Die Unterlassung von Feststellungen über die der Klägerin vom Beklagten angebotene Arbeit begrundet daher keinen Verfahrensmangel.

Im Hinblick auf die Ausführungen der Revisionsbeantwortung der Klägerin ist darauf hinzuweisen, daß, wenn keine Bagatellsache vorliegt, die Bekämpfung des berufungsgerichtlichen Urteiles in Ansehung eines unter der Bagatellgrenze liegenden Betrages (hier 175 S) wegen der Vorschrift des § 502 Abs. 2 ZPO. zulässig erscheint (4 Ob 83/52).

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